112.27 Tatbericht [einen anonymen Informanten, Dr. Adolf Lapp?]

Materialitätstyp:

  • Durchschlag
Datum: 1. November 1929
Seite von 7

Abschrift!

Tatbericht.

1. November 1928 reichte ich an den Verlag Rud. Mosse zu Händen desGeneralbevollmächtigten Dr. Martin Carbe ein Gesuch um Gehaltserhö-hung ein, mit der Begründung, dass ich von meinem derzeitigen Gehaltnicht bestehen könnte, die Redaktionstätigkeit aber gerade für denFunk derartig angeschwollen sei, dass zu Nebenerwerb kaum mehr Mög-lichkeit bleibe.

2. Anfang Dezember 1928 wurde mir daraufhin durch den VerlagssekretärHerrn Martin, mitgeteilt, dass mein Gehalt jetzt zwar um ein Geringes(120 Mk.) aufgebessert würde, dass aber ab 1. Januar 1929 eine endgül-tige Regelung stattfinden sollte. Martin fragte mich ausdrücklich, obich mich mit dieser Lösung einverstanden erklärte, was meinerseits ge-schah.

3. Da mehrfache mündliche Erinnerungen an diese nicht erfüllte Zusageerfolglos blieben, richtete ich Anfang August 29 ein neues Gesuch indiesem Sinne an Dr. C.

4. Auch dieses blieb zunächst unbeantwortet. Dann wurde Regelung perOktober 29 zugesagt. Endlich ging ich Dr. C. einfach persönlich an. VonHerrn Lachmann Mosse war ich deswegen nämlich immer wieder an Dr. C.verwiesen worden. Dr. C. fiel mir sofort in erregter und unhöflicherForm ins Wort und erklärte: er begreife meine Auffassung nicht, ichhätte meine Redaktionspflichten aufs Gröblichste verletzt, da ich ne-benberuflich in einer Weise tätig gewesen wäre, die mit meinem redak-tionellen Hauptamt in keiner Form vereinbar wäre. Als Unterlage verwieser auf einen Brief von der Firma Ultraphon und auf ein Schreiben derehemaligen Firma Tri-Ergon (späteren Tonbild Syndikat gleich Tobis.)Er will diese Schreiben eingefordert haben, weil angeblich in einerGesellschaft in seiner Gegenwart im Zusammenhange mit meiner Tätig-keit bei diesen Firmen schlecht gesprochen worden wäre.

5. Der Brief von der Ultraphon behauptet, dass ich dort wegen meinerBeziehung zum Berliner Tageblatt als Pressechef beschäftigt worden wäreund dann später von dort zur Konkurrenz gegangen sei. Hierzu ist zu be-merken: a) meine Tätigkeit bei Ultraphon bezog sich ausschliesslich aufdie Sprechmaschine, nicht auf das von mir beim Berliner Ta-geblatt verwaltete Gebiet, d.h. auf den Rundfunk.

b) Ich ging von Ultraphon fort, weil dort rein quantitiv keineausreichende Beschäftigung für mich war und gerade weil mirallzu deutlich nahegelegt wurde, dass ich meine Stellung im Berliner Tageblatt für Ultraphon ausnutzen sollte,

c) Da ich auf meinem, d.h. akustischem Gebiete bleiben musste,musste ich natürlich zu einer Konkurrenz gehen. Das gehtausserdem den Verlag Rud. Mosse garnichts an. Für den Schrei-ber des Ultraphonbriefes beweist diese garnicht hergehörigeBemerkung jedoch Voreingenommenheit.

d) Dr. C. verweigert mir den Namen des Schreibers zu nennen.

e) Durch direkte Unterredung mit Dr. Meyerhof, s.Zt. kaufmän-nischer Direktor von Ultraphon, und Herrn Heinrich I. Kü-chenmeister, s.Zt. Generaldirektor von Ultraphon, habe icheinwandfrei festgestellt, dass beiden Herren von den an Dr.C. gerichteten Brief überhaupt nichts bekannt war.

f) Ausserdem liegt die ganze Angelegenheit weit zurück, da ichseit Januar 1928 nicht mehr für Ultraphon tätig war.

