121.10 Urteil des Landesgerichts in Strafsachen I. Wien (G.Z. 14 Bl 711/29, Vorsitz: Artur Blaschke)

Materialitätstyp:

  • Typoskript
Datum: 1. Juli 1929
Seite von 2

1 U 139/29/9

Im Namen der Republik!

Vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien I als Berufungsgericht hatgemäß der die Verhandlung anordnenden Verfügung vom 8.6.29., am 1.7.29.unter dem Vorsitze des Hofrates Dr. Blaschke,im Beisein des Hofrates Dr. Stepischnegg,des Horates Dr. Zaczek,des Oberlandesgerichtsrat Dr. Kellner als Richterund des Justizsekretärs Dümel als Schriftführersin Abwesenheit des Privatanklägers Karl Kraus,in Gegenwart dessen Vertreters Dr. Oskar Samek,in Abwesenheit des Angeklagten Dr. Otto Leichter, geb. am22.II.1897, konfl., verantw. Redakt.der „Arbeiterzeitungund in Gegenwart des Verteidigers Dr. Oswald Richter die Verhandlung über die Berufung des P.A. punkto Nichtigkeit und Strafegegen das Urteil des Strafbezirksgerichtes I in Wien vom 30. April 1929 Geschäftszahl 1 U 139/29/3 stattgefunden. Das Gericht hat über denAntrag des Vertreters des P.A. auf Stattgebung der Berufung am 1. Juli1929 zu Recht erkannt:

Die Berufung wird zurückgewiesen. – Gem. § 390a St.P.O. hat der P.A. die Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Gründe:

Mit dem Nichtigkeitsgrunde des § 281/9a St.P.O. wird geltend gemacht,dass der Erstrichter in der Verweigerung des Angeklagten, die vom P.A. verlangte Berichtigung zu veröffentlichen, zu Unrecht den Tatbestand derÜbertretung nach §§ 23, 24 (2) 3 Pressgesetz nicht erblickt habe. NachAnsicht des Berufungswerbers handle es sich bei der vorliegenden Berich-tigung nicht um eine Polemik gegen geäusserte Meinungen, sondern um dieBekämpfung einer falschen Darstellung von Meinungen in dem berichtigtenArtikel, somit um berichtigungsfähige Tatsachen.

Das Berufungsgericht schliesst sich in dieser Frage vollkommender Ansicht des Erstgerichtes an und hält es gleichfalls nicht für

zulässig, dass literarisch-sprachliche Polemiken im Wege des Berich-tigungsverfahrens ausgetragen werden. Da die Ansicht des Erstrichters auch hinsichtlich des mangelnden Gegensatzes zwischen These und Anti-these im 1., 3., und 4. Absatze des Berichtigungsschreibens zutreffenderscheint und somit die Berichtigung ihrem ganzen Inhalte nach den Be-stimmungen des Pressegesetzes nicht entspricht, war die Berufung desPrivatanklägers als unbegründet zurückzuweisen.

Wien, am 1. Juli 1929 .Der Vorsitzende:Dr. Artur Blaschke mp.Schmidt mp.Für die richtige Abschrift!Wien, am 17./8. 1929.Kahlert

KrausArb.Ztg. VI.20. AUG. 1929