193.182 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag
Datum: 27.VIII.1937

Empfänger

An: P.T. | Herrn Dr. Oskar Samek, | Rechtsanwalt
Reindorfgasse 18
Wien – XIV
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Doktor.

Ich bestätige dankend den EmpfangIhrer gesch. Zuschrift vom 26. d.M. in Angelegenheit KrausSOZIALDEMOKRAT / Dr. Emil Strauss /.

Den von meinem Substituten bedingtabgeschlossenen Vergleich habe ich fristgemäss widerrufen.Es wird nunmehr eine neue Hauptverhandlung angeordnet werden,bei welcher über den Vergleich nochmals wird verhandelt werdenkönnen. Mit Rücksicht auf das sehr gespannte Verhältnis zwi-schen mir und Dr. Schwelb möchte ich mit ihm vorher nicht gerneüber einen neuen Vergleich verhandeln, sondern dies erst vorGericht tun.

Die von Ihnen vorgeschlagene Satisfak-tionserklärung wird jedoch sicherlich nicht zu erzielen sein.Bevor seinerzeit die Klage überreicht wurde, habe ich mitHerrn Kraus über ihre Fassung wiederholt gesprochen und auchSie, sehr geehrter Herr Doktor, haben über die Fassung derKlage mit Herrn Kraus konferiert und mit mir korrespondiert.Wir sind damals davon abgekommen, Dr. Schwelb und Dr. Strauss deswegen zu belangen, weil der Prozessbericht so gefasst war,dass der Leser den Eindruck gewinnen musste, Dr. Strauss seiauf Grund des durchgeführten Wahrheitsbeweises freigesprochenworden. Herr Kraus hat erkannt, dass der Wortlaut des inkrimi-

nierten Artikels in diesem Punkte kaum zur Verurteilung desverantwortlichen Redakteurs Anlass bieten könnte, denn eskann nicht geleugnet werden, dass Dr. Strauss für die Behaup-tungen des inkriminierten Artikels den Wahrheitsbeweis ange-boten oder, wenn man will, angetreten hat. Auch die Anträgeauf Durchführung des Wahrheitsbeweises sind bei der Hauptver-handlung, bei welcher der Freispruch erfolgte, formell wieder-holt worden, d.h. das Gericht hat protokolliert, dass beideParteien ihre bereits gestellten Anträge wiederholen.

Deshalb hat Herr Kraus davon abgesehen,die Behauptung, resp. die Darstellung des Freispruches aufGrund des Wahrheitsbeweises unter Anklage zu stellen und derSchwerpunkt der Klage war darauf gerichtet, die wiederholteBehauptung, K.K. habe in der im Juli 1934 erschienenen FACKEL gegen das österreichische Proletariat und seine heldenhaftenSchutzbündler Stellung genommen, unter Anklage zu stellen.

Ich habe den von Ihnen verfassten Zu-satz zu meinem Entwurfe der Anklage in den Akten und sendeihn deswegen an Sie ein, weil Sie aus diesem Zusatze, insbe-sondere aus dem Absatze II. ersehen, dass die Klage vorwiegenddarauf gerichtet ist, die Behauptung, der Privatkläger habegegen das österreichische Proletariat und gegen seine Schutz-bündler Stellung genommen, als beleidigend unter Anklage zustellen.

Deshalb wird ein Widerruf sicherlichnur insoferne zu erzielen sein, als er sich auf diese Behaup-tung bezieht. Der Widerruf der Nachricht über den Freispruchdes Dr. Strauss auf Grund des erbrachten Wahrheitsbeweises ist

nicht zu erzielen und ich möchte lieber diesen Widerruf gar-nicht verlangen, um mir kein Refus zu holen.

Wollen Sie mir bitte mitteilen, ob Ihnenfolgende Fassung einer Erklärung annehmbar erscheint:

„Zu dem in der Zeitschrift SOZIALDEMOKRAT vom 16.4.1936 veröffentlichten Artikel ‚Karl Kraus verliert einen Prozesserklären wir, dass wir nicht die Absicht hatten, die belei-digende Behauptung zu wiederholen, Karl Kraus habe in der im Juli 1934erschienenen „FACKEL“ gegen das österreichische Proletariatund seine heldenhaften Schutzbündler Stellung genommen,Auch war es nicht unsere Absicht, die Ehre des Privatanklägers,des Herrn Karl Kraus, anzugreifen.

Die Redaktionder Tageszeitung SOZIALDEMOKRAT.“

Ich zeichne mit den besten Grüssen und

in vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebener:Dr. Turnovsky

1 Beilage, um deren Retournierunggebeten wird.

KrausSozialdemokrat 28. AUG. 1937