147.8 Berufungsausführung von Josef Koller

Schreiberhände:

  • Oskar Samek, blauer Stift

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Annotationen
Datum: 2. Februar 1931
Seite von 11

1 U 8/31

An das

Strafbezirksgericht I.,Wien.

Josef Koller,Schriftleiter des „MorgenWien, IX.Canisiusgasse 8/10

durch:

Gegenstand: Berufungsausführung.

In obiger Sache wird die rechtzeitigerhobene Berufung puncto Nichtigkeit, Schuld undStrafe wie folgt ausgeführt:

I.) Durch den ergangenen Ausspruchüber die Frage, ob die mir zur Last fallendeTat eine zur Zuständigkeit der Gerichte gehöri-ge strafbare Handlung begründe, ist das Gesetzverletzt und unrichtig angewendet worden unddamit der Berufungs- bezw. Nichtigkeitsgrund der§§ 464, Z.1 und 468, Z.3(§ 281, Z.9a) St.P.O.

gegeben.

Die Anschauung des Erstgerichtes,daß die Verpflichtung be-standen habe, die gegenständliche Berichtigung zu veröffentlichen,ist rechtsirrig. Die Berichtigung entsprach in keinem ihrer Punktedem Gesetze und die Weigerung, sie zu veröffentlichen, war darumgerechtfertigt.

Zum 1. Berichtigungspunkte:

Die Berichtigung hat sich hier nicht etwa gegen die Richtig-keit der Tatsache gewendet, daß die Ehrenbeleidigungsklage desDr. Paul Amadäus Pisk den ihr im Artikel zugeschriebenen Inhalt ge-habt hat, sondern gegen die Richtigkeit von Tatsachen, die dieseKlage geltendgemacht hat. Das Erstgericht hält dies für zulässig,indem es meint, die beteiligte Person könne „alles berichtigen,was sie betrifft, und zwar ohne Unterschied, ob eine Tatsache vomArtikelverfasser oder von jemand anderem behauptet worden ist.Das Erstgericht geht mit dieser Argumentation fehl. Der gegenständ-lich rechtsentscheidende Gesichtspunkt ist hiebei übersehen.

Der Gegenstandsfall hat nicht das geringste mit den demErstgerichte offenbar vorschwebenden Fällen zu tun, in denen dieSache etwa so gelagert ist: ein Blatt A hat über einen Vorfallberichtet, das Blatt B übernimmt den Bericht als solchen und leitetihn mit einem kurzen Hinweis auf Entnahme aus dem Blatt A ein.Hier läßt sich der Standpunkt der Rechtslehre und der Judikatur,daß die Berichtigung auch gegenüber dem Blatte B bezüglich des Be-richtinhaltes möglich ist, aus dem Gesetze immerhin rechtfertigen.Denn § 23 P.G. gestattet die Berichtigung in der Zeitung „mitge-teilter Tatsachen“. Die Tatsache, die in derartigen Fällen denLesern mitgeteilt werden soll und mitgeteilt wird, ist nämlich nichtetwa der nebensächliche Umstand, daß das Blatt A den in Betrachtkommenden Bericht gebracht hat, sondern der Vorfall, der im Berichtbehandelt wird. In solchen Fällen wird zwar die Quelle genannt,aus der das Blatt B die Berichttatsachen übernommen hat, aber derGegenstand der eigentlichen Mitteilung, also „mitgeteilte Tatsachensind die den Inhalt des Berichtes selbst bildenden Vorfall-Tatsachen; darumist auch dieser gegenüber eine Berichtigung durch eine beteiligte

Person ohneweiteres zulässig.

Durchaus wesensverschieden hievon liegt jedoch der Fall, derzur Entscheidung steht. Nur die Verkennung dieser Wesensverschie-denheit konnte zu dem angefochtenen Fehlurteile führen.

Der vorliegende Artikel ist nach Form und Inhalt ein Ver-handlungsbericht. Er beginnt mit der Erwähnung der am Vortage statt-gefundenen Verhandlung über die Ehrenbeleidigungsklage des Dr.Paul Amadäus Pisk, gibt sodann den Inhalt der Klage wieder, sogarzu wiederholten Malen ausdrücklich durch die Worte „nach Inhaltder Klage“ und Verwendung des Wortes „soll“ die bloße Wiedergabedes Klageinhaltes besonders betonend, geht sodann – nach der Bemer-kung, daß „über diese Klage“ wiederholt Verhandlungen angeordnetwaren – dazu über, den Standpunkt des Beschuldigten im Ehrenbelei-digungsprozeß darzustellen und schildert nach dieser Darlegung denweiteren Verlauf der Verhandlung und ihr Ergebnis.

