31.6 Brief RA Adalbert Trompeteur an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

RECHTSANWALT | DR. ADALBERT TROMPETEUR
Wipplingerstrasse 32
I.
Datum: 30. Juli 1925

Empfänger

An: Herrn | Dr. Oskar Samek, Rechtsanwalt
Schottenring 14
Wien, I.
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege!

Sie richten an Herrn Dr. Hans Liebstoeckel inIhrem Schreiben vom 28. d. die Bitte, Ihrem Mandanten Herrn Karl Kraus durchdas Zugeständnis, dass sein, Dr. Liebstöckl, brieflich geäusserter Vorwurfder „Leichtfertigkeit“ einen „öffentlichen Character“ besessen habe,die Beschreitung des prozessualen Weges gegen meinen Mandanten zu er-leichtern, damit Herr Kraus in den Stand gesetzt werde, an Stelle der Ver-öffentlichung einer pressgesetzlichen Berichtigung, die ihm offenbar un-erwünscht ist, seine in der letzten Nummer der „Fackel“ hinsichtlich derPerson Dr. Liebstöckels aufgestellte Behauptung ins Willkommene, nämlich dieUnbedingtheit seiner Berichtigung abschwächende Licht eines öffentlichenGerichtsverfahrens zu rücken. Stellt dieses Ansinnen, Herrn Kraus die Ge-fälligkeit zu erweisen, dass Herr Dr. Liebstöckl dort, wo er mit einer strik-ten gesetzlichen Forderung auftritt, lieber die Rolle des Angeklagtenspielen möge, damit Herrn Kraus die Möglichkeit gegeben sei zu prozessie-ren, statt dem Gesetze Genüge zu tun, eine, noch durch den Umstand, dass dasDelikt, welches meinen Mandanten zum Angeklagten machen soll, erst durcheine Stilwendung, mit dem er das pressgesetzliche Berichtigungsansuchenbegleitete, ausfindig gemacht werden sollte, eine Merkwürdigkeit dar, so istHerr Dr. Liebstöckl zu dem in die Lage versetzt, den „öffentlichen Characterjener „Ehrenkränkung“, die ihm von Herrn Kraus zum Vorwurf gemacht wird,entschieden bestreiten zu müssen. Keineswegs geht nämlich aus dem Umstand,dass Herr Dr. Liebstöckl in seinem Begleitbrief von dem Unmut sprach, denIhres Mandanten / Herrn Krausens / „leichtfertige“ und „ihn herabsetzen-

de Behauptung in ihm und seinen Freunden geweckt habe“ hervor, dasser / Liebstöckl / „auch über die Reaktion auf diesen Unmut seine Freundeverständigt“ habe und dass also „diese von seinem Schreiben Kenntnisbekommen haben.

Aus dieser Konklusion die Wahrscheinlichkeit einer von meinemKlienten Herrn Kraus zugefügten „Ehrenkränkung“ zu konstruieren geht eben-sowenig an, als zu behaupten, dass jene Öffentlichkeit schon durch den Um-stand gegeben sei, dass meines Klienten Schreiben „ohnedies die Person,der er es in die Schreibmaschine diktiert habe, zum Mitwisser habe“ – zumaldiese Person Dr. Liebstöckl selber ist, d.h. er den betreffenden Briefselbst in die Schreibmaschine geschrieben hat.

Wiewohl Ihr Mandant sich also „in jedem Falle vorbehaltenmöchte, das vom Strafgesetz erforderte Merkmal der Öffentlichkeit darzutunmuss mein Klient Ihr Ersuchen, den Weg zur richterlichen Entscheidung übereine Beweismaterie, deren Erörterung, wie Ihr Mandant sagt, Herrn Dr. Lieb-stöckl am Herzen liegt, Herrn Kraus zu erleichtern und sich „zum öffentlichenCharacter seines Schreibens zu bekennen “, zu dem sich mein Klient dochoffenbar nicht erst zu bekennen hätte, wenn er klar gegeben wäre, mit derForderung beantworten, dass Herr Kraus die Berichtigung abdruckt.

Mit vorzüglicher kollegialer HochachtungAdalbert Trompeteur

KrausLiebstöckl Eingelangt am 30. JUL 1925