99.13 Brief RA Max Hirschberg an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Annotationen

Schreiberhände:

  • Oskar Samek, Bleistift
  • Max Hirschberg, schwarze Tinte

Sender

Dr. MAX HIRSCHBERG
KAUFINGERSTRASSE 30
MÜNCHEN, C 7
Datum: 5. Mai 1928
Diktiersigle: 2/H

Empfänger

An: Herrn | Rechtsanwalt Dr. Oskar Samek
Schottenring 14
Wien I.
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Kollege!

In Sachen Kraus gegen Weiss Wilhelm ( VölkischerBeobachter) ist das Hauptverfahren antragsgemäss eröffnetund Termin zur Hauptverhandlung lt. anliegender Ladung desHerrn Privatklägers aufMontag, den 14. Mai 1928 vorm. 9 Uhranberaumt. Herr Kraus ist nach § 378 StPO. berechtigt, sichdurch einen schriftlich bevollmächtigten Rechtsanwaltvertreten zu lassen, braucht also zum Termin nicht zuerscheinen. Ich würde es auch, so sehr es mich persönlicherfreuen würde Herrn Kraus kennen zu lernen, für taktischfalsch halten, wenn Herr Kraus persönlich erscheinenwürde. Er würde damit einem Blatte, wie dem VölkischenBeobachter, eine Bedeutung zusprechen, die ihm nachkeiner Richtung zukommt. Auf irgendwelche geistigen Auseinan-dersetzungen mit diesem Blatte darf man sich grundsätzlichnicht einlassen. Wie Sie aus dem Eröffnungsbeschluß ersehen,hat der Richter den § 193 an sich bejaht, da ein tadelndesUrteil über die schriftstellerischen Leistungen des Privat-

klägers vorliege, jedoch die Straflosigkeit verneint,weil aus der Form, insbesondere aus der Häufung derverletzenden Wendungen, das Vorhandensein einer Beleidigunghervorgehe. Der Richter stellt also nur auf die formellenBeleidigungen ab. Wir sind daher in der Lage, das Gleichezu tun und brauchen uns auf Debatten über den Inhaltdes Traumstücks nicht weiter einlassen. Der Zweckdes Vorgehens, diesem Blatt einen Denkzettel zu geben,dürfte demnach erreicht werden, ohne daß eine Bezugnahmeauf frühere Werke oder Vernehmung von Sachverständigennotwendig wird.

Es kann natürlich sein, daß sich die Situationnoch durch Beweisanträge der Gegenpartei ändert.Ich würde in diesem Falle rechtzeitig Nachricht geben.Nur wenn das Gericht der Gegenpartei wider Erwarteneinen Sachverständigenbeweis zulassen sollte, müßten auchwir selbstverständlich mit Sachverständigen arbeiten.Ich bitte Herrn Kraus, sich für diesen Fall einstweilenTheodor Haecker Ludwig Ficker zu überlegen, wer als Sachverständiger geladen werdensoll. Wahrscheinlich wird diese Notwendigkeit abernicht eintreten.

Für die Führung der Sache einschließlich derHauptverhandlung am Strafgericht gestatte ich mir einGesamthonorar von 200 M in Vorschlag zu bringen. Ich darfSie bitten, die Vermittlung der Überweisung freundlichstzu übernehmen. Wird der Beklagte verurteilt, so hat er

die gesetzlichen Gebühren, das sind rund 70 M, zuerstatten. Soweit die üblichen Honorarvereinbarungendie gesetzlichen Gebühren übersteigen, kann im Falle derVerurteilung der Mehrbetrag vom Beklagten nicht beigetriebenwerden, da nur die gesetzlichen Gebühren festgesetztwerden können; das wird ja wohl in Ehrensachen in Österreichebenso sein, sodaß ich keinen Kommentar dazu zu gebenbrauche. Ich nehme an, daß jede Vergleichsverhandlungmit der Gegenpartei abgelehnt wird und daß ich zu derErklärung ermächtigt bin, daß Herr Kraus mit dem VölkischenBeobachter grundsätzlich keinerlei Vergleichsverhandlungenirgend welcher Art überhaupt führt. Ich halte dies fürpolitisch und taktisch geboten. Ich habe allerdings auchkeine grundsätzlichen Erwägungen dagegen, einen Vergleichzu schliessen, wenn die Gegenpartei alle Beleidigungenmit dem Ausdruck des Bedauerns zurücknehmen sollte undalle Kosten einschließlich des vereinbarten Honorarsübernimmt. Es ist nicht ganz ausgeschlossen, wenn auchunwahrscheinlich, daß sie dies tun würde, um die in Press-beleidigungssachen in München ziemlich hohen Geldstrafenzu sparen. Mir persönlich würde es allerdings für HerrnKraus mehr zusagen, von vornherein jede vergleichsweise Erledigung grundsätzlich abzulehnen.

Mit vorzügl. koll. HochachtungDr. Hirschberg Rechtsanwalt.

Anl.

KrausVölkischer Beobachter 7. MAI 1928