193.183 Brief Samek an RA Johann Turnovsky

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Reindorfgasse
XIV., Penzing
Datum: 30. August 1937
Betreff: Kraus – Sozialdemokrat
Diktiersigle: Dr.S/Fa

Empfänger

An: Herrn | Dr. Johann Turnovsky, | Advocat
Vodickova 33
Prag II.
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege!

Mit dem besten Dank bestätige ich denEmpfang Ihres freundlichen Schreibens vom 27. August 1937. Ichstimme Ihrem Bedenken, daß es nicht gelingen werde HerrnDr. Schwelb respektive Herrn Dr. Strauß zur Abgabe der von mirvorgeschlagenen Erklärung zu veranlassen, vollständig bei, und binjetzt in der schwierigsten Situation, zu entscheiden, ob man eslieber auf einen Freispruch ankommen lassen oder die von Ihnenvorgeschlagene Erklärung annehmen soll. Die Schwierigkeit derEntscheidung besteht darin, daß uns unter Umständen vorgeworfenwerden könnte, eine Erklärung angenommen zu haben, die keinevollständige Genugtuung für Herrn K. bedeutet, von den Gegnernaber sicherlich im Falle meiner Veröffentlichung der ganzenSachverhalte ausgenutzt würde. Wenn ich die niederträchtigeHaltung der Sozialdemokratie einmal darzustellen haben werde,wird von der Gegenseite auf die Tatsache hingewiesen werden,daß ich eben dann eine solche Erklärung nicht annehmen hättedürfen. Die Klage enthält übrigens auch zum Nachweis der Be-leidigungsabsicht einen Hinweis auf das Bestreben des Bericht-erstatters, den Anschein zu erwecken, es sei nach einem durch-geführten Wahrheitsbeweis ein „vollinhaltlicher“ Freispruch desverantwortlichen Redakteurs erfolgt, während in Wirklichkeitder Angeklagte aus dem Wahrheitsbeweis, den er durch zwei Jahrezu führen versprach und groß ankündigte, geflohen ist und esvorzog, die Hilfe des rein formalen § 18 des Ehrenschutzgesetzes in Anspruch zu nehmen. Auch ist die beleidigende Behauptung,Karl Kraus habe in der im Juli 1934 erschienenen Fackel gegen

das österreichische Proletariat und seine heldenhaften Schutz-bündler Stellung genommen, keine Wiederholung einer früherenBehauptung sondern eine neu aufgestellte.

Vielleicht könnte man die Gegenseite dazuveranlassen, doch zu erklären, daß der Freispruch nicht auf Grunddes durchgeführten Wahrheitsbeweises erfolgt ist, ohne daß siebedauern müßte, einen solchen Anschein erweckt zu haben.

Ich würde also die folgende Erklärung vor-schlagen:

„Zu dem in der Zeitschrift ‚Sozialdemokrat‘vom 16.IV.1936 veröffentlichten Artikel ‚Karl Kraus verlierteinen Prozeß‘ erklären wir, daß der Freispruch des verant-wortlichen Redakteurs unserer Zeitung nicht auf Grund einesdurchgeführten Wahrheitsbeweises erfolgt ist, ferner daßwir nicht behaupten können, Karl Kraus habe in der im Juli1934 erschienenen Fackel gegen das österreichische Proletariatund seine heldenhaften Schutzbündler Stellung genommen. Eslag nicht in unserer Absicht, die Ehre des Privatanklägers,des Herrn Karl Kraus, anzugreifen.“

Da ich mich bei der Entscheidung also sehrunsicher fühle, übertrage ich sie Ihnen und bitte Sie also, zubedenken, ob es nicht zweckmäßiger ist, es auf den Freispruchankommen zu lassen und, wie Sie selbst sagen, die geringfügigenKosten zu bezahlen, als eine ungenügende Ehrenerklärung anzu-nehmen.

Mit den besten Grüßen und vorzüglicherkollegialer Hochachtung bin ich

Ihr ergebener

1 Beilage retour.

KrausSozialdemokrat30.8.37