196.92 Brief RA Felix Gallia an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Dr. FELIX GALLIA
MASARYKSTRASSE 25/27
BRÜNN
Datum: 7. Mai 1936
Betreff: Kraus – Arbeiterzeitung.
Diktiersigle: Dr.G/b

Empfänger

An: Wohlgeboren Herrn | Dr. Oskar Samek, | Rechtsanwalt
Reindorfgasse 18
Wien XIV.
Datum: 8. MAI 1936
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege.

Ich erhielt Ihr gesch. Schreiben vom 2. Mai l.J. Hoffentlich liegt ein Erinnerungsfehler des Herrn K. nicht vor, da sonst seine Zeugenaussage doch an Wert verlierenwürde. Zumindest müssen wir, falls das Kriegsfackelheft,dessen Vorlage Herr Kraus angeboten hat, den behaupteten Inhaltnicht haben sollte, an dessen Stelle andere Urkunden, vielleichtirgend welche Aufzeichnungen oder Manuskripte oder Belege übervon Herrn Kraus im Kriege gemachte mündliche Aeusserungen vor-legen.

Ich habe in dem Hauptprozess inzwischen veranlasst,dass der Akt zur Einvernahme Herrn Fischers nach Prag geht. HerrKraus dürfte ja diesen Zeugen über seine bevorstehende Einver-nahme bereits informiert haben.

Bei der gestrigen Hauptverhandlung in der neuenEhrenbeleidigungssache haben die Angeklagten die Unzuständigkeitdes Bezirksgerichtes geltend gemacht mit der Begründung, esschwebe zwischen den gleichen Parteien ein Strafverfahren beimKreisgericht und es seien die inkriminierten Behauptungen ineinem vorbereitenden Schriftsatz gemacht worden, der von ihnenin dem Kreisgerichtsprozess eingebracht worden sei.

In der Sache selbst hat der Verteidiger eine

14tägige Frist zur Durchführung des Wahrheitsbeweises resp. desErweises entschuldbaren Irrtums verlangt.

Ich selbst habe unter Berufung auf den § 56 der Str.P.O. gleichfalls die Abtretung des Aktes an das Kreisgericht beantragt.

Der Richter hat den Beschuldigten die von ihnen erbetene14tägige Frist bewilligt. Inzwischen wird er den Kreisgerichts-akt abverlangen und nach dessen Herbeischaffung über den Antragauf Abtretung entscheiden.

Wie ich aus Aeusserungen des Verteidigers vor der Verhand-lung entnommen habe, scheinen die Angeklagten den Beweis darüberantreten zu wollen, dass ein Unterschied zwischen den sogenanntenösterr. und čsl. Fackelheften bestehe, darin nämlich, dass der Preis-aufdruck auf diesen Heften verschieden sei. Es ist klar, dass dieAntretung dieses Beweises ein Rückzugsmanöver der Angeklagtenist.

Wie das inkriminierte Vorbringen des gegnerischen Schrift-satzes wirklich gemeint war, ist ja ganz klar. Wahrscheinlichwerden die Angeklagten auch versuchen, die Schuld auf den Ver-teidiger zu schieben.

Wir können also mit der üblichen Taktik der Gegenseite rechnen.

Ich verbleibe mit den besten Grüssen an Sie und HerrnKraus

Ihr ganz ergebenerDr. Gallia

KrausArbeiter Ztg. 8. MAI 1936