Um nun richtig rechtlich beurteilen zu können, in welcherRichtung eine Berichtigung gegenüber einem solchen Berichte vorge-nommen werden kann, ist es notwendig, die Frage zu stellen, was inihm „mitgeteilte Tatsache“ im Sinne des § 23 P.G. ist. Es kann wohlkeinem Zweifel unterliegen, daß ein nach Form und Inhalt als Ver-handlungsbericht gehaltener und als solcher erkennbarer Zeitungs-bericht nicht etwa die Tatsachen mitzuteilen bestimmt ist und mit-teilt, die den Gegenstand des Parteienvorbringens gebildet haben,vielmehr die Tatsache mitteilt, daß die Parteien dies oder jenesvorgebracht haben. „Mitgeteilte Tatsache“ im Sinne des § 23 P.G. ist also die Tatsache des Parteienvorbringens, nicht aber sind esdie Tatsachen, die den Inhalt des Parteienvorbringens gebildet haben.

Die von mir vertretene Auffassung findet in der Literaturdes österreichischen sowie des deutschen Preßrechtes wertvolleStütze. So hat Franz v. Liszt in seinem „Lehrbuch des österreichischenPreßrechts“ (S. 179) erklärt: „Was im Schoß der deutschen Reichs-tagskommission bezüglich der Kammerberichte ausgesprochen wurde,‚der § könnte nicht Anwendung finden auf wahrheitsgetreue Mitteil-

lungen von Kammerreden bezüglich der von den Rednern vorge-tragenen Tatsachen, denn hier seien nicht diese Tatsachen selbst,sondern nur die Kammerreden als solche Gegenstand der in der Druck-schrift gemachten Mitteilung.‘ – eine Ansicht, die von allen Seitengebilligt wurde – muß auf alle analogen Fälle Anwendung finden“.Und in dem gleichen Sinne nimmt die Literatur zum Begriffe der„mitgeteilten Tatsache“ für den Bereich des deutschen PreßrechtesStellung. So äußert sieh BernerLehrbuch des deutschen Preß-rechtes“ (S. 230) über die Entstehungsgeschichte unter Hinweisauf den Bericht der 7. Kommission des deutschen Reichstages 1874:Sie (die Reichstagskommission von 1874) war einstimmig der An-sicht, daß die wortgetreue Wiedergabe von Kammerverhandlungen, Ge-richtsverhandlungen usw. eine Berichtigungspflicht wegen darin ent-haltener angeblich unrichtiger Angaben nicht begründe.“ Auch Liszt „Das deutsche Preßrecht“ (S. 97) führt aus: „Wenn daher in einemParlamentsberichte die Behauptungen einzelner Abgeordneter alssolche wiedergegeben sind, so kann sich die Entgegnung nicht ge-gen die Behauptungen der Abgeordneten wenden, sie kann vielmehrlediglich bestreiten, daß der betreffende Abgeordnete die ihm inden Mund gelegten Behauptungen wirklich aufgestellt hat. DieImmunität der Parlamentsberichte hat mit diesem aus dem Begriffeder Entgegnung folgenden Satze nichts zu tun. Eben darum gilter auch in allen analogen Fällen „überall dort, wo die Presse Be-hauptungen anderer als deren Behauptungen, nicht als eigene wie-dergibt …

Das Erstgericht hat in seinem Urteile übersehen, daß diePrüfung der Frage, worin die „mitgeteilte Tatsache“ gelegen war,allein zu einer richtigen Entscheidung zu führen vermag. Bei einersolchen Prüfung hätte es aber zu der Feststellung gelangen müs-sen, daß Gegenstand der Mitteilung nicht die Tatsachen gebildethaben, die von der Klage behauptet wurden, sondern nur die Tatsache,daß die Klage diese Behauptungen aufgestellt hat. Eine Berichtigungwäre also nur etwa in der Richtung möglich gewesen, daß die Klage

nicht den angeführten, sondern einen anderen Inhalt gehabt hat,nicht aber dahin, daß die Behauptungen der Klage unwahr gewesensind.

