103.17 Brief RA Philipp Loewenfeld an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Annotationen

Schreiberhände:

  • Oskar Samek, Bleistift

Sender

Dr. PHILIPP LOEWENFELD
Kaufingerstraße 30
München 2 C
Datum: 6. August 1928
Diktiersigle: 1/H

Empfänger

An: Herrn | Rechtsanwalt Dr. Oskar Samek
Schottenring 14
Wien I
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege!

In Sachen Kraus gegen Schardt schreibt mirJustizrat Dr. Süssheim unterm 2. August 1928:

Ihrer Weisung entsprechend haben wir in derAngelegenheit Krauss gegen Schardt (Fränk. Kurier)eine vergleichsweise Erledigung abgelehnt. DieVerhandlung dauerte mehrere Stunden und endete mitder kostenlosen Freisprechung des Beklagten.

Die beanstandeten Stellen seien allgemeingehalten, beim Ausdruck „Literätchen“ könnedie Absicht der Beleidigung nicht nachgewiesenwerden.

Wir ersuchen um umgehende Mitteilung,ob Berufung bezw. Revision eingelegt werden soll.

Unterm 3. August 1928 erhalte ich von HerrnJustizrat Süssheim folgendes Schreiben:

Anbei übersenden wir den Bericht der FränkischenTagespost über die Verhandlung Kraus gegen Schardt.Da der Erstrichter sein Urteil u.a. mit tatsäch-lichen „Feststellungen“ begründet, ist esfraglich, ob hier mit der Sprungrevision beizu-kommen ist.

Doch überlassen wir die Entscheidungganz Ihrem Ermessen.

Zweifelhaft ist, ob nicht die Amnestieeingreift; von gegnerischer Seite würde sie nichtgeltend gemacht, dafür um so mehr mit „nationalen“Argumenten gegen den ‚Tschechen‘ Kraus gearbeitet.

Wir ersuchen um rechtzeitige Mitteilung.

Ich habe lt. Anlage geantwortet und bitte um Ihregefl. Weisungen.

Ich empfehle unbedingt Berufungseinlegung.Nach meiner Ansicht kommt das Urteil einer Rechtsver-weigerung nahe. Ich halte auch die Berufung für durchausaussichtsreich.

In negativer Beziehung ist aus dem Bericht desHerrn Justizrats Süssheim nur zu entnehmen, daß das Gericht offenbar der presserechtlichen Konstruktion des Privat-beklagten über den „verantwortlichen Redakteur“ nichtgefolgt ist, sonst hätte es den Privatbeklagten nur auspresserechtlichen, nicht aus sonstigen tatsächlichenErwägungen freisprechen können.

In vorzüglicher koll. HochachtungLoewenfeld Rechtsanwalt.

Berlin KrausenstraßeWeißes Haus.

KrausFränkischer Kurier 7. AUG. 1928