123.3 Brief Fränkischer Kurier an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Fränkischer Kurier
Rathausplatz 4
Nürnberg
Datum: 4.5.29
Betreff: Ihre Nachricht vom 24. April.
Diktiersigle: v.B./S.

Empfänger

An: Herrn | Dr. Oskar Samek | Rechtsanwalt
Schottenring 14
Wien 1
Seite von 2

Abgesehen davon, dass Ihr Berichtigungsersuchen formell nicht den Bestimmungen des Pressegesetzes entspricht,sehen wir uns hinsichtlich seines Inhalts zu nachstehenden Be-merkungen veranlasst:

Die 3 Punkte nach dem Wort „zerrissen“ gebennach dem deutschen Schriftgebrauch einwandfrei an, dass hiereinige Verse – als für unsere Beweisführung belanglos – nichtzitiert sind. Jedermann ist es freigestellt, ein Zitat in be-liebiger Länge zu verwenden, falls er Auslassungen durch Punktekennzeichnet. Es enthalten unsere Verse somit keine Unrichtig-keit; darum ist eine Berichtigung nicht nötig. Hinsichtlich desvon uns über die obszönen Verse gemachten Wert-Urteils nehmenSie in Ihrer Berichtigungsaufforderung gar keine Stellung. Sielegen lediglich Wert darauf, dass die Verse sich den vorher vonuns zitierten Versen nicht unmittelbar anschliessen. Abgesehendavon, dass diese irrige Feststellung für die Beurteilung der gan-zen Angelegenheit absolut nebensächlich ist, entspricht auch dieAuslegung, die Sie dem Wort „anreihen“ geben wollen, gar nicht dem

in Reichsdeutschland üblichen Sprachgebrauch. So wird bei unsbeispielsweise der Ausdruck gebraucht „Der Angeklagte hat eineReihe von Straftaten begangen“ ohne dass damit zum Ausdruck ge-bracht sein soll, dass sich die Straftaten unmittelbar aneinanderanschliessen. Falls Sie nach unserer Aufklärung, was wir anneh-men müssen, selbst feststellen, dass Ihr Berichtigungsersuchen durchaus unberechtigt ist, bedarf es einer Antwort Ihrerseits inder Angelegenheit nicht mehr. Es liegt ja auch nicht im Inter-esse Ihres Mandanten, dass aus so kleinlichen und inhaltlich abso-lut belanglosen, nur formalen Gründen eine sogenannte Berichtigungerfolgt, da sich an diese unbedingt ein Kommentar unsererseitsanknüpfen müsste, was Ihrem Mandanten nicht gleichgültig seinkann.

Hochachtungsvoll[Unterschrift] ppa Weber

KrausFränkischer Kurier II.6. MAI 1929