193.181 Brief Samek an RA Johann Turnovsky

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Reindorfgasse
XIV., Penzing
Datum: 26. August 1937
Betreff: Kraus – Sozialdemokrat
Diktiersigle: Dr.S/Fa

Empfänger

An: Herrn | Dr. Johann Turnovsky, | Advokat
Vodickova 33
Prag II.
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege!

Gestern bin ich von meinem Urlaube zurück-gekehrt und habe heute sofort den Akt ‚Sozialdemokrat‘ durchge-sehen, um Ihnen Vorschläge wegen einer vom ‚Sozialdemokrat‘ ab-zugebenden Erklärung zu machen. Zu meinem größten Bedauern findeich in meinem Akt nicht den Entwurf oder einen Durchschlag dervon Ihnen eingereichten Klage gegen Dr. Schwelb und Dr. Strauß, sodaß ich nur auf den Prozeßbericht vom 16. April 1936 selbst an-gewiesen bin. Was aus der von Ihrem Substituten genehmigten Er-klärung vor allem zu verschwinden hat, ist der neuerlich dadurchbestätigte Anschein, es würden alle Behauptungen aufrecht erhal-ten und nur die Beleidigungsabsichten geleugnet oder widerrufen.Solange die Behauptungen bestehen, kann ein solcher Widerrufnicht ernst genommen werden und ist daher unannehmbar. Sie wer-den sich erinnern können, daß wir den Prozeßbericht vom 16. April1936 deshalb unter Anklage gestellt haben, weil er den Anscheinerweckte, es sei der verantwortliche Redakteur des ‚Sozialdemokrat auf Grund eines durchgeführten Beweisverfahrens und nach Erbrin-gung des Wahrheitsbeweises freigesprochen worden. Das Gegenteilmüßte aus der Erklärung des ‚Sozialdemokrat‘ hervorgehen. Ichstelle also mir die vom ‚Sozialdemokrat‘ abzugebende Erklärungfolgendermassen vor:

„Zu dem in der Zeitschrift SOZIALDEMOKRAT vom 16.IV.1936 veröffentlichten Artikel ‚Karl Kraus verliert einen Prozeß ‘,erklären wir, daß der Freispruch des verantwortlichen Re-dakteurs unserer Zeitung, Dr. Emil Strauß, nicht auf Grunddes durchgeführten Wahrheitsbeweises erfolgt ist. Wir bedauern,daß unser Artikel den Anschein erweckte, es sei dies der Fall

gewesen und erklären, daß wir nicht die Absicht hatten,durch den Inhalt dieses Artikels die beleidigenden Be-hauptungen aufrecht zu erhalten und die Ehre des Privatan-klägers, des Herrn Karl Kraus, anzugreifen.“

Ich bitte Sie, mir mitzuteilen, ob es Ihnengelungen ist, Herrn Dr. Schwelb respektive Herrn Dr. Strauß zurAbgabe dieser Erklärung zu bringen.

Mit besten Grüßen und vorzüglicher kollegialerHochachtungIhr ergebener

KrausSozialdemokrat26.8.37