6. Der Tri-Ergon-Brief ist inhaltlich scheinbar exakt und erwähnt eigent-lich nur meine dortigen Bezüge und eine Fahrt nach dem Haag. Hierzu istzu bemerken:

a) Meine Tätigkeit bei Tri-Ergon, auch als diese Firma in dieTobis überging, bezog sich wiederum keineswegs auf Rundfunksondern ausschliesslich auf den Sprechfilm.

b) Hierfür schrieb ich selbst Manuskripte, die natürlich ord-

nungsgemäss honoriert wurden. Ausserdem fungierte ich alskünstlerisch literarischer Beirat und leistete dramaturgischeArbeit.

c) Nach dem Haage fuhr ich, um dort bei der Tentonstellig vorge-führte Sprechfilmsysteme zu begutachten. Diese Fahrt fiel ineine Urlaubzeit beim B.T. Ich liquidierte bei Tri-Ergon hierfürkein Sonderhonorar, sondern nur die nakten Reisespe-sen.

d) Trotzdem benutzte ich freiwillig den Aufenthalt in Holland, umfür das Berliner Tageblatt Verbindung mit der Radiofirma Philippsanzuknüpfen, wovon ich persönlich natürlich nicht den geringstenVorteil hatte.

7. In der oben erwähnten Unterredung warf mir Dr. C. ausserdem nochvor: ein Intendant hätte gesagt, er könne jederzeit für einen Vor-trag zu 200 Mk. alles von mir haben.

8. Herr Dr. C. verweigert mir den Namen des Intendanten, obgleich ichmich sofort bereit erklärte, gegen diese Verleumdung wie gegen alleandern gerichtlich vorzugehen.

9. Herr Dr. C. eklärte im Anschluss hieran ferner, er habe erfah-ren, dass mein Ruf in funkischen Kreisen der allerschlechteste sei.Ich weise (wie ich ihn auch schon darauf hinwies) in diesem Zusam-menhange darauf hin, dass ich 1. Vorsitzender des Verbandes deut-scher Rundfunkkritiker bin, dem der grösste und wesentlichste Teilder gesamten deutschen Funkpresse angeschlossen ist. Ferner binich 2. Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fernsehvereins, derunter dem Ehrenpräsidium des Reichspostministers Dr. Schätzle,des Rundfunkkommissars Staatssekretär Dr. Bredow, des Ministerial-direktor im Reichspostministerium Krukow, steht.

10. Da Dr. C. in schroffster Form meine Erwiderungen überhauptnicht gelten liess, überhaupt so erregt war, dass sie bei ihm wohl

kaum eingingen, erklärte ich, dass ich unter diesen Umständenper 31.12.1929 kündige.

11. Jetzt benahme sich Dr. C. wie überhaupt nicht mehr zurech-nungsfähig, brüllte mit Stentorstimme: wenn Sie nicht einsehen,dass Sie sich als Redakteur unmöglich benommen haben, dann müs-sen wir sofort mit einander Schluss machen.

12. Ich erklärte, dass ich meine Kündigung zum 31.12.29 auf-recht erhalte, aber unter diesen Umständen unter Beanspruchungmeines Gehalts meinerseits nicht daran dächte, nun weiter zuarbeiten, obgleich dies für mich unter Umständen eine grosseBerufsschädigung bedeute. Ihr Gehalt steht Ihnen zur Verfügungwar die Antwort.

13. Was dazu sonst noch zu bemerken ist, habe ich zum Teil Dr.C. in der Unterredung schon bekannt gegeben. Nämlich:

a) Dr. C. musste von meiner Nebenbeschäftigung wissen, daich in allen Gesuchen um Gehaltserhöhung schriftlich dar-auf hingewiesen habe.

b) Anlässlich des auf meine Anregung veranstalteten BerlinerTageblatt Funkfluges fragte ich beim Verlage an, ob etwasdagegen einzuwenden wäre, wenn für Sprechmaschinenüber-tragung aus der Luft Ultraphon benutzt und genannt würde,da ich hieran persönliches Interesse hätte. Dagegen wurdenichts eingewendet, vielmehr alles meiner Anregung ent-sprechend ausgeführt. Dr. C. wies ausserdem noch selbstin seiner auf dem Flugplatz gehaltenen Rede darauf hin,dass dieser Funkflug vom Berliner Tageblatt gemeinsam mitder Deutschen Lufthansa und der Ultraphongesellschaft ver-anstaltet würde.

c) Vor etwa 2 Jahren fragte mich Dr. C., ob ich durch meineBeziehungen einen jungen Mann, an dem ihm gelegen sei(Herrn Peisert), unterbringen könnte. Ich sagte, dass

mir dies durch meine Position bei Ultraphon möglich sei. HerrPeister wurde dort auch wirklich untergebracht.

