103.36 Brief RA Max Hirschberg an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Dr. MAX HIRSCHBERG
Kaufingerstraße 30
München 2 C
Datum: 28. Dezember 28
Diktiersigle: 2/Ob.

Empfänger

An: Herrn | Rechtsanwalt Dr. Samek
Schottenring 14
Wien I
Seite von 2

Sehr geehrter Herr College!

In Sachen Kraus ./. Schardt erhalte ichsoeben zu meiner besonderen Befriedigung die Nachricht, dass dasLandgericht Nürnberg das Urteil I. Instanz aufgehoben und nach6 stündiger Verhandlung Herrn Schardt zu 50 M Geldstrafe,sämtliche Kosten und Publikation verurteilt hat.

Ihrem gesch. Schreiben vom 20. cr. lag die AbschriftIhres Briefes an Herrn Collegen Süssheim versehentlichnicht bei; es würde mich interessieren, die Abschrift nachträg-lich zu erhalten. Ich nehme an, dass Ihre Aufträge im gleichenSinne gegangen sind, wie die meinigen. Diese klare Stellungnahmehat das Landgericht zu einer ebenso klaren Stellungnahme zu dermeines Erachtens überhaupt nicht streitbaren Frage, ob einestrafbare Beleidigung vorliegt, gezwungen. Wenn auch die innerenWiderstände des Gerichts durch die viel zu niedrige Geldstrafevon 50 M in Erscheinung traten, so war das Gericht doch ange-sichts der gröblichen Verbalinjurien ausserstande, auf Freispre-chung zu erkennen.

Sobald mir die Ausfertigung des Urteils zugeht,werde ich mir gestatten, sie Ihnen zu übersenden.

Herr College Süssheim schlägt für seine Tä-tigkeit ein angemessenes Honorar von Mk. 100.–– vor. Es lässtsich nicht bestreiten, dass die gesetzlichen Gebühren, die derGegner zahlen muss, mit etwa 40 M keine ausreichende Entschädi-gung für die Vorbereitung und 6 stündige Verhandlung darstellen,sodass ich die Annahme dieses Vorschlags empfehlen muss. Die vomGegner beizutreibenden Gebühren beider Instanzen werden ungefährdiesen Betrag ausmachen, sodass man unter Vereinbarung desHonorars Herrn Collegen Süssheim auch ersuchen kann, sichaus diesen Eingängen zu befriedigen.

Die Erledigung der Nürnberger Sache ist darnach,abgesehen vom Strafausmaß, in Ordnung. Die Veröffentlichungwerden Sie nach dem Empfang des Urteils wohl selbst veranlassen.Die Entscheidung in der Münchner Sache ist falsch; da die Be-schwerde ohne Angabe von Gründen zurückgewiesen wurde, lässtsich aber leider daran nichts ändern. Immerhin hat Herr Kraus ja auch im vorausgegangenen Prozess gegen den Völkischen Beobach-ter Verurteilung erzielt, die rechtskräftig wurde, sodass seineFeinde sich in Zukunft etwas mehr in Acht nehmen werden.

Ich darf Sie bitten, Herrn Kraus meine verbind-lichsten Grüsse zu übermitteln.

Mit vorzüglicher HochachtungIhr sehr ergebener CollegeDr. Hirschberg Rechtsanwalt.

Kraus Fränkischer Kurier 31. DEZ. 1928