193.125 Brief Verlag Die Fackel an Der Kampf (Schriftleitung Otto Bauer)

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Sender

VERLAG „DIE FACKEL“
Hintere Zollamtsstraße
III., Landstraße
Datum: 13. Mai 1936

Empfänger

An: die Schriftleitung des „Kampf“, | Herrn Otto Bauer
Lützowova 37
Prag II
Seite von 2

Ein Brünner Leser sendet uns Ihre auch sonst spannendeAprilnummer zu, in der ein Herr Peter Robertsaus dem geistigenLeben“, also etwas weit hergeholt, zu erzählen weiß:

… Die deutschen Schriftsteller, die im Lande geblie-ben sind, erklären sich als Herdenvieh und lassen sich in dieSchrifttumkammer einregimentieren, die österreichischen Schrift-steller paradieren als Individualisten, die freiwillig, ganz frei-willig, ihrem faschistischen Regime die Möglichkeit geben, seinKulturgeschwefel hervorzukehren. In Deutschland sind die Satyrikerwenigstens verschwunden und von keinem hat man gelesen, daß er anden Opfern des Faschismus seinen Witz übte. In Österreich läuftein satyrischer Kerl herum, der, seit jeher und von seiner andau-ernden Puerilität an, ein berufsmäßiger Denunziant, nun auch inseiner Senilität Menschen, die sich für eine Idee aufopfern, derGrenzpolizei denunziert …

Der Einsender macht zu dieser Stelle – welche vor allemdurch die Schreibart „Satyriker“ interessant ist, wie durch dieMeinung, daß eine andauernde Puerilität in Senilität übergehenkönne – die Randbemerkung: „Damit meint der Kerl zweifellos KarlKraus. Wie ich höre, ist Peter Roberts der Deckname für einenPrager deutsch-jüdischen Universitätsprofessor“.

In dem Bewußtsein, welche Sätze der ‚Fackel‘ von dembösartigen Hohlkopf mißdeutet wurden, und daß diese in Wahrheiteine Anspielung darauf bilden, daß Sie selbst sich nicht so sehrfür eine Idee, sondern eingestandenermaßen dem Bekessy aufgeopferthaben, werden Sie wohl bereit sein, die Behauptung des Verfassers zu widerrufen oder uns seinen Namen bekanntzugeben, da wir über-zeugt sind, daß kein Prager Schmock Peter Roberts heißt. Ihrenverantwortlichen Redakteur, der in Teplitz-Schönau die pflichtge-mäße Obsorge zu vernachlässigen hat, werden wir nicht belangen.Wir nehmen an, daß ein revolutionärer, wenngleich etwas analpha-

betischer Autor den Mut haben wird, die Behauptung zu vertreten,daß Herr Karl Kraus, dem Sie in Ihrem Buche „Die österreichischeRevolution“ gehuldigt und als „Dem Dichter der ‚Letzten Tage derMenschheit“ ein Exemplar handschriftlich gewidmet haben, mit derGrenzpolizei in Verbindung stehe. Sollte aber Herr Peter Roberts,wie einst Schober, dem sich Ihre Partei unterworfen hat, nicht ge-willt sein, persönlich hervorzutreten, oder seine Auffassung derMission eines Satyrikers von Ihnen nicht widerrufen werden, sogestatten wir uns, ihn einen Lumpen und Sie einen Taktiker zunennen.

Mit vorzüglicher Hochachtung