196.102 Brief RA Felix Gallia an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Dr. FELIX GALLIA
MASARYKSTRASSE 25/27
BRÜNN
Datum: 30. Mai 1936
Betreff: Kraus – Arbeiterzeitung.
Diktiersigle: DrG/K

Empfänger

An: Wohlgeboren Herrn | Dr. Oskar Samek, | Rechtsanwalt
Reindorfgasse 18
Wien XIV.
Datum: 2. JUNI 1936
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Doktor.

Ich danke für Ihr geschätztesSchreiben vom 26. d.M. samt Beilagen.

Vorläufig habe ich einen Auftragdes Gerichtes zur Vorlage der Uebersetzung des Schriftsatzes nicht bekommen. Ich glaube, dass die Gegenseite einen dahinzielenden Antrag auch noch nicht überreicht hat. Leider mussich fürchten, dass es kaum einen Weg geben dürfte, die Sprachen-vorschrift zu umgehen, obwohl natürlich alle an der Sache Be-teiligten ganz genau wissen, dass es sich um ein rein schika-nöses Verlangen Sonkas handelt.

Für die Angabe des weiteren ZeugenHerrn Dr. Liska danke ich bestens. Glauben Sie, dass Herr Dr. Lis-ka durch den Prager Untersuchungsrichter vernommen werden solloder ob es besser wäre ihn ebenso wie Herrn Prof. Jaray zurHauptverhandlung nach Brünn laden zu lassen? Die Entscheidungüber diese Frage hängt davon ab, ob Herr Dr. Liska genügendsattelfest und schlagfertig ist, um dem Kreuzverhör, das in derHauptverhandlung zu erwarten ist, Stand zu halten. Sollten Sieoder Herr Dr. Liska es vorziehen, dass er seine Aussage lieberin der ruhigeren Atmosphäre des Untersuchungsrichters ablegt,wäre er in Prag im Wege der Requisition zu hören.

Von der Ladung Herrn Dr. Werners möchte ich ausden Herrn Kraus schon mündlich dargelegten Gründen unbedingt Abstand nehmen, da ich es unter allen Umständen vermeiden willHerrn Dr. Werner in eine für ihn ganz besonders unangenehmeLage zu bringen, nämlich die, dass er als altes organisiertesMitglied der sozialdemokratischen Partei gezwungen wird, ineinem Prozess gegen diese Partei auszusagen.

Ich werde jedenfalls mit Herrn Dr. Werner nocheinmal über seine allfällige Einvernahme sprechen. Vielleichtist er bereit sich einvernehmen zu lassen, wenn sich das Be-weisthema auf die in Ihrem Brief vom 26. d.M. erwähnten Angabenbeschränkt.

Eine unangenehme Veränderung hat sich in derZusammensetzung des Senats ergeben. Herr Dr. Winter ist dieserTage zum Vorsitzenden eines neu gebildeten Spruchsenats er-nannt worden. An seine Stelle tritt vorläufig ein junger če-chischer Richter, Dr. Hubáček, der allerdings das Referat nichtlange behalten dürfte. Herr Dr. Winter hat mir, als er mir Mit-teilung von seiner Versetzung machte, zugesagt, unseren Prozessim Auge zu behalten und seinen Nachfolger entsprechend zu in-formieren.

Ich begrüsse Sie, sehr geehrter Herr Doktor,aufs Herzlichste, bitte Sie, mich auch Herrn Kraus bestens zuempfehlen und verbleibe

Ihr ganz ergebenerDr. Gallia

KrausArb.Ztg. 2. JUNI 1936