117.11 Brief Samek an Der Abend (verantw. Red. Siegfried Klausner)

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 15. Februar 1929
Betreff: Kraus – Abend
Diktiersigle: Dr.S./Fa.

Empfänger

An: den | verantwortlichen Schriftleiter des „Abend“ | Herrn Dr. Siegfried Klausner
Universitätsstr. 6–8
Wien IX.
Seite von 4

Im Vollmachtsnamen des Herrn Karl Kraus fordere ich die Aufnahme der Berichtigung der in Ihrer Nummer 35vom 11. Februar 1929 mitgeteilten meinen Mandanten betreffendenTatsachen gemäss § 23 Pr.G.

Sie schreiben: „Was mit dem armen Teufel ge-schehen ist, um den sich damals Karl Kraus und Henri Barbusse indankenswerter Weise annahmen, darum hat sich Herr Kraus dem An-scheine nach nicht mehr gekümmert, denn er hatte sich sehr einge-hend mit der Veröffentlichung dieses Korrespondenzberichtes zu be-schäftigen.

Es ist unwahr, dass sich Herr Karl Kraus darum, was mit dem armen Teufel geschehen ist, dessen er und HenriBarbusse sich damals in dankenswerter Weise annahmen, nicht mehr ge-kümmert hat. Wahr ist, dass Herr Kraus auch den Verlauf der Aktionmit der Roten Hilfe besprochen, dass er sich wiederholt nach weiteren Schrittenbei der Roten Hilfe erkundigt hat, die ihm tatsächlich über alleKonsequenzen des Aufrufs, wie den freiwilligen Anschluss Albert

Einsteins an seine Aktion, berichtete.

Sie schreiben: „Es waren in dem Berichte zwei Wortein einer Weise wiedergegeben, die dem bekannt feinen Sprachgefühldes Herrn Kraus nicht passten. Er hat uns darob eine Berichtigunggesendet, die wir, obwohl es sich nicht um den Sinn, sondern nurum leere Worte handelte, abdrucken mussten.“ Es ist unwahr, dassin dem Berichte zwei Worte in einer Weise wiedergegeben waren, diedem bekannt feinen Sprachgefühl des Herrn Kraus nicht passten;wahr ist, dass in dem Berichte sinn- und stilwidrig ein Wort inder aktiven anstatt in der passiven Verbalform wiedergegeben warund ein Wort überhaupt gefehlt hat.

Sie schreiben: „Der Vertreter des Herrn Kraus hattedie Berichtigung mit den Worten eingeleitet: ‚Sie veröffentlichen‘.In der Wiedergabe der Berichtigung des ‚Abend‘ hiess es aber: ‚Sieschreiben‘. Da das Pressgesetz sagt, dass eine Berichtigung ‚unge-kürzt und unverändert‘ abzudrucken ist, benützt dies Herr KarlKraus, um uns durch seinen Rechtsanwalt zu dem neuerlichen Abdruckder Berichtigung zu nötigen.

Es ist unwahr, dass der Vertreter des Herrn Kraus dieBerichtigung mit den Worten eingeleitet hatte „Sie veröffentlichenund Herr Karl Kraus die Veränderung dieser Worte in „Sie schreiben“benützte, um Sie durch seinen Rechtsanwalt zum neuerlichen Abdruckder Berichtigung zu nötigen. Wahr ist, dass die einleitenden Worteder Berichtigung gelautet haben: „Sie veröffentlichen, dass KarlKraus und Henri Barbusse an das Bundesministerium folgendes Schrei-ben gerichtet haben“. Wahr ist also, dass Sie den ganzen Nebensatzvon „dass“ bis „gerichtet haben“ weggelassen haben, so dass nichtdeutlich ersichtlich wurde, dass Herr Karl Kraus das falsche Zitat

des Wortlautes seines eigenen Schreibens an das Bundesministerium berichtigt. Es ist unwahr, dass, um Sie zum neuerlichen Abdruckzu nötigen, Herr Karl Kraus das Pressgesetz benützt hat. Wahr ist,dass er durch seinen Rechtsvertreter die Anwendung von Zwangsmittelnnach der Exekutionsordnung angedroht hat, um Sie zum korrekten Ab-druck der Berichtigung zu nötigen, die Sie entstellt gebracht hattenund zu deren wortgetreuen Wiedergabe Sie durch den gerichtlichenVergleich verpflichtet waren, welchen der Richter unter Hinweis aufden klaren Rechtsanspruch des Herrn Karl Kraus Ihnen nahegelegthatte.

Rekommandiert mit Rückschein.

Betr. Kraus – „Abendexp. am 15.2.1929.