203.1 Mein Testament

Schreiberhände:

  • Oskar Samek, schwarze Tinte

Materialitätstyp:

  • Manuskript

Materialitätstyp:

  • Kopie
Datum: 27.08.1935 und 28.08.1935, revidiert 19.02.1936 und 20.02.1936
Seite von 5

Kundgemacht! Wien, am 20. Juni 1936, [¿]

Mein Testament

welches ich Dr Oskar Samek zu vollstrecken bitte.

Mit der ev. Herausgabe meiner Schriften, Ordnung derBriefschaften, Dokumente etc. betraue ich Professor Dr Jaray (Karl), Heinrich Fischer (Prag), als Hilfskraft Dr PhilippBerger. Niemand aber der Genannten hat das Recht, eine Zeile vonmir – sei es aus Gedruckten, etwa auffindlichen Handschriften oder Briefschaften(von mir oder aus an mich geschriebenen) – zu veröffentlichen. Der Ertrageines etwa herauszugebenden Werkes (oder Werke), das Briefe an michan mich enthält, wird Dr Philipp Berger allein zufallen. Der Ertrag meinersämtlichen (inkl. aller vorhandenen Hefte der Fackel) gehört zu 30%den Herausgebern, zu 20% den Familien Jahoda und Siegel (die die Auslieferung)auszuliefern hat, zu 25% Sidonie Nadherny und zu 25% FrauHelene Kann, der auch Manuscripte und sonstige Dokumente für dasArchiv zu überlassen sind. Dieses selbst nach dem Ableben derVerwahrerin einem von der von ihr zu bestimmenden Zweck oder Faktor (derStadt Wien) zu.

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Nach dem Ableben meinerSchwester Marie Turnowsky wirddas folgende festgesetzt:

Das etwa vorhandene Bargeld gehört meinen andernSchwestern. Von den Geldern, die Dr Samek verwaltet(Sparkasse etc.) auch die noch zu bezahlenden Summen, von denen Dr Samek Kenntnis hat, gehört ein Drittel SidonieNadherny, ein Drittel Frau Helene Kann, je 3000 (dreitausend) Schilling Frau Malvine Weingarten und Frau Luise Drey, 300 Schilling (dreihundert) dem Druckereidiener Jakob. 2000 Schilling (zweitausend) Frau AntonieWallek zum Dank für ihren treuen Dienst,3000 Schilling Fräulein Frieda Wacha, je500 Schilling Emilie und Adele Humburger (derenAdresse meinem Bruder bekannt ist); der Rest Heinrich Fischer.¿ Wenn einer der Beteiligtennicht mehr am Leben, erfolge die entsprechendeAufteilung.

Der gesamte Inhalt der Wohnung gehört denzu je einem Drittel den unten genannten Schwestern,zu einem Drittel Frau Emma Fridezko.Andenken sind bestimmt für Frau Wallek,für jeden meiner Brüder. Das Album von Janovice,die Landschaften von Janovice und die Bilder von Sidonie Nadherny,das silberne Cigarettenetui, die Papierschere mit Goldgriff,der Spazierstock für Sidonie Nadherny. Fastalle andern Photographien (mit Ausnahme der Andenkenfür Frau Helene Kann. Die der Frau Maria Mayr (Paniglgasse 16) mögen nach vorheriger Anfrage ihr übergeben werden(Frau Kann dürfte diese Bilder erkennen), dazu ein Bildvon mir.

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Die Bücher sollen zur Hälfte Dr Oskar Samek gehören,die andere Hälfte ist zwischen[¿] Sidonie Nadherny, Hel. Kann, Dr Philipp Berger, Prof Jaray, Martin Jahoda, Gräfin Mary Dobrzensky, Gräfin Mechtilde Lichnowsky (Cap d’Ail), Frau Nellie Lechner-Kraus (Prag), Miss Mary Cooney (p.a. Nadherny), Dr Fritz Siegel, Fritz Schick, Berlin, Charlotte Joël, Berlin (Adresse Verlag), Rolf Nürnberg,Ludwig v. Ficker, Sigismund von Radecki, Prof Dr Jaray, Charlotte der lieber Joël (Berlin),¿¿¿¿¿¿¿¿¿Frau Johanna König-Jahoda, Richard Lanyi,Heinrich Fischer, Max Bunzl, Dr Johann Turnovsky, Herrn u. Frau v. Chlumecki aufzuteilen.Das Album Annie Kalmar, die Bilder u BüsteAnnie Kalmar sollen Frau Helene Kann gehören, der auch das Archiv sowie das Portraitverbleibt. Für das Grab Annie Kalmars inOhlsdorf bei Hamburg (Anna Kaldwasser)hat Frau Helene Kann zu sorgen, Frau MalvineWeingarten möge die Obhut über das Grabmeiner Schwester Marie Turnowsky und derenMannes übernehmen. Dr Samek möge für das ihm bekannte Grab der armen Frau Christoduloff sorgen, falls es ihr Mann nicht tun sollte. (Beide mögen inihren Testamenten weitere Verfügungen treffen.)

Schreibtisch links unten, mittlereLade: alles auf Annie Kalmar (Briefe, Polster, der seit 1901 in dieser Lade sich befindet) und Familiendinge bezüglichesübernehme Frau Helene Kann.

Schrank im Schlafzimmer, der Teil beim Fenster(zu dem der Schlüssel im Schreibtisch links obenvorfindlich): Briefe von Sidonie Nadherny,Mechtilde Lichnowsky, Mary Dobrzensky ungelesen an diese. Ebenso Briefe, diesich sonst unter den Papieren findenund die gleiche Schrift aufweisen.

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Was auf den ersten Blick(und ohne weiteren in denInhalt) als die Schriftdieser Absenderinnen, etwa auchdurch Poststempel feststellbar istin wohlverschlossenen Paketen an siezurückzustellen (nach freundlicher vorhergehenderAnfrage).

Was rechts im Schreibtisch (mit Ausnahmean sonstigen Briefen, also hauptsächlich Briefe vonFrauen) möge gef. Dr Samek an sichnehmen und nach Gutdünken behandeln.Als Andenken an die oben genannten Personenkommen statt Bücher auch Bilder und insbesondereManuscripte in Betracht. (Auch an Frau Wallek irgendein Gegenstand) Über den Inhalt des Testamentes darf von keinem derBeteiligten gesprochen werden; etwa vorfindliche andere (1917, 1919, ev. 1933) sind damit umgestossen und sollen vernichtet werden.

Nur weil mein Lebenso wenig eine Familienangelegenheitsein sollte, wie es mein Leben – der Arbeit wegen –sein mußte, bitte ich meine Verwandten, meinerBestattung (Beerdigung) fernzubleiben. Daß eseine Privatangelegenheit sei, die auch andere fernhält,kann ich nur wünschen, nicht sichern.

Ich danke allen lieben Freunden, den bekannten undden unbekanntenKarl Kraus

27./28. August 1935

rev. 19./20. Februar 1936

NB. Andenken an Frau und Herrn Dr M. v. Chlumecky, Herrn u Frau Krieneck, Frau Antonie Wallek,Herrn Franz Mittler, Herrn Dr Otto Janowitz, Frl. Modern,Herrn u Frau Dr Schornstein (M. Ostrau) u die beiden andern M. Ostrauer Bekannten.

Mein letzter Wille