103.33 Brief RA Max Hirschberg an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Dr. MAX HIRSCHBERG
Kaufingerstraße 30
München 2 C
Datum: 17. Dez. 1928
Diktiersigle: 2.A.

Empfänger

An: Herrn | Rechtsanwalt Dr. Samek
Schottenring 14
Wien I
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Kollege!

In Sachen Kraus gegen Schardt bitte ich von meinem anliegendenBrief an Herrn Kollegen Süssheim Kenntnis zu nehmen. Es ist auf22.XII. Termin anberaumt. Herr Kollege Süssheim hat bei mir ange-fragt, ob Herr Kraus zum Termin erscheinen würde. Ich empfehle dasabzulehnen. Auch die Frage, ob Herr Kraus am Krieg teilgenommenhat, habe ich mit der entsprechenden Formulierung als missverständ-lich abgelehnt. Meines Erachtens muss die Rechtsfrage ganz klarge-stellt werden und das Gericht muss gezwungen werden, zu entscheiden,ob derartige schwere Verbalinjurien zum Schutze des Herrn Privat-klägers bestraft werden oder nicht. Jede Konzession an der Tendenzder Gegenpartei wäre ein schwerer Fehler und würde sicherlich auchvon Herrn Kraus mit Recht missbilligt werden. Es ist nur noch dieFrage zu entscheiden ob ein Vergleich angesichts der gemachtenErfahrungen auch in 2. Instanz abgelehnt werden soll oder nicht.Ich würde empfehlen, auch in 2. Instanz ohne Rücksicht auf die ge-machten Erfahrungen und selbst ohne Rücksicht auf die durch eineVerwerfung der Berufung eatstehenden Kosten einen Vergleich abzulehnen,

es sei denn, dass die Gegenpartei die Beleidigungen mit dem Ausdruckdes Bedauerns zurücknimmt und sämtliche Kosten trägt. Ich bittedarüber, ob Herr Kraus mit dieser Stellungnahme zur Vergleichsfrageund mit meinen Informationen an Herrn Kollegen Süssheim einver-standen ist, diesem direkt unter der Adresse: Justizrat Dr. Süssheim,Nürnberg, Adlerstr. 35 umgehend Mitteilung zu machen, damit er vordem Termin vom 22. XII. rechtzeitig in den Besitz der Weisungendes Herrn Privatklägers kommt. Je schärfer und klarer unsereStellungnahme ist, desto klarer muss das Gericht zu der meinesErachtens völlig unbestreitbaren Rechtsfrage Stellung nehmen,ob strafbare Beleidigungen vorliegen oder nicht. Sollte das Gericht die Berufung verwerfen, so müssten sämtliche in dieser Sache ergan-genen 4 Entscheidungen im Wortlaut veröffentlicht werden. Das wäreimmer noch das kleinere Uebel gegenüber dem geringsten Zurückweichenvor der Gegenpartei. Der Gegner hat wieder Dr. Hohenstadter, eineStenotypistin des Fränkischen Kurier geladen und als „Sachverstän-digen“ einen Gymnasialprofessor in Nürnberg. Ich empfehle, HerrnRechtsanwalt Süssheim direkt, damit er rechtzeitig vor dem TerminNachricht hat, Mitteilung zu machen, ob von unserer Seite ein Gegen-sachverständiger benannt werden soll, zu welchem Zweck eine Verlegungdes Termins zu beantragen wäre. Ich würde auch davon abraten, nichtnur wegen der entstehenden Kosten, sondern weil dadurch die geradeLinie der Rechtsentscheidung über die Frage der Beleidigung verlassenwird. Es kommt für diese Frage weder auf die Gesinnung oder Gesamt-

einstellung der einen noch der anderen Partei an.

Hochachtungsvollergebener KollegeHirschberg Rechtsanwalt.

KrausFränkischer Kurier 19. DEZ. 1928