31.7 Brief Samek an Verlag Die Fackel

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Überarbeitungen

Schreiberhände:

  • Oskar Samek, schwarze Tinte

Sender

OSKAR SAMEK | Rechtsanwalt
Schottenring 14
Wien, I.
Datum: 26. August 1925
Betreff: Kraus – Liebstöckl

Empfänger

An: den | Verlag der Fackel
Hintere Zollamtstrasse 3
Wien III.
Seite von 3

Unter Hinweis auf unsere telefonische Unterredungersuche ich Sie, Herrn Kraus mitzuteilen, dass die Möglichkeit,die Angelegenheit vor der Polizei durchzuführen, auch durcheinen Misserfolg bei der bezirksgerichtlichen Durchführungnicht genommen ist, dass aber nach meiner Ansicht bei dem fastsicheren Misserfolg im bezirksgerichtlichen Verfahren dassofortige Vergehen bei der Polizei zweckmässiger wäre. Es w i ü rdeja nicht anderes übrig bleiben, als die gesamte Redaktion undetwa noch in Betracht kommende Leute als Zeugen abzuhören,dass ihnen Herr L. den Brief mitgeteilt oder zu lesen gegebenhat. Von diesen Leuten müssen mindestens zwei diese Behauptungbestätigen. Sollten aber diese Zeugen zwar von dem übrigen In-halt des Briefes, nicht aber von dem Vorwürfe der Leichtfertig-keit Kenntnis erhalten haben, so könnte eine Verurteilung nichterfolgen. Da auf die Sache selbst in diesem Verfahren vorerstnicht eingegangen, sondern lediglich der Beweis erhoben würde,ob der Brief Mitwisser hat oder nicht, so ist für den Beweisdes Auskneifens des Herrn L. nichts Wesentliches getan, daüber die Wahrheit oder Unwahrheit des Ausspruches des Herrn L. erst dann ein Beweis zugelassen würde, wenn die gerichtlicheStrafbarkeit feststeht und Herr L. einen Wahrheitsbeweis antritt.Ferner spricht gegen das gerichtliche Verjähren die mit diesemverbundene Kostenersatzpflicht im Falle des Unterliegens. Wie

ich glaube, werden Zeugen der Qualität, wie im vorliegendenFalle, auch dann, wenn sie tatsächlich von dem Inhalte des Brie-fes genaueste Kenntnis haben, durch alle möglichen Ausflüchte,ja sogar durch falsche Aussagen dies zu leugnen versuchen. EinenGegenbeweis zu führen wird bei der Sachlage unmöglich sein.Wenn aber Herr Kraus hofft, dass unter den in Betracht kommendenZeugen mindestens zwei sein werden, die wahrheitsgemäss aussagenwerden, dass sie den Brief gelesen oder dessen Inhalt zur Kennt-nis bekommen haben, so wäre allerdings der Erfolg beim Bezirks-gericht ein grösserer, schon dadurch, dass das Verfahren einöffentliches ist.

In dem Brief an den Advokaten des Gegners muss nichtgesagt sein, welchen Weg man geht. Die Wahl bleibt eineminnerhalb von 6 Wochen stets offen. Herr Kraus hat mir vorseiner Abreise gesagt, dass er mir seine Wünsche bezüglichdes Inhaltes dieses Schreibens noch mitteilen wird; ich habedaher vorläufig dem Advokaten nicht geschrieben und ichbitte Sie, Herrn Kraus dies in Erinnerung zu bringen.

Bei dieser Gelegenheit bitte ich Sie auch, Herrn Kraus mitzuteilen, dass in der Sache Weininger die Ladung dem Be-schuldigten nicht zugestellt werden konnte, da er sich nachder Auskunft des Postorgans in Berlin befindet; das Verfahrenwird daher, wie mir der Richter, mit dem ich gesprochen habe,mitgeteilt hat, abgebrochen und nur auf Antrag wieder aufge-nommen werden, den ich sofort stellen werde, wenn ich vondem Aufenthalte des Herrn Weininger in Wien erfahren werde.

Die Verjährung ist durch die versuchte Zustellung unter-brochen und es ist nur eine Frage der Zeit, wann dieVerhandlung durchgeführt werden kann.

HochachtungsvollSamek