Zu welchen vom Gesetze gewiß niemals gewollten Weiterungenes führen müßte, wenn der vom Erstgerichte vertretene Rechtsstand-punkt zum Durchbruche käme, läßt folgende Erwägung erkennen: Wärees wirklich zulässig, gegenüber einem Verhandlungsberichte Berich-tigungen in der Richtung vorzunehmen, wie dies gegenständlicherstinstanzlich für zulässig erachtet wurde, dann würde jede Zei-tung, die der berechtigten Interessenahme der Öffentlichkeit an denErscheinungen des Rechtslebens durch Veröffentlichung von Prozeß-berichten Rechnung trägt, Gefahr laufen müssen, zum Tummelplatzeabsonderlicher Berichtigungen zu werden. Da in jedem ZivilprozesseParteienbehauptungen gegen Parteienbehauptungen stehen, würde ge-genüber dem ihm geltenden Verhandlungsbericht jeder der beiden(oder mehr) Parteien die Möglichkeit eröffnet sein, die Wiedergabeder Behauptungen der jeweiligen Gegenpartei nicht etwa bloßdahin zu berichtigen, daß diese Wiedergabe unrichtig erfolgt ist,sondern dahin, daß diese Behauptungen unwahr seien. Ja noch mehr:wenn in dem Berichte der Inhalt einer Urteilsbegründung wiederge-geben war, könnte die Partei, der die als urteilsmäßig festgestelltberichteten Tatsachen nicht genehm sind, eine Berichtigung dahinentgegensetzen, daß die vom Gerichte, allenfalls sogar schon inrechtskräftigem Urteile, zugrundegelegten Tatsachen nicht wahrsind. Noch eindringlicher treten die Konsequenzen, die sich aus einerdem Erstgerichte folgenden Rechtspraxis ergeben müßten, zutage,wenn Berichte über strafgerichtliche Fälle in Erwägung gezogenwerden. Die vom Erstgerichte vertretene Auffassung würde zu demErgebnisse führen müssen, daß es jedem Angeklagten freigestellt wä-re, der Zeitung, die in einem Gerichtssaalberichte z.B. den Inhaltder staatsanwaltlichen Anklageschrift wiedergegeben hat, eine Be-richtigung aufzuzwingen, die nicht etwa behauptet, daß der Inhaltder Anklageschrift unrichtig gebracht sei, sondern – daß die Tat-

sachen, die die Anklage anführt, unwahr wären. Oder: jeder – auch derbereits rechtskräftig verurteilte – Angeklagte könnte einer Zeitung,die den Inhalt des gegen ihn gerichteten Urteiles mitteilt, eineBerichtigung zumuten, die nicht etwa die Richtigkeit der Wiedergabebetrifft, sondern die Unwahrheit der als Urteilsinhalt angeführtenTatsachen geltend macht. Die Eröffnung derartiger Möglichkeitenkonnte gewiß nicht in der Absicht des Gesetzgebers gelegen sein.

Sind aber die Folgerungen, zu denen die vom Erstgerichtedem § 23 P.G. gegebene Sinndeutung zwangsläufig führen muß, als vomGesetzgeber nicht gewollt abzulehnen, dann muß diese Auslegung Ab-lehnung finden, zumal wenn das unmöglich erscheinende Ergebnis durcheine andere Auslegung vermieden werden kann. Der Weg zu dieser an-deren allein rechtsrichtigen Auslegung ist freigelegt, wenn den Wor-ten „mitgeteilte Tatsache“ die rechtsentscheidende Bedeutung bei-gelegt und stets die Frage gestellt wird: was ist in dem zu berich-tigenden Artikel als Tatsache mitgeteilt worden.

Zu diesem rechtlichen Gesichtspunkte kommt überdies nochder folgende hinzu:

Der Gedanke, der dem Berichtigungszwange zugrundeliegt, istbekanntlich der Grundsatz „Audiatur et altera pars“. Nun ist diesemGrundsatze schon nach der Natur eines Verbandlungsberichtes ineinem solchen selbst Rechnung getragen. Es werden ja darin nicht bloßdie einseitigen Ausführungen der einen Partei, sondern auch die deranderen Partei dargestellt. Dies ist auch gegenständlich geschehen.Der Verhandlungsbericht führt ausdrücklich insbesondere an: „Er(der Verteidiger des Herrn Karl Kraus) erklärte, daß Karl Kraus dieÄußerungen, wie sie inkriminiert, nicht gemacht habe, daß Kraus indem Vertrage am 7. Juni zwar den Ausdruck ‚Schlieferl‘ gebrachthabe, jedoch sei es, zumal auch kein Name genannt wurde, nicht erkenn-bar gewesen, daß dieser Ausdruck sich auf den Privatkläger beziehenmüsse …

Der dem Gesetze zugrundeliegende Gedanke, daß auch der an-dere Teil zu Worte kommen soll, kommt gegenüber einem Verhandlungs-

bericht, soweit es sich um die von den Parteien behaupteten Tat-sachen handelt, überhaupt nicht in Betracht, da eben ein solcherBericht schon seinem Wesen nach diesem Grundgedanken Genüge tut.Eine Berichtigung käme da nur in Frage, wenn die Unrichtigkeit derDarstellung, die das Parteienvorbringen in der Zeitung gefunden hat,geltend gemacht würde.

