193.124 Brief Samek an RA Johann Turnovsky

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Reindorfgasse
XIV., Penzing
Datum: 17. Mai 1936
Betreff: Kraus – Sozialdemokrat
Diktiersigle: Dr.Sa/Ma.

Empfänger

An: Herrn | Dr. Johann Turnovsky, | Advokat
Vodickova 33
Prag II.
Seite von 3

Sehr geehrter Herr Kollege!

Erst heute bin ich in der Lage, Ihren Briefvom 13. Mai 1936, der zum grössten Teil die oben verzeich-nete Angelegenheit betrifft, zu beantworten. Was vor allemdas Berichtigungsschreiben an den Sozialdemokrat betrifft,so war ich der Ansicht, dass es längst abgesendet wurde,da ich meinte, Sie warteten nur auf meine Aeusserung übermeine Auffassung bezüglich der Möglichkeit, eine einmaligeeingesendete Berichtigung zurückzuziehen, zu der ich michdeshalb nicht weiter geäussert habe, weil mir zwar dieAuslegung der tschechischen Gerichte in Bezug auf die inBetracht kommenden Paragraphen nicht stichhaltig erscheint,aber Sie sich doch offenbar entschlossen haben, gegen diesePraxis anzukämpfen. Ich bitte Sie also, die Berichtigungmit den kleinen Verbesserungen abzusenden.

Was nun die Ehrenbeleidigungsklage gegenDr. Schwelb und die diversen Blätter betrifft, so liegtoffenbar durch ein Missverständnis auf meiner Seite eineVerwirrung vor. Es würde mich wirklich sehr interessieren,

ob Sie den Bericht im Sozialdemokrat für klagbar halten,von dem Herr K. der Meinung ist, dass die Anklage nur gegenden verantwortlichen Redakteur einzubringen möglich ist,da Herr Dr. Schwelb wahrscheinlich nicht einen anderenBericht an den Sozialdemokrat erstattet haben dürfte als andas offizielle Pressebüro und die weiteren Ausführungen eineRedaktionsmache darstellen. Gegen Dr. Schwelb könnte mannach der Meinung des Herrn K. nur dann vorgehen, dieserMeinung schliesse ich mich vollständig an, wenn Sie derAnsicht sind, dass auch der offizielle Bericht des Pressebürosanklagbar wäre. Weiters wäre die Frage zu untersuchen, obdie Berichtigung des Herrn Dr. Schwelb im Prager Tagblatt zum Gegenstand einer Anklage gemacht werden kann. Dies er-scheint mir am ehesten wahrscheinlich, da sämtliche Beleidi-gungen wiederholt sind.

Was die Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteilbetrifft, so lassen die von Ihnen mitgeteilten Tatsachenhoffen, dass es den diversen Bemühungen gelingen wird, denObersten Gerichtshof zu einer anderen Auslegung des § 18 desEhrenschutzgesetzes zu bringen. Es ist allerdings zu befürch-ten, dass wenn er in irgend einer der beiden anderen Angelegen-heiten, die jetzt bei ihm anhängig sind, eine ungünstigeEntscheidung fällt, nicht so leicht von ihr abgehen wird unddiese Entscheidung für die anderen Fälle von präjudiziellerBedeutung sein wird. Ich gebe Ihnen nun zu bedenken, ob esmöglich ist, die durch die Gegenausführungen des HerrDr. Schwelb eingetretene Verzögerung vielleicht dadurchwettzumachen, dass man dem Obersten Gerichtshof etwa auf dem

Wege über Herrn Dr. Gallia mitteilen lässt, es werde inden nächsten Tagen ein weiterer gleichartiger Fall einlangen.Hoffentlich hält er dadurch mit der Entscheidung inne undwartet das Einlangen des Aktes ab. Unterdessen dürfte dannauch der geplante Artikel erschienen sein. Die Anwaltszeitungerscheint zweimal im Monat; die Nummer von Mitte Mai habe ichnoch nicht erhalten, ich glaube aber nicht, dass bei derKürze der Zeit nach dem Einlangen des Artikels der Druckschon vorgenommen wurde und es ist wahrscheinlich, dass derArtikel erst in der nächsten Nummer erscheinen wird. Sofortnach dem Einlangen werde ich Ihnen die gewünschten zweiExemplare einsenden.

Die von Herrn K. an Herrn Otto Bauer gerichteteZuschrift dürfte Sie interessieren und ich sende Sie Ihnendaher ein.

Herrn K. habe ich den Termin der Berufungsverhand-lung (27. Mai 1936) bekanntgegeben.

Indem ich Sie bestens grüsse und auch die herzlich-sten Grüsse des Herrn K. übermittle, zeichne ich

mit vorzüglicher kollegialer Hochachtung

Ihr ergebener

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