131.6 Brief Samek an Kraus

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 23. August 1929
Betreff: Kraus – Tagebuch
Diktiersigle: Dr.S./Fa.

Empfänger

An: Herrn | Karl Kraus
Hotel Provence
Le Lavandou. (Var)
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kraus!

Von der Generalstaatsanwaltschaft beimLandgericht I Berlin erhalte ich folgende Verständigung:

Nach Prüfung des Sachverhaltes sehe ich mich zu einemstrafrechtlichen Einschreiten nicht in der Lage. Die Be-richtigungspflicht des § 11 des Reichspressegesetzes setztu.a. voraus, dass sich die Berichtigung lediglich auf tat-sächliche Angaben beschränkt. Hingegen besteht eine solchePflicht nicht, wenn, wie im vorliegenden Falle, die Be-richtigung neben tatsächlichen Angaben auch Aeusserungenkritischen Inhalts enthält und Behauptungen zu widerlegensucht. Eine derartige kritische Aeusserung liegt beispiels-weise schon in dem im 1. Absatz der Berichtigung enthaltenenSatze: ‚Ohne mit seinem Namen dafür hervortreten zu wollen!Von dem Inhalt dieses Bescheides bitte ich Herrn Kraus inKenntnis zu setzen.

Ich ersuche Sie, mir mitzuteilen, ob ich etwaanstössige Stellen nach diesem Gesichtspunkte eliminieren und dieBerichtigung neuerlich absenden soll, oder ob Sie unter diesenUmständen auf die Berichtigung verzichten wollen.

Ich bin mit ergebener VerehrungIhr

Betr. KrausTagebuchexp. 23.8.1929.