196.94 Brief Samek an RA Felix Gallia

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Reindorfgasse
XV., Rudolfsheim-Fünfhaus
Datum: 12. Mai 1936
Betreff: Kraus – Arbeiter-Zeitung
Diktiersigle: Dr.S/Fa.

Empfänger

An: Herrn | Dr. Felix Gallia, Advokat
Masarykstrasse 25/27
Brünn
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege!

Ich habe Ihnen durch den Verlag ‚Die Fackelje ein Exemplar der Nr. 426–430 und 454–456 (das sind die beidenNummern, die Herr K. zur Einvernahme nach Brünn mitgebracht hatte)und zwei Exemplare der Nr. 484–498 zuschicken lassen. Auf derSeite 213 dieses Heftes befindet sich die Glosse „Verstaatlichung“,die Herr K. im Auge hatte, als er sagte, dass er schon im Kriegfür den Anspruch der tschechischen Nation auf Selbständigkeiteingetreten sei. Weitere Stellen haben wir leider nicht ge-funden. Ich glaube aber, dass diese Stelle in ihrer kurzenDeutlichkeit genügen wird.

Als Zeugen über das Werk des Herrn K. wärenam besten Herr Heinrich Fischer und Herr Professor IngenieurDr. Karl Jaray, Architekt in Wien XIX., Langackergasse 22 zu führen.Herr Professor Jaray ist bereit, zur Hauptverhandlung nach Brünn zu kommen. Ich weiss nicht, ob es möglich ist, dass Sie einenEinfluss darauf nehmen, welche Fragen an Herrn Fischer beiseiner Einvernahme in Prag gestellt werden. Wenn diese Möglich-keit besteht, würde ich die folgenden Fragen vorschlagen:

1.) Was ist Herrn Heinrich Fischer bekannt über den Verkehr desHerrn Kraus in Berlin in kommunistischen Kreisen insbesondereim Jahre 1925?

2.) Was ist Herrn Fischer über eine Rede des Herrn Sonnenschein-Sonka bezüglich des Abwehrkampfes des österreichischen Regimes

Dollfuss und Schuschnigg bekannt?

3.) Was kann Herr Heinrich Fischer als langjähriger Leser derFackel über den angeblichen Gesinnungswechsel des Herrn Kraus und insbesondere über etwaige unlautere Motive aussagen?

4.) Welches ist der Inhalt der Stelle aus der Nr. 912–915, Seite61, zitiert auf Seite 39 des Schriftsatzes und bezieht siesich überhaupt auf die tschechoslowakische Republik?

Herr Professor Jaray wäre über die Punkte3 und 4 zu befragen.

Ein weiterer Zeuge ist noch vorgesehen,doch haben wir, bevor wir Ihnen dessen Anschrift bekanntgeben,noch Erkundigungen über ihn eingezogen.

In der Anlage übersende ich Ihnen fernerdie beiden gewünschten Seitz-Briefe im Original.

Vielleicht ist es auch von Bedeutung, wennSie zur Begegnung des Vorwurfes der Profitmacherei die Summenwissen, die Herr K. auf den Verlag ‚Die Fackel‘ in den letztenJahren daraufgezahlt hat, aus denen wohl zur Genüge hervorgeht,dass es sich ihm bei der Aufrechterhaltung dieser Zeitschrift ledig-lich um geistige und kulturelle Ziele handelt.

Die Verluste betragen: im Jahre 1930 … S 15.509.49im Jahre 1931 … S 10.309.76im Jahre 1932 … S 12.679.29im Jahre 1933 … S 12.891.84im Jahre 1934 … S 15.391.75im Jahre 1935 … S 16.994.76.

Indem ich Sie herzlichst begrüsse und auchdie besten Grüsse des Herrn K. übermittle, zeichne ich mitvorzüglicher kollegialer Hochachtung

als Ihr ergebener

2 Beilagen.

N.S. Herr Heinrich Fischer ist auch der Verfassereiner Broschüre „Karl Kraus und die Jugend“, die ichIhnen einsenden lasse. Es bleibt Ihnen überlassen, ob man dieseBroschüre dem Gericht vorlegen soll und wenn, ob Herr Fischer selbstsie bei der Zeugenaussage vorzulegen hat oder ob Sie das tun wollen.