Auch dem Privatankläger wäre also nur die Möglichkeitoffen gestanden, allenfalls die Darstellung seines (bezw. seinesVerteidigers) Vorbringens als unwahr zu berichtigen. Dann aberwäre von ihm nicht die im 1. Berichtigungspunkt berichtigte, son-dern die letztzitierte dieses Vorbringen betreffende Stelle („Ererklärte, daß Karl Kraus die Äußerungen …zu berichtigengewesen.

Auch damit sind jedoch die Gründe, welche die Weigerung,die Berichtigung zu veröffentlichen, als gerechtfertigt erscheinenlassen, noch nicht erschöpft.

In einer Berichtigung muß die Behauptung, die der Berich-tigende unwahr findet, bestimmt bezeichnet sein. An dieser Bestimmt-heit läßt es die Berichtigung in ihrem ersten Punkte fehlen.

Zum 2. Berichtigungspunkte:

Wenn auch nicht von so weitgehender prinzipieller Be-deutung wie die im 1. Berichtigungspunkte zur Erörterung gestellteFrage über den Gegenstand des Berichtigungszwanges gegenüberVerhandlungsberichten, so doch gleichfalls von einiger Wichtigkeitist die durch den zweiten Berichtigungspunkt aufgeworfene Frage.Ein Verhandlungsbericht unterrichtet den Leser in Umrissen überden Verlauf des Prozesses. Er bringt naturgemäß kein stenographisches,jedes im Gerichtssaal gesprochene Wort festhaltendes Protokoll. Ein sol-ches ist ja in der Regel nicht einmal das gerichtsordnungsmäßigaufgenommene Protokoll. Anspruch auf Vollständigkeit im Sinne derReproduzierung jeder im Prozeßverlaufe gemachten Äußerung kann aneinen Verhandlungsbericht nicht gestellt werden.

Diese Erwägungen lassen den Umfang des Berichtigungs-zwanges gegenüber einem solchen Berichte richtig abstecken. Wenn

etwa eine Tatsachenentstellung insoferne vorliegt, als ein Par-teienvorbringen geradezu entstellt wiedergegeben wurde, wird diebeteiligte Person berichtigend einschreiten können, nicht aber,wenn dieses Vorbringen zwar nicht vollständig, jedoch ohne Ent-stellung seines Sinnes wiedergegeben wurde. (Vgl.Swoboda, Komm.z. Preßgesetz S. 64)

Von einer solchen Entstellung kann gegenständlichnicht gesprochen werden. Wenn abkürzend berichtet wird, es sei derBeweis gestellt worden „daß der Privatankläger als Mitarbeitereiner sozialdemokratischen Zeitung auch für die Berliner Börse-zeitung, eine bürgerliche, mehr rechtsstehende Zeitung schreibe“,so ist dies eine durchaus zulässige, nicht sinnentstellende unddarum nicht berichtigungsfähige Abbreviatur für die in der Anti-these behauptete Äußerung, daß der Privatanklägerals Mitarbeitereiner sozialdemokratischen Zeitung auch Mitarbeiter der ‚BerlinerBörsenzeitung‘ ist, die auf der äußersten Rechten steht und gegendie Sozialdemokraten auftritt“.

Hiezu tritt in concreto noch folgendes: Der Privatan-kläger berichtigt, daß „laut vorliegendem Protokoll“ der Beweis-antrag wie in der Antithese angeführt, gelautet habe. Das Erstge-richt hält die Aufnahme der zitierten Worte für unerheblich, indemes „auf die geringe Zahl und den geringen Umfang dieser wenigenWorte“ verweist. Aber dieser Gesichtspunkt ist unzutreffend. Nachdem geltenden Preßgesetz ist der Umfang der Berichtigung voll-ständig bedeutungslos. Nur ihr Inhalt ist entscheidend.

Die Antithese mit der Anführung „laut beiliegendemProtokoll“ läßt zweierlei Auffassung zu. Sie könnte sagen wollen,der Protokