17.2 Beweisantrag von Fritz Kaufmann als Machthaber für Ernst Ely

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Abschrift.

An dasStrafbezirksgericht Wien I.Wien II.Schiffamtsgasse

Dr. Fritz Kaufmann als Machthaber für Ernst Ely erstattet inliegenden Beweisantrag:

Mit Urteil vom 24. Juli 1925 wurde mir aufge-tragen, die mir von dem P.A. eingesendete Berichtigung zu veröffentlichen. Diese ist in der No 714 vom 28. Juli1925 erfolgt. Der P.A. behauptet die Nichterfüllung meinerVerpflichtung und begründet dies damit, dass das von unswiedergegebene Bild gegenüber der von ihm eingesendeten,die Berichtigung darstellende Fotographie gewisse Ände-rungen aufweise, die auf Retouchen zurückzuführen seienund überdies in der Grösse mit dem zu berichtigenden Bild nicht vollständig übereinstimmen.

Demgegenüber stelle ich dieser Begründung meinerBehauptung, dass die Verpflichtung dieser Veröffentli-chung der Berichtigung im Sinne des § 24 des Pr.G. tatsächlich erfolgte, nachstendes unter Beweis:

Der § 24 sanktionierte die Erfüllung der Ver-pflichtung, die Berichtigung zu veröffentlichen, alsÜbertretung für den Fall, als der Verpflichtung nichtentsprochen wird. Da die Gesetze nur für Menschen ge-macht sind, so ist die Frage der Erfüllung einer Ver-pflichtung selbstverständlich nur nach dem Gesetz zubeantworten. Das Gesetz, welches die Erfüllung regelt,ist das bürgerliche Gesetzbuch. Das bürgerliche Gesetz-buch erklärt einerseits, dass eine Verpflichtung so er-füllt werden muss, dass der Schuldner das leistet, waser zu leisten schuldig ist. (§ 1412 abGB). Die Grenzendessen, was man zu leisten schuldig ist, sind durch dasmenschliche Können begrenzt. Der Gesetzgeber weiss,dass niemandem zugemutet werden kann, etwas zu erfüllen,was unmöglich ist. Das ist im § 1447 abGB ausgesprochen.Wenn nun die Berichtigung sich auf eine Berichtigung be-zieht, so ist der Redakteur verpflichtet, diese Foto-graphie so zu reproduzieren, wie die zu berichtigendeFotographie reproduziert wurde. (§ 23 Absatz 1 Pressegesetz)Da eine Reproduktion nach den Grenzen der Reproduk-tionstechnik derzeit, – vielleicht wird in 100 Jahrenauch die Reproduktionstechnik weiter fortgeschritten sein,– nicht auf einen Millimeter abgezirkelt werden kann, soist, will man nicht geradezu zu einer Verhöhnung der Ideedes Gesetzes kommen –, der Berichtigung genüge geleistet,wenn die berichtigende Fotographie so reproduziert wird,wie diese nach dem Stande der Technik möglich ist. Nichtmehr und nicht weniger.

Ich stelle unter Beweis durch Sachverständigen aus dem graphischen Fache, dass,1.) a) Die Retouchierung von Fotographien zum Zwecke

der Reproduzierung im Rotationsverfahren notwendigist, weil ein, nach einer unretouchierten Fotographiehergestelltes Klischee ein vollständig undeutlichesund verschwommenes Bild ergibt.b.) Dass dem verantwortlichen Redakteur einer Tages-zeitung eine Überprüfung darüber unmöglich ist, obdie von dem Retoucheur einer Klischieranstalt vor-genommenen Retouchierung auftragsgemäss, das heisstunter möglichster Anlehnung an das Original ausgeführtworden ist, bezw. dass aus dem vor der Drucklegungeinzig vorhandenen Klischee die vollständige Überein-stimmung mit dem Original nicht ersehen werden kann;2.) Es dürfte schon zu meinem vollständigen Freispruchhinreichen, wenn die Sachverständigen auch nur einendieser Punkte a–c beweisen. Denn, wenn durch Sach-verständige festgestellt wird, dass eine mathematischgenaue – (Ausspruch der Porcia: „Ein Kilogramm Fleisch,nicht ein Zehntel Gramm mehr oder weniger …“)– volle Übereinstimmung von Reproduktion und Originalheute bei dem Stande der Reproduktionstechnik unmög-lich ist, so kann diese Unmöglichkeit nicht Grundlageeiner Bestrafung sein. Denn die Strafe wird auf Nichter-füllung einer Verpflichtung gesetzt und die Grenze hie-für ist (ad 1.) dargelegt, die Möglichkeit der Erfül-lung.3.) Das gleiche gilt von der Frage, ob die Reproduk-tion schon dann als vollkommen hinreichende Erfüllungder Berichtigung im Sinne des § 23 angesehen werdenkann, wenn sie auch in der Grösse um 1–2 Millimeter vom Original nach oben oder nach unten abweichen. Selbstdas Gericht konnte ja bei der ersten Verhandlungnicht mit freiem Auge einen Unterschied in den Grössen