d) Als ich meine Beziehungen zu Ultraphon löste, wurde auch HerrP. dort bald entlassen. Sobald ich Beziehungen zum Tonbild hatte,teilte ich dies Dr. C. mit der Begründung mit, dass ich ver-suchen würde, P. nun dort unterzubringen. Auch dies gelang.

e) Als im Herbst 1928 der Tonfilm „Aetherwellen“, zu dem ich dasManuskript geschrieben hatte, aufgeführt wurde, lud ich Dr. O.ausdrücklich dazu ein.

f) Ich habe aus meiner Nebenbeschäftigung, die ich für durchauslegal hielt und noch halte, nie ein Hehl gemacht, sodass dieseim Verlage Rd. Mosse auch sonst offen bekannt war. Zeugen u.a.:Die Herrn Fischer, Martin, Szatmari, Schmauser, Pelz. Letzerersagte sogar zu Dr. C. dass er nicht begreife, wie Dr. C. nichtsdavon wissen könne, da doch Weitz ganz offen getan habe.

14. In einer zweiten Unterredung verlangte Dr. C. von mir, ich sol-le ihm schriftlich erklären, dass ich ihn mit dem Hinweis drauf,er habe von meiner Nebentätigkeit gewusst, nicht an der Ehre krän-ken wollte. Ich erklärte mich dazu untern Umständen bereit. Gesche-hen ist dies jedoch nicht, da ich nicht weiss, worauf Dr. C. da-mit hinauswollte.

15. Ferner wollte Dr. C. von mir eine schriftliche Bestätigung dar-über, dass er von meiner Nebenbeschäftigung nichts gewusst habe,was den Tatsachen geradzu entgegenläuft.

16. Endlich verlangt Dr. C. von mir schriftliche Erklärung darüber,dass er von mir niemals eine Gefälligkeit verlangt hatte. Wenn ichdiese Erklärung abgeben würde, würde er unter Umständen mit sichreden lassen. Hiermit verlangt Dr. C. von mir eine Bescheinigungüber eine öffentliche offensichtliche Unwahrheit. Er hat übrigensnicht nur im Falle Peisert von mir eine solche Gefälligkeit ver-

verlangt, sondern mich einmal gebeten, dafür zu sorgen, dassein damaliger Direktor von Elektrolux untergebracht würde undschliesslich mich noch gebeten, für Beschäftigung eines HerrnCohn zu sorgen, der wie mir der Bruder des Herrn Dr. Carbe,Herr Rechtsanwalt Cohn, sagte mit Dr. Carbe verwandt sei.

17. Zusammenfassend stelle ich noch einmal fest, dass ich nie-mals irgendwelche Tätigkeit ausserhalb der Redaktion mit derRedaktionstätigkeit verquickt habe, dass diese Tätigkeit, so-weit honoriert, sich auch niemals auf den Rundfunk bezog. Ichkann ferner feststellen, dass dar Chefredakteur des BerlinerTageblattes, Herr Theodor Wolff mir in meiner Auffassung zuge-stimmt hat. Auch habe ich nichts anderes getan, als ein grosserTeil meiner Kollegen, denen niemand ein Vorwurf macht.

18. Als ich im Zusammenhang hiermit Dr. C. fragte, wovon einRundfunkredakteur denn eigentlich leben sellte, entwortete er,dass ein Rundfunkredakteur von seinem Rundfunkteil auch nichtzu leben brauche und dass er niemanden aufgefordert habe, Rund-funkjournalist zu werden.

19. Um allen Weiterungen vorzubeugen, weise ich hier gleichnoch auf folgendes hin, obwohl es zwischen Dr. C. und mir nichtzur Sprache gekommen ist: ich hatte auch natürlich nicht hono-rierte Beziehungen zur Deutschen Fotograph-Gesellschaft. Die-se Beziehungen waren zweierlei Art,

a) Bemühungen für Einführung des Bildfunks in das Rundfunk-progamm, was sowieso zu meiner Aufgabe als Funkmann ge-hörte.

b) Gemeinsame Versuche mit dem Berliner Tageblatt und demNorddeutschen Lloyd, zwecks Einführung einer drahtlosenillustrirten Bordzeitung.

Kraus KerrWolff