19.15 Drei juristische Erörterungen betreffend den Unterschied zwischen Schmähung und Beschimpfung

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Datum: 14. November 1925
Seite von 3

1861

Nr. 972

Schmähung: Einrede der Wahrheit.

Best. Entsch. v. 4. Jänner 1861. Z. 14870 (O.L.G. Wien) Trib. 1861,Nr. 47 G.Z 1861, Nr. 30.

B und E verlobten sich; D, der Vater der E, lud seinen Freund,den Schneider A zur Verlobungsfeier; dieser blieb aus, und darübervon D zur Rede gestellt, sagte er in dessen Verkaufslokale: „Wennes dieser B ist, den ich meine, so haben Sie als Vater einenschönen Fang gemacht; wie fällt es ihnen ein, einem solchen Hader-lumpen Ihre Tochter zu geben? Er ist ein charakterloser und un-moralischer Mensch, war mir ein ganzes Jahr lang 5 fl. schuldigund liess sich deshalb öffentlich Skandal machen. Zu einersolchen Verlobung gehe ich nicht.“ – Die erste Instanz verurteilteden A wegen Uebertretung der Ehrenbeleidigung durch öffentlicheSchmähung nach § 491 des St.G.B.; die zweite Instanz schöpftedas Schulderkenntnis (wegen öffentlicher Beschimpfung) nach§ 496 des St.G.B. – Der oberste Gerichtshof bestätigte letzteresUrteil indem er annahm, … „dass der B die Bezahlung von 5 fl.,deren Schuldigkeit er anerkennen musste, dem A vorenthieltund es darauf ankommen liess, dass ihm deshalb mehrmals und sogarim Kaffeehause, ein Skandal gemacht werde, durch welches BenehmenA die Bezeichnung „Charakterlosigkeit“ allerdings rechtfertigenkonnte, weil man im Handel und Wandel das Dasein oder den Mangelder Charaktertüchtigkeit, gleich der kaufmännischen Ehrenhaftigkeitin der gewissenhaften Erfüllung der eingegangenen Verbindlichkeitenoder in dem, sei es böswilligen, sei es schuldbaren Mangel dieserErfüllung zu finden pflegt; „dagegen sei es zweifelhaft, ob mannach § 491 des St.G.B. auch die Bezeichnung als ‚unmoralisch‘rechtfertigen könne. Es sei wohl im allgemeinen wider die Moral,die Bezahlung eines Betrages, welchen Jemand in’s Verdienen ge-bracht und den man zu zahlen versprochen hat, ungeachtet mandie Mittel dazu hatte, in der angegebenen Weise und durch solange Zeit vorzuenthalten; allein im speziellen Falle habe da-runter auch die Geneigtheit zu anderen Ausschweifungen verstandenwerden können. Dass aber die angeführte Redeweise nur in diesemSinne angewendet und aufgefasst worden sei, wie der Privatanklägerin der Klage behauptete, könne nicht für bewiesen angesehen werden,da D nicht bestätigt hat, dass der Schneider A Zusätze gemachthabe, welche die Auffassung des Wortes in diesem speziellen Sinnenotwendig gemacht hätte und auch nicht angegeben hat, dass erdieses Wort im Zusammenhange der ganzen Redeweise eben in diesemberührten Sinne aufgefasst habe. Die Bezeichnung mit dem Schimpf-worte der „Haderlump“ bilde die Uebertretung der Ehrenbeleidi-gung nach § 496 des St.G.B.

Nr. 1342.

Beschimpfung oder Schmähung?

Abänd. Entsch. v. 22. Sept. 1870, Z. 9802. (O.L.G. Lemberg) G.H.1870, Nr. 76.

A äußerte zu D, auf einen vorbeilaufenden Dorf-hund weisend, „er halte den Grundherrn B nicht so vielwert als einen Hund.“ In dieser Äußerung wurde vom oberstenGerichtshofe der Tatbestand der Übertretung der Ehren-beleidigung durch Beschimpfung nach § 496 St.G.B., nichtder Schmähung nach § 491 des St.G.B. erkannt, weil sichdiese Äußerung lediglich als eine wörtliche Beschimpfungdes Grundherrn B darstellt.“

Nr. 1383.

„Pharisäer;“ „schlechter Mensch“: Schmähung oder Beschim-pfung?

Best. Entsch. v. 19. Juli 1871, Z. 8914. (O.L.G. Graz.) G.H. 1871,Nr.84.

Gegen den Beschuldigten A war erwiesen, daß diesereines Tages in dem Hofe des Hauses, in welchem er als Mieth-partei wohnte, seine Stiefel putzte, als der HausadministratorB ihm dieß untersagte, die Stiefel mit drohender Gebärdegegen denselben schwang und zugleich die Worte: „Sie Pha-risäer,“ „Sie schlechter Mensch“ ausstieß. Auf die Privat-anklage des B wurde A von der ersten Instanz der Übertre-tungen gegen die Sicherheit der Ehre durch öffentlicheSchmähung nach § 491 und durch öffentliche Beschimpfung nach§ 496 St.G.B. schuldig erkannt. Der Tathbestand der ersteren Übertretung wurde in dem Ausstoßen der oben erwählten Äu- ßerung, der Tathbestand der letzteren Übertretung in der indem Aufheben und Schwingen der Stiefel gelegenen Bedrohungmit Mißhandlung gefunden. Auf die Berufung des Beschuldigtenerkannte das Oberlandesgericht, daß A nur der Übertretunggegen die Sicherheit der Ehre nach § 496, nicht aber jenernach § 491 St.G.B. schuldig sei: Die dem Beschuldigten Azur Last liegende Thathandlung begründe nur die Übertretunggegen die Sicherheit der Ehre im Sinne des § 496 St.G.B.,indem die Bezeichnung des Privatanklägers als „Pharisäer“nach dem Sprachgebrauche als ein verhöhnendes Schimpfwort,die weitere Bezeichnung „schlechter Mensch“ aber gleichfallsnur als ein ehrenrühriger Ausdruck anzusehen sei, durch wel-che nicht die Handlungsweise und Gesinnung, sondern nur diePerson des Privatanklägers auf ehrenverletzende Weise an-gegriffen wurde. Demzufolge könne die Beschimpfung mit denangeführten Worten nicht als die abgesonderte Übertretunggegen die Sicherheit der Ehre nach § 491 St.G.B. zugerechnetwerden und es habe der Angeklagte A dieser Übertretung fürnicht schuldig, und nur jener nach § 496 St.G.B. für schul-dig erkannt werden müssen. Auf die Berufung des Privatklägers bestätigte der oberste Gerichtshof das obergericht-liche Urteil, „in der Erwägung, daß die dem Angeklagten Azur Last gelegten Ausdrücke nur unter den § 496 St.G.B. fallen, weil mit denselben der Angeklagte A ein abstraktesUrtheil in Schimpfworten öffentlich ausgesprochen hat,und sich mit Grund nicht sagen läßt, daß er damit nichtdie Person des Anklägers, sondern nur die Handlungsweisedesselben bezeichnen wollte.