19.9 Protokoll der öffentlichen Hauptverhandlung (Strafbezirksgericht I Wien, G.Z. U I 286/25, Richter: Christoph Höflmayr)

Schreiberhände:

  • blauer Stift

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Annotationen
Datum: 21. Januar 1926
Seite von 3

Abschrift.6G.Z. U I 286/254

Öffentliche Hauptverhandlung

Strafbezirksgericht I in Wien am 21. Jänner 1926Beginn 11 1/4 UhrRichter Hofrat Dr. Höflmayr Schriftführer Hilfsrichter Dr.Jung.Privatankläger: Karl Kraus nicht ersch. seinen VertreterDr. Oskar Samek o.V. vAngeklagter: 1. Anton Kuh pers. Verteidiger des 1. Besch. Kuh Dr. Friedrich Schnepp oV. v.2. Dr. Fritz Kaufmann pers. 17–I. 1926 Anton Kuh, geb. am 12.VII.1890 in Wien, dh. zuständig,mos., led., Schriftsteller, III. Beatrixgasse Hotel Beatrix wohnhft., Eltern: Emil und Auguste, unbescholten.Dr. Fritz Kaufmann , geb. am 16.VIII.1896 in Wien, dh. zu-ständig, kfls., vh., verantw. Schriftleiter der „Stunde“,VIII. Piaristengasse 56, verh., mehrfach wegen Pressdeliktenvorbestraft.P.A. Vertreter: inkriminiert wird das in der Nummer 778 und 858 der „Stunde“ mit Bezug auf den P.A. vorkommendeWort „ Vortragsaffe“.Besch. Anton Kuh: Den in Nummer 778 der „Stunde“ vom11.X.1925 enthaltenen Aufsatz mit der ÜberschriftPreisausschreiben“ habe ich verfasst.Bezüglich der Urheberschaft des in No. 858 der „Stundevom 20.I.1926 veröffentlichten Aufsatzes mit der Über-schrift „Der Affe Zarathustras vor dem Bezirksgerichtverweigere ich die Auskunft.Besch. Dr. Fritz Kaufmann: Ich war der verantwortlicheSchriftleiter der Nummern 778 vom 11.X.1925 und 858 vom 20.I.1926 der „Stunde“.

Den in No. 778, der „Stunde“ vom 11.X.1925 er-

schienen Aufsatz mit der Überschrift „Preisausschreibenhabe ich vor Drucklegung nicht gelesen und ich habe ihnauch nicht in Kenntnis seines Inhaltes zum Drucke beför-dert, denn Herr Kuh hatte mich vorher verständigt, dass derAufsatz von ihm persönlich gezeichnet und dass darin niemandpersönlich angegriffen wird.

Den in No. 858 der „Stunde“ vom 20.I.1926erschienen Aufsatz mit der Überschrift „Der Affe Zara-thustras vor dem Bezirksgericht“ habe ich nicht verfasst;ich habe aber diesen Aufsatz vor Drucklegung gelesen undihn in Kenntnis seines Inhaltes zum Drucke befördert, denner war mir, wie ich mich erinnere, eigens vorgelegt worden.Verlesen werden: Der Aufsatz mit der Überschrift „Preis-ausschreiben“ aus No. 778 der „Stunde“ vom 11.X.1925,der Aufsatz „Der Affe Zarathustras vor dem Bezirksgerichtaus No. 858 der „Stunde“ vom 20.I.1926, sowie das Im-pressum der beiden genannten Zeitungsnummern.Besch. Anton Kuh: Ich habe mit dem Ausdrucke „Vortragsaffenicht den P.A. gemeint. Ich bin zu dieser Erklärung des-halb genötigt, weil P.A. mir durch Erhebung der Anklage nach§ 496 St.G. die Möglichkeit genommen hat, den Wahrheits-beweis darüber zu führen. P.A. Vertreter erklärt, die Anklage auf die eben gefalleneÄusserung des Beschuldigten Anton Kuh auszudehnen, da dieseErklärung eine neuerliche Schmähung des P.A. beinhalte.Besch. Anton Kuh. Ich wollte durch meine Erklärung nur be-gründen, meinen mir der Wahrheitsbeweis, sei es für dasWort „Vortragsaffe“ sei es für welches Wort immer, durchdie Art der Privatanklage unmöglich gemacht wurde.P.A. Vertreter legt zum Beweise dafür, dass der P.A. eswar, der den Ausdruck „Cowboy“ gebrauchte, die No.

697–700–705 vom Oktober 1925 der Zeitschrift „DieFackel“ vor und verweist auf Seite 148, 3. Zeile vonoben.Verlesen wird aus No. 697–700–705 der ZeitschriftDie Fackel“ vom Oktober 1925 die auf Seite 148 befind-liche 3. Zeile von oben, in der das Wort „Cowboys“ vorkommt.Verteidiger des Besch. Kuh beantragt die Abtretung desAktes an das Landes- als Geschworenengericht, da der in-kriminierte Aufsatz nicht die Übertretung nach § 496St.G., sondern gegebenenfalls das durch die Presse begange-ne Vergehen nach § 491, 493 St.G. begründen; denn das WortVortragsaffe“ beinhaltet eine Qualifikation der Tätigkeitdes Vortragenden.Besch. Anton Kuh: Durch den Ausdruck „Vortragsaffesollten die Funktionen als Vortragender bei einer bestimmtenPersönlichkeit ausgedrückt werden, insbes. dessen spezielleArt des Vortrages (die Hast mit der er sich in Vorträgestürzt, das Sich-rufen-lassen, die Verbeugungen, kurz dieAkrobatik des Genusses mit der jene Persönlichkeit den Bei-fall aufnimmt) qualifiziert werden.P.A. Vertreter: spricht sich gegen die Abtretung des Aktesan das Landes- als Geschworenengericht aus, da es sichbeim Worte „Vortragsaffe“ um eine Beschimpfung, somitum eine Übertretung nach § 496 St.G. handelt.

Der Richter verkündet dasUrteilgemäss § 261 St.P.O. samt Gründen.P.A. meldet gegen das Urteil die Berufung an und ersuchtum Zustellung einer Urteilsausfertigung.1. und 2. Beschuldigter geben keine Erklärung ab.

Ende 12 Uhrgeb. pfl. Verhandlg. Dauer 2 halbe St.Der Richter: Der Schriftführer:Dr. Höflmayr m.p. Dr. Jung. m.p.