196.93 Brief Samek an RA Johann Turnovsky

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Reindorfgasse
XV., Rudolfsheim-Fünfhaus
Datum: 8. Mai 1936
Betreff: Kraus – Arbeiter-|zeitung
Diktiersigle: Dr.Sa/Ma.

Empfänger

An: Herrn | Dr. Johann Turnovsky, | Advokat
Vodickova 33
Prag II
Seite von 3

Sehr geehrter Herr Kollege!

In dem in Brünn geführten Prozess gegendie Arbeiterzeitung legt Herr Dr. Gallia und auch derRichter Wert darauf, die Haltung des Herrn K. gegen-über den dort zur Sprache gebrachten Fragen durcheinen Zeugenbeweis erhärtet zu bekommen. Unter denPersonen, die für einen solchen in Betracht kämen,wäre ein Herr Dr.med.phil. und jur. RichardLiska, Prag XII., Fochova 2, zu nennen, der einemeritierter Konsul des tschechoslowakischen Staates,seit jeher ein fanatischer Anhänger des Herrn K. und über sein ganzes Werk orientiert ist. Herr K. hat bei seinem letzten Aufenthalt in Prag diesenMann zufälligerweise getroffen, der wieder seinegrosse Anhänglichkeit und sein Verständnis für dasWerk bekundet hat. Objektiv genommen wäre alsodieser Zeuge in dem beabsichtigten Sinn gut verwend-bar. Es ist aber zu befürchten, dass er vielleichtin der Tschechoslowakei in politischer Hinsicht inMisskredit sein könnte, welcher Verdacht dadurchauftaucht, dass er seine Konsularstellung aufge-geben oder verloren hat. Man könnte ihn dann nicht

als Zeugen führen, wenn seine Aussage aus persön-lichen Gründen kein Gewicht hätte. Wenn es Ihnen nunmöglich ist, über ihn näheres zu erforschen, sowäre ich Ihnen dankbar dafür, und würde unter Umstän-den vor einem Missgriff bewahrt werden.

Indem ich Ihnen im voraus bestens dankeund Sie herzlichst grüsse und auch die Grüsse desHerrn K. übermittle, bin ich mit vorzüglicherkollegialer Hochachtung

Ihr ergebener

N.S. Wien, am 11. Mai 1936.

Sehr geehrter Herr Kollege!

Falls Sie die Erklärung an das ‚Prager Tag-blatt‘ einsenden wollen, würde ich ungefähr den beiliegendenBegleitbrief empfehlen.

Herr Kraus lässt Sie auch fragen, ob Siesich über die Ehrenbeleidigungsklage gegen den ‚Sozialdemokratwegen der berichtigten Stelle betreffend die „Haltung zuden Arbeitern“ schlüssig geworden sind, und ob man nichtHerrn Dr. Schwelb als Berichterstatter verklagen könnte?Wenn es nicht zu kostspielig wäre, würde es doch einSchauspiel sondergleichen sein Herrn Dr. Schwelb leugnenzu lassen, dass er den Bericht verfasst hat. Vielleichtkönnte man alle Redakteure als Zeugen führen. Nach IhremPlan gegen Herrn Dr. Brügel zu schliessen, scheint in derTschechoslowakei der Zeugniszwang für Redakteure vorhandenzu sein.

Mit herzlichen Grüssen

Ihr ergebener

KrausArbeiterzeitung /11.5.1936