193.112 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Überarbeitungen

Schreiberhände:

  • Johann Turnovsky, schwarze Tinte

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag
Datum: 5.V.1936

Empfänger

An: P.T. | Herrn Dr. Oskar Samek, | Advokat
Reindorfgasse 18
Wien – XIV
Seite von 6

Sehr geehrter Herr Doktor.

Ihrem bei unserer heutigen telefoni-schen Unterredung geäusserten Wunsche entsprechend übersen-de ich Ihnen die Uebersetzungen der zwei Judikate, welchedie Bestimmung des § 18 des Ehrenschutzgesetzes behandeln.

Wenn ich daran gedacht habe, Sie zubitten, einen Artikel in einer österreichischen Fachzeit-schrift zu veröffentlichen, in welchem die Bedeutung derbetreffenden gesetzlichen Bestimmung und die Missdeutungdurch die Praxis, insbesondere durch das in unserer Ange-legenheit erflossene Urteil besprochen wird, so geschahdies deshalb, weil ich annehme, dass die Generalprokuraturdadurch veranlasst werden könnte, sich mit unserem Falleeingehend zu befassen und die Nichtigkeitsbeschwerde zurWahrung des Gesetzes zu überreichen. Es ist mir bekannt,dass die Generalprokuratur darauf bedacht ist, zu vermeiden,dass die tschechoslowakische Justiz im Auslande diskreditiertwerde. Wenn also Herr Dr. G. aus Brünn, der in dieser Angele-genheit zu intervenieren versprach, dem betreffenden Refe-renten einen in Oesterreich erschienenen Artikel vorlegenund dabei darauf hinweisen wird, dass das Fehlurteil imAuslande Aufsehen erregt hat, wird der Referent sicherlicheher geneigt sein, den Fall sorgfältig zu prüfen, als er esohne Hinweis auf den betreffenden Artikel voraussichtlich wäre.

Natürlich müsste man vermeiden, dass der Artikelunter Ihrem Namen erscheint, weil man Sie doch als Anwalt des HerrnK. kennt, ebenso wie es taktisch verfehlt wäre, wenn ich einen solchenArtikel in Oesterreich publizieren wollte. Sie werden sicherlichgenügend befreundete Anwälte haben, die den Artikel mit ihrem Namendecken werden. Ich selbst kenne in Wien Herrn Dr. Oskar Heitler,Wien – III, Lothringerstrasse 12, der voraussichtlich hiezu bereitwäre und an den Sie sich, wenn Sie sonst niemand haben, unter Be-rufung auf mich wenden könnten.

Wenn es Ihnen also möglich wäre und wenn Sie esfür richtig halten, einen solchen Artikel zu lancieren, dann würdemich das sehr freuen.

Sie haben sicherlich die Pressberichtigung derüber unsere Aufforderung im Prager Tagblatt veröffentlichten Press-berichtigung gelesen. Herr K. wünscht, dass diese Pressberichti-gung von uns abermals berichtigt werde und hat mir in einer leiderzu kurzen Rücksprache die Art angegeben, in welcher die Berichti-gung abgefasst werden soll. Ich habe die Berichtigung verfasstund sende Ihnen eine Kopie mit der Bitte ein, die Angelegenheitmit Herrn K. zu besprechen, mir allfällige Abänderungswünsche be-kanntzugeben und mitzuteilen, ob im Falle der Verweigerung der Ver-öffentlichung der Antrag nach § 14 P.G.N., dessen Entwurf ichIhnen gleichfalls vorher einsenden würde, überreicht werden soll.

Ferner schliesse ich einen Durchschlag desBriefes an Dr. Emil Strauss bei, in welchem die seinerzeit einge-sendete Berichtigung zurückgezogen und die Veröffentlichung einerneuen, abgeänderten, verlangt wird. Da ich überzeugt bin, dass derSozialdemokrat diese Berichtigung ohne gerichtlichen Zwang nichtveröffentlichen wird, verschiebe ich die Absendung des Briefes

bis zum Einlangen Ihres Berichtes darüber, ob Sie die Form derPressberichtigung und deren Inhalt für unanfechtbar halten.

Ich bin durch das Urteil im Pressprozesseetwas kopfscheu geworden und möchte Herrn K. nicht gerne den Unan-nehmlichkeiten eines neuen erfolglosen Prozesses und den Folgenaussetzen, die im Falle eines Unterliegens durch die Gelegenheitzu neuerlicher schamloser Berichterstattung eintreten dürften.Deswegen bitte ich Sie, auch diese Berichtigungsangelegenheit mitHerrn K. zu besprechen und mir dann Ihre Ansicht mitzuteilen.

Dem Wunsche des Herrn K. entsprechend, habe ichden Anwalt des „Prager Tagblatt“, Herrn Dr. Spitz, angerufen und ihngefragt, ob er die Gegenberichtigung des Dr. Schwelb gelesen undvielleicht auf ihre formale Richtigkeit geprüft hat. Der genannteHerr, mit dem ich befreundet bin und der mit der Gesellschaft vomPrager Tagblatt“ ausserberuflich nichts zu tun hat / er ist beimAnwalt des Tagblatt angestellt und tritt, wiewohl er offiziell alsAdvokat eingetragen ist, nur als sein Substitut auf / teilte mir mit,er habe diese Gegenberichtigung zwar gelesen, seine Kanzlei sei überdas Einlangen dieser Berichtigung nicht informiert und auch nichtbeauftragt worden, sich darüber zu äussern, ob sie veröffentlichtwerden müsse. Ich sagte ihm, dass von uns eine neuerliche Berichti-gung verlangt werden wird und dass die Absicht besteht, insbesonderebei Verweigerung deren Veröffentlichung, das Tagblatt selbst wegender in der Berichtigung des Dr. Schwelb enthaltenen beleidigendenBehauptungen zu klagen, ferner dass ich den Eindruck habe, dass essich hier um ein Komplott handelt, indem sich das Tagblatt offenbar zuder verspäteten Veröffentlichung der von mir verlangten Berichti-

gung zu dem Zwecke entschlossen habe, um Dr. Schwelb die Möglich-keit zu einer Gegenberichtigung zu bieten, in welcher ebensowie in seinem Prozessberichte der wahre Sachverhalt entstelltwird und dem Leser eingeredet werden soll, Dr. Strauss sei nachDurchführung der Beweise und auf Grund eines erbrachten Wahrheits-beweises freigesprochen worden. Herr Dr. Spitz bemerkte, dass erüber die Hintergründe dieser ganzen Angelegenheit nicht informiertsei, weil er immer nur mit dem verantwortlichen Redakteur telefo-nisch spreche und sich auf die rein juristische Beratung beschränkeer glaube aber, dass meine Ansicht nicht zutrifft, weil ihm Dr. Klepe-tář bei der Unterredung über unsere Berichtigung gesagt habe, eswerde darüber erwogen, ob man die Berichtigung trotz den festgestell-ten evidenten Formmängeln nicht doch bringen sollte und zwar ausRücksicht für die Person und das Ansehen des Einsenders.

Ich habe auch Herrn Chefredakteur Laurin angerufenund den Empfang des Exemplars der Prager Presse mit Dank bestätigt.Bei der Gelegenheit habe ich ihn gefragt, ob auch sein Blatt vonDr. Schwelb eine Gegenberichtigung erhalten habe. Er antwortete, dassdies bisher nicht geschehen ist und bemerkte, dass sich die PragerPresse allerdings bei Dr. Schwelb um die Einsendung einer solchenBerichtigung nicht bewerben werde. Auf meine Bemerkung, dass dasganze Verhalten des „Sozialdemokrat“ unerhört ist und einen Miss-brauch der formellen gesetzlichen Vorschriften darstellt, erwiderteer nichts und war auch sonst zu keiner Meinungsäusserung zu brin-gen, ausser zu der, dass er zur Veröffentlichung der Berichtigunggerne bereit war.

Ich bitte Sie, sehr geehrter Herr Doktor, mir inallen diesen Angelegenheiten nach Rücksprache mit Herrn K., dessen

Weisungen bekanntzugeben. Sie werden wohl einsehen und Herr K. wird es entschuldigen, wenn daß die eingesendeten Uebersetzungen unddieser Brief infolge des notwendigen beschleunigten Arbeitstem-pos Mängel aufweisen.

Ich bitte Sie noch, Herrn K. von mir bestenszu grüssen und bin mit herzlichen Grüssen an Sie und mit dem Aus-drucke der vorzüglichsten Hochachtung

ergebener:Dr. Turnovsky

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KrausSozialdemokrat6. MAI 1936