136.28 Schriftsatz in Sachen Die Fackel ./. Die Volksbühne (RA Otto Joseph an das Kammergericht Berlin, G.Z. 27. U. 1609.31)

Schreiberhände:

  • Botho Laserstein, schwarze Tinte
  • Karl Kraus, Bleistift

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Annotationen
Datum: 22. April 1931
Seite von 5

Abschrift

Berlin, den 22. April 1931

1/D.

An das Autobis 5 bis Kammergericht,Berlin.Am KleistparkII 398[Zeichnung]

In SachenVolksbühne gegen Fackel 27. U. 1609.31

wird in Ergänzung des diesseitigen Schriftsatzesvon 20.4.31 noch folgendes ausgeführt:

IZum Beweis dafür, dass die Parteiensich darüber einig waren, dass die ausschliess-liche Bestimmung, ob weitere Vorstellungen desWerkes „Die Unüberwindlichen“ stattfindensollen, dem Beklagten obliegen sollte, wirdnoch auf das Zeugnis von Frau Toni Mackeben,zu laden bei dem Beklagten, Bezug genommen.

IIDie Rüge gegen das landgerichtliche Urteil stützt sich auch darauf, dass die angetretenenBeweise nicht erhoben worden sind. Insbesondereist auf das Zeugnis des Rendanten Heidler dafür Bezug genommen, dass der Vorverkauf fürdie angesagte zweite Matinee trotz der starkenPropaganda , die entfaltet worden ist, so geringwar, dass Heidler als Vertreter der Wohlfahrtskassewelche die zweite Matinee veranlasst hatte,sich an den Beklagten wandte und bat, die Vor-stellung abzusetzen.

Beweis: Rendant Heidler, zu laden bei demBeklagten.

IIIDer Beklagte hat, nachdem recht beträcht-liche Aufwendungen für die Uraufführunggemacht worden sind, ein selbstverständlichesInteresse, diese Auslagen durch Aufführungendes Werkes zu amortisieren und das Werk gewinnbringend für sich und den Autor auszu-nutzen. Andererseits ist der Beklagte aber auch gehalten, die allgemein für jedenTheaterbetrieb geltenden Normen ordnungsge-mässer Geschäftsführung zu berücksichtigen.Da die Uraufführung des Werkeszunächst inForm einer Matinee“ nach dem unbestrittenenWillen der Parteien stattfand, musste dasLandgericht diesen für die Vertragsauslegungwichtigen Umstand, unter Berücksichtigungder in den massgebenden Kreisen herrschendenVerkehrssitte würdigen. Das Landgerichthat mit dem angefochtenen Urteil insoweitgegen § 286 ZPO. verstossen.

Nach dem bei sämtlichen Berliner Bühnenbestehenden Brauch findet eine Uraufführungnur dann als Matinee statt, wenn die Theater-vorstellung ihrer Struktur nach nicht inden Abendspielplan der betreffenden Bühnepasst. Das hier in Frage kommende Werk „DieUnüberwindlichen“ setzt zu seinem Verständ-nis die Kenntnis Österreichischer Verhält-nisse und in Österreich politisch und wirt-

schaftlich massgebender Persönlichkeitenvoraus. Diese Kenntnis fehlt aber dem Teilder Bevölkerung, der das Kontingent derVolksbühnenmitglieder stellt, und für diedas Werk durch die Aufnahme in den Abend-spielplan bestimmt sein würde. Mit dieserKenntnis entfällt auch das Interesse an demStück.

Das hat sich in prägnanter Weisebei der Ankündigung der zweiten Matinee ge-zeigt. Unter dem Eindruck der für denKläger besonders günstigen Theaterkritikenund mit Rücksicht auf die besondersattraktive Besetzung konnte angenommenwerden, dass dieses Stück umsomehr das Volks-bühnenpublikum zum Besuch der Vorstellungenanregen würde, als mit einer Aufnahme inden Abendspielplan noch nicht gerechnetwerden konnte; da von vornherein der Leitungdes Beklagten zweifelhaft erschien, ob dasWerk mit Rücksicht auf die stoffliche Eigen-art das Volksbühnenpublikum interessierenwerde, fand die Uraufführung zunächst inForm einer Matinee statt. Der Vorverkauffür die zweite Matinee zeigte das mangelndeInteresse des Volksbühnenpublikums und damitdas Misslingen des unternommenen Versuchs.

In sämtlichen Angelegenheiten, die dasTheater betreffen, hat naturgemäss jede

Entscheidung stark aleatorischen Charakter.Niemals ist vorauszusagen, ob ein Werk,welches zur Aufführung gelangt, auchtatsächlich Erfolg haben wird, der Theater-leiter ist mangels eines objektiven Masstabsausschliesslich auf sein Urteil angewiesen.Infolgedessen ist auch in den allgemeinenBestimmungen für den Geschäftsverkehrzwischen dem Deutschen Bühnen Verein, wel-chem auch der Beklagte angehört, und demVerband Deutscher Bühnenschriftstellerund Bühnenkomponisten E.V., sowie der Ver-einigung der Bühnenverleger E.V. und derKlägerin vereinbart, dass die Zusage einerbestimmten Anzahl von Aufführungen unzu-lässig ist. Der Theaterdirektor ist ohneweiteres berechtigt, ein Stück vom Spiel-plan abzusetzen, wenn er der Überzeugung ist,dass dieses Stück einen Erfolg nicht bringenwird.

Es wird auf das Gutachten des gericht-lichen Sachverständigen zum Beweise dafürBezug genommen, dass bei einem Werk, daszunächst als Matinee zur Aufführung gelangt,die Entscheidung, ob das Werk in den Abend-spielplan aufgonommen wird, der Verkehrs-sitte entsprechend, allein der Theater-leitung zusteht.

Der Umstand, dass der Bühnenleitung indem vorliegenden Verfahren das Aufführungs-

recht ausschliesslich für eine bestimmteZeit zustand, entspricht dem § 1 Abs. 8der Allgemeinen Bestimmungen für den Ge-schäftsverkehr. Dieser lautet wie folgt:Die Übertragung des Aufführungsrechtes zurAufführung bewirkt das ausschliessliche Auf-führungsrecht. Die Ausschliesslichkeit be-wirkt, dass das Stück an keiner anderen Bühnedes gleichen Ortes aufgeführt werden darf.

Joseph Rechtsanwalt.