Verhältnissen zwischen der ursprünglichen Reproduktion und jener Berichtigung nicht finden. Es bedurfte beider Verhandlung der Anwendung technischer Hilfsmittel,um einen Grössenunterschied, der nur in Millimeternausgedrückt werden konnte, zu finden. Das hat aber dasPressegesetz gewiss nicht unter Strafe stellen wollen.Wenn § 23 des Pressegesetzes von der „gleichen Schriftspricht, so will es verhindern, dass die Mitteilungeiner Tatsache in einer verschiedenen Weise sich von derBerichtigung abhebt, dass der gewöhnliche Leser nichtfindet, dass es sich hier um eine Berichtigung handelt.Die Berichtigung soll eben das gleiche optische Bildbieten, wie jenes Erezugnis der Presse, das von ihr be-richtigt wird. Diesem Zwecke ist Genüge getan, wenn beinormalem Auge ein Unterschied nicht wahrgenommen werdenkann. Messapparate sollen zu diesem Zwecke nicht ange-wendet werden müssen. Es gibt keine Lettern aus ver-schiedenen Setzmaschinen, die nicht in äusserst gering-fügiger Art von einander abweichen. Die einzelnen Setz-maschinen, auch wenn sie die gleiche Type darstellen,haben ihre Lettern. Würde man den Zettel(?) anwenden,so würde man immer kleinere Unterschiede finden und zudem Schlusse gelangen, dass eine Berichtigung immer nurvon der gleichen Setzmaschine gedruckt werden müsste. DerRedakteur müsste deshalb Zeit seines Lebens unter Strafestehen, wenn unglückseligerweise nach dem Druck des Ar-tikels, der später berichtigt wird, die Setzmaschineausser Gebrauch kommt, und eine andere eingestellt werdenmuss.

Was nun für Lettern gilt, muss doch umsomehrfür die Illustrationstechnik gelten. Denn die Technikder Lettern ist ungefähr 500 Jahre alt, jene der Re-

produktion von Bildern durch die Presse wenige Jahr-zehnte.Beweis: Sachverständige aus dem Druck und Zeitungsfache.

Ich schlage als Sachverständigen hiefür denDirektor der Johann Vernay-Druckerei, Karl Horn, IX.Canisiusgasse No 8 vor.4.) Dass der Gesetzgeber nicht die schikanöse Rechts-ausübungen geduldet hat, ist bekannt. Schon der römischeJurist lehrte: „Malitiis non est indulgendum.“ Diemoderne Gesetzübung (§ 226 Deutsches B.G.B. § 1295 Abs.2 abGB) erklärt es für Sittenwidrig, für gegen dieguten Sitten verstossend dass jemand gegen einen Anderenvorgeht, selbst wenn er ein Recht dazu hätte, wenn die-ses Vorgehen offenbar den Zweck hat, den Anderen zuschädigen. In diesem Falle habe ich die Berichtigung ge-bracht. Ich habe sie in einer für das unbewaffnete Augevollkommen gleichen Art wie das Vorbild gedruckt undreproduziert. Ja es ist sogar nochmals reproduziertworden. Aber bei jeder Reproduktion lässt sich, wie ausdem Vorstehenden ersichtlich – eine minimale –, für dasfreie Auge garnicht wahrnehmbare, aber mit Instrumentenhinterher abmessbare Abweichung feststellen.

Selbst wenn ich vertragsmässig verpflichtetwäre, ein Bild zu reproduzieren und es würden sich solcheminimale Abweichungen ergeben, so hätte der Bestellerder Arbeit keinen Anspruch auf eine neuerliche Leistungda § 932 abGB, der die Gewährleistung behandelt, aus-drücklich erklärt, dass „unerhebliche Minderungen desWortes nicht in Betracht kommen.“ Der Satz: „Minima noncurat praetor“ gilt eben im ganzen Rechtsgebiet. Soller, trotz § 7 abGB vor dem Pressegesetz haltmachen?

Darf eine Bestimmung in einer gegen die guten

Sitten verstossenden Weise nur deshalb ausgelegt wer-den, um eine fortgesetzte Verurteilung des Redakteursherbeizuführen. Gilt das Schikane-Verbot nichtauch gerade im Presse-Recht? Hätte ich das Klischee,das für das freie Auge vollkommen mit dem Vorbild über-stimmt, dem Klischeur beanständet, so wäre ich imzivilgerichtlichen Verfahren sachfällig geworden. Mehrals was ich gegen Entgelt vom Klischeur verlangen kann,kann der Privatankläger bei unentgeltlicher Leistungmeinerseits (§ 915 abGB) auch nicht von mit verlangen!Der Begriff der Erfüllung einer Verpflichtung istein allgemein rechtlicher. Er ist für das Gebiet desPressrechtes nicht anders auszulegen als für jenes desZivilrechtes.

Ich werde daher aus allen diesen Gründenmeine Freisprechung neuerlich beantragen. Ich behaltemir selbstverständlich wegen der Verfolgung durch denGegner die Geltendmachung meiner Ersatzansprüche gemäss§ 1295 Abs. 2 abGB vor.

Den von mir beantragten Sachverständigen werde ich um eine Verzögerung der Durchführung derVerhandlung durch meine neuerlichen Anträge hintanzu-halten, zur Hauptverhandlung persönlich mitbringen.

Dr. Fritz Kaufmann in Vollmachtsnahme Ernst Ely.