30.2 Brief Samek an RA Josef Schornstein (Mährisch-Ostrau)

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 17. Juni 1925
Betreff: Kraus – Tramer

Empfänger

An: Wohlgeb. | Herrn Dr. Josef Schornstein | Advokat
Masarykplatz 32
Mährisch – Ostrau
Seite von 4

Lieber Freund und Kollege!

Ein Herr Otto Tramer, Abiturient der deutschen Staats-realschule Mährisch-Ostrau, Miličgasse 3, hatte die wahrscheinlichseinem jugendlichen Unverständnis zuzuschreibende Unverfrorenheitan Herrn Karl Kraus das beiliegende Schreiben zu richten, von demich Dir auch eine Abschrift anschliesse. Dir als eifrigen Leserder Fackel brauche ich wohl nicht die Aufklärung zu geben, dasser die auf Seite 26 des beiliegenden Heftes der „Fackel“ vomMai 1925 Nr. 686–690 enthaltene Glosse absolut nicht verstandenhat. Während sich die Glosse gegen das Phrasenhafte des in derMusik“ erschienen Artikels wendet, insbes. gegen die bereits imKriege bis zum Ueberdrusse abgedroschenen Worte vom „Ausbauen undVertiefen“, scheint Herr Tramer dies für eine politische Glossegehalten zu haben. Jedenfalls hat die Verwendung dieser Wortemit dem sachlichen Gehalte dieser Worte gar nichts zu tun undauf keinen Fall war Herr Tramer berechtigt einen derart unfer-froreren und unberechtigten Brief an Herrn Kraus zu senden. Ichersuche Dich nun gegen Herrn Otto Tramer wegen des Inhaltes die-ses Briefes, insb. wegen der Ausdrücke „da wir sonst zwei vonIhrer Sorte hätten“ und „hätte eine hervorragende Vorlage fürden ‚Schmock‘ in seinen ‚Journalisten‘ gehabt“ und auch wegen deranderen beleidigenden Aeusserungen die Ehrenkränkungsklage ein-

zubringen. Da möglicherweise der Referent nicht über Herrn KarlKraus orientiert sein könnte und es bei einer Ehrenkränkung nichtnur auf den Inhalt der Beleidigung, sondern auch auf den Beleidig-ten selbst ankommt, lege ich einen Artikel der offiziellen PragerPresse vom 29. Mai 1925 Seite 4 vor, der den Referenten vollstän-dig orientieren wird.

Da Du wahrscheinlich Herrn Otto Tramer persönlich kennenwirst und doch die Möglichkeit besteht, dass der Brief nicht auspolitischer Gehässigkeit, sondern aus Unverstand geschrieben wur-de, so überlasse ich es Deinem Ermessen, Herrn Otto Tramer vorzu-laden und die Sache auf sich beruhen zu lassen, wenn er ein ent-sprechendes Entschuldigungsschreiben an Herrn Kraus richtet, über-dies die gesamten Kosten und für einen wohltätigen Zweck einenangemessenen Betrag bezahlt. Sollte es sich aber bei Herrn OttoTramer um einen Hackenkreuzler handeln, so bitte auf keinen Aus-gleich einzugehen, sondern auf die Bestrafung zu dringen.Nach Abschluss der Angelegenheit bitte ich um Retournierungdes Originalbriefes.

Obwohl dies nicht ganz den Gesetzen der Höflichkeit ent-spricht, erlaube ich mir diesem beruflichen Schreiben ein paarprivate Worte anzuschliessen und mich nach dem Befinden DeinerFrau, Schwiegermutter und Schwägerin und auch nach Deinem Befindenzu erkundigen. Leider war es mir, wie Du Dir ja denken kannst, zumeinem grösstem Bedauern nicht mehr möglich, den Juni dazu zu be-nützen um den lange versprochenen und von mir so sehr gewünschtenBesuch abzustatten. Ich hoffe aber im Herbst das Versäumte gutmachenzu können. Ich werde anfangs Juli auf Urlaub gehen, leider nur einen

kurzen Urlaub haben können und hoffe dann die paar Tagein Mährisch-Ostrau als eine Ergänzung des Urlaubs betrachtenund damit alles gutmachen zu können.

Mit besten Grüssen an Euch alle bin ich Deinergebener Freund und Kollege

rekomm. 4 Beilagen.

KrausTramer.17.VI.25.