130.24 Brief Samek an RA E. Lion

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 25. September 1929
Betreff: Kraus – Hamburger Nachrichten | II.
Diktiersigle: Dr.S/Fa.

Empfänger

An: Herrn | Dr. E. Lion, | Rechtsanwalt
Gänsemarkt Nr. 62
Hamburg 36
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege!

Ich bin von meinem Urlaub zurückgekehrtund beeile mich weitere Fühlung in dieser Angelegenheit mitIhnen zu nehmen. Zum Schreiben der Hamburger Nachrichten anSie ist folgendes zu bemerken. Die als Busse bestimmten200 Mark sind einem wohltätigen Zweck, den Opfern des 15. Julizugedacht und soll nur den bedauernden Ausdruck der Zurück-nahme bestärken, keineswegs aber einen Vermögenszuwachs fürHerrn Kraus bedeuten.

Wieso es „nunmehr auch die Ansicht desHerrn Kraus zu sein scheint“, dass von einer Zurücknahme durchdie Beklagten selbst nicht die Rede sein könne, ist nichtganz verständlich. Aber ist ist natürlich egal, ob die Zu-rückziehung durch die Redaktion oder durch den Korrespondenten erfolgt. In diesem Punkt könnte man vielleicht eine Konzessionmachen.

Eine Erinnerung d.h. Urgenz des DresdnerSchreibens ist nicht eingelangt. Sie hätte auch keine Wirkunggehabt, der Brief vom 26. Juli ist tatsächlich ohne Antwortgeblieben, da es Herrn Kraus nicht einfällt, mit dem Mann zukorrespondieren, also ein „Einvernehmen“ mit ihm herzustellen.

Er lehnt es ab, von einem Schreiber an seine Loyalität undGrosszügigkeit appellieren zu lassen, der ganz abgesehen vonder inkriminierten Stelle diesen Bericht verfasst hat, in demer die Stinkbombenwerfer lobte.

Was nun den Wortlaut der abzugebenden Er-klärung betrifft, so ist der Standpunkt der Hamburger Nachrichten merkwürdig. Dass sie ihn aus dem Grunde ablehnt, weil er tat-sächliche Behauptungen enthält, die von ihr nicht nachgeprüftwerden können, während sie die inkriminierten Stellen wohl ge-wiss ohne Nachprüfung abgedruckt hat. Für die Richtigkeit derin der Erklärung enthaltenen Behauptungen verbürgt aber wohlschon der Umstand, dass die Fassung von Herrn Kraus herrührt.

Wenn Sie also nicht der Ansicht sind, dassder Prozess irgendwie juristisch bedenklich ist, so ersucheich Sie den Hamburger Nachrichten davon Mitteilung zu machen,dass ein Vergleich nur unter den bereits bekanntgegebenen Bedin-gungen abgeschlossen werden kann, mit der Modifikation, dassdurch ein Versehen nicht schon im ersten Schreiben bekanntgege-ben wurde, dass die verlangte Busse nicht Herrn Kraus, sondernwohltätigen Zwecken zufliessen soll.

Sollten Sie irgendwelche juristische Beden-ken haben, so bitte ich Sie, nach eigenem Ermessen Modifikationenan der Erklärung vorzunehmen und eventuell auf die Busse zu ver-zichten, jedoch jedenfalls darauf zu sehen, dass Herrn Kraus keine wie immer geartete materielle Leistungspflicht trifft, alsodie ganzen Kosten von der Gegenseite getragen werden.

Ich zeichne mit besten kollegialen GrüssenIhr ergebener Kollege

KrausHamburgerNachrichten25/9.29