134.68 Erörterung betreffend den Unterschied zwischen Beschimpfung und Schmähung

Schreiberhände:

  • Oskar Samek, schwarze Tinte

Materialitätstyp:

  • Durchschlag
Datum: 15. Juli 1929
Seite von 4

Unterschied zwischen Beschimpfung und Schmähung.

Unsere Sprache kennt Worte, die ihrer Bedeutung nach Schimpf-worte sind, gleichzeitig aber den Vorwurf verächtlicher Eigen-schaften oder Gesinnungen beinhalten. Es ist nun nicht immerleicht zu entscheiden unter welcher Gesetzesstelle diese Wortezu subsumieren sind, ob sie unter die Sanktion des § 491 oderdes § 496 St.G. fallen. Eine genaue Abgrenzung ist hier über-haupt nicht möglich. Auch die Judikatur schwankt bei Ent-scheidung dieser Frage und nimmt auf die Umstände des Einzelfal-les Bedacht ohne eine abstrakte Regel aufzustellen, wann eineBeschimpfung und wann eine Schmähung vorliegt und ob ein Wortauf alle Fälle als Schimpfwort zu gelten hat, daher der Wahr-heitsbeweis unzulässig ist, oder ob die Erbringung des Wahrheits-beweises den Ausdruck rechtfertigen kann und den Täter straffreimacht.

Eine Beschimpfung liegt dann vor, wenn ein Schimpf-wort in der Absicht gebraucht wird Jemanden an seiner Ehre zuverletzen, also in beleidigender Absicht. Diese in einSchimpfwort gekleidete Schmähung hingegen enthält ein Werturteilüber die sittliche Person eines anderen. Schimpfworte sind nachdem Kommentar zum österr. Strafgesetz Ausdrücke durch die einerPerson unabhängig von einem bestimmten Verhalten im Einzelfallund unabhängig von einer durch entehrende Handlungensubstantiierbaren Eigenschaft oder Gesinnung Verachtung bezeigtwerden soll. Schmähung definiert der Kommentar als eine gegenden Charakter einer Person ohne Anführung bestimmter Tatsachenerhobene Anschuldigung, es habe jemand entehrende Handlungenbegangen oder sei wenigstens solcher Handlungen fähig. Werdenjedoch bestimmte Tatsachen oder wird ein bestimmtes Verhaltenangeführt, so liegt keine Schmähung mehr vor, sondern das Deliktdes § 488 St.G.

Wird eine Kritik in die Form eines Schimpfwortes ge-kleidet, so muss man untersuchen, ob die unter Beweis gestellteTatsache den Gebrauch des betreffenden Aus spruches druckes auch wirklichrechtfertigt. Ueberschreitet der Ausdruck eine die unzulässigeKritik, so liegt eine Beschimpfung vor, anderenfalls eineSchmähung. Es kann also derselbe Ausdruck sowohl den Tatbestanddes § 496 als auch den Tatbestand des § 491 St.G. bilden und zwarist letzteres dann der Fall, wenn er in Verbindung mit anderenTatsachen, als deren Folgerung gebraucht wurde. (Jedochohne Anführung einer bestimmten Tatsache.) Diese Ansicht vertritt dasJudikat 1933, das bezüglich des Ausdruckes „Stänker“ aus-spricht, dass dieser eine Schmähung darstelle, ohne Verbindungmit einem bestimmten Vorfall jedoch eine Beschimpfung sei.

Nach Ansicht Fingers und des Kommentars gibt es über-haupt keine Schimpfworte an sich, Tiernamen allerdings hältder Kommentar für Beschimpfungen schlechthin. Bei andern Schimpf-worten dagegen, wie: „Lügner, Betrüger, Einbrecher, Schuft“ u.s.w.kommt es darauf an, ob auf eine verächtliche Bedingung Gesinnung angespieltwerden soll oder nicht. Das Judikat 1870 sagt: „Es gibt Worte, dieunter allen Umständen als Beschimpfung nach § 496 anzusehen sindund zwar nach der Judikatur ‚Lump, Schuft, Gauner‘. Andere Aus-drücke vornehmlich dann, wenn sie ganz allgemein ohne Anlehnungan bestimmte Tatsachen gebraucht werden, obwohl sie einen kon-kreten schmähenden Inhalt haben, so die Ausdrücke ‚Lügner,Wucherer‘ u.s.w.“ und verlangt eine Untersuchung im Einzelfall.Dieselbe Ansicht bringt das Judikat 328 (Glaser, Unger) zum Aus-druck, nach welchem „Lügner“ nach allgemeinem Sprachgebrauchekein Schimpfwort bedeutet, sondern die unehrenhafte Eigenschaftabsichtlich die Unwahrheit zu sagen. Ebenso Judikat 1723, welchesden Ausdruck „Gauner“ als Schimpfwort bezeichnet, mit der Be-gründung, dieses Wort sei ein in ein Schimpfwort gekleidetes ab-straktes Urteil, bezüglich dessen sich mit Grund nicht sagen lässt,dass mit demselben nicht die Person des Anklägers sondern nurseine Handlungsweise bezeichnet werden sollte. Diese Erwägungschliesse die Möglichkeit der Unterstellung unter den Tatbestand

des § 491 St.G. aus.

„Haderlump“ ist nach Judikat 972 (Glaser, Unger) Be-schimpfung, ebenso „Ungläubiger“ nach Judikat 1345, „Verleumder“dagegen Schmähung (Judikat 779 (Glaser, Ungar)). In dem Vorwurf„der Niederträchtigkeit“ erblickt das Judikat 247 (Glaser,Unger) eine Beschimpfung, da darin ein abstraktes Urteil enthal-ten sei und der Ausdruck unbestimmte Praemissen voraussetze.Judikat 4089 K.H. sagt: „Betrüger“ kann ein Schimpfwort ansich sein. Diese Bedeutung tritt im Falle dieser Ausdruck tat-sächlichen Anführungen als sich hieraus ergebende Folgerungangereiht wird in dem Hintergrund. Jedoch wird hier meist derTatbestand des § 487 St.G. nicht 491 vorliegen. „Pharisäer“ist Schimpfwort (Judikat 1382), ebenso „schlechter Mensch“,ein Ausdruck durch welchen nach obigem Judikate nicht die Ge-sinnungsweise Handlungsweise und Gesinnung, sondern nur diePerson des Privatanklägers auf ehrverletzende Weise angegriffenw e i rde. Der Vorwurf, dass jemand mit einer eckelhaften Krankheitbehaftet sei, stellt nach Judikat 1263 nicht den Tatbestandeiner Beleidigung her, weil eine Krankheit ein Unglück sei.Zum Schlusse sei noch bemerkt, dass manche Worte allgemeinzwar als Schimpfworte gelten, diese Bedeutung jedoch im Einzel-falle verlieren, so z.B., wenn ein Mitglied einer Stammtisch-runde die sich Schmierfinke nennt, mit dem Ausdrucke „AlterSchmierfink“ angesprochen wird. (Kommentar). Hingegen könnenan und für sich neutrale Ausdrücke zu Schimpfworten werden,so wenn man jemandem in beleidigender Absicht einem Personen-kreise zuzählt, der, wenn auch nur in gewissen Kreisen undzu Unrecht unangesehen ist. Hierher gehören Ausdrücke wie:„Pfaffe, Jude, Roter, Hure, Winkelschreiber, Mistelbacher (fürWiener Sicherheitswachleute.) Ebenso muss es als Schimpfwortgelten, wenn jemand mit dem Familiennamen eines Verbrechersangesprochen wird, wenn dieser allgemein bekannt ist. (Z.B.Harmann).

Zusammenfassend kann also kurz Folgendes

als Richtlinie aufgestellt werden:Schmähung liegt dann vor, wenn ein Ausdruck Schimpfwort inVerbindung mit anderen Tatsachen oder als Folgerung anderer Tatsachensolcher Tatsachen, Gesinnungen oder Eigenschaftengebraucht wird u. daher eine Kritik der Persönlichkeitdes Privatanklägers bedeutet, Beschimpfung dagegenist ein abstrakt, für sich allein gebrauchtes Schimpf-wort. Auf alle Fälle ist jedoch auf die Umstände deskonkreten Falles Rücksicht zu nehmen.

KrausDr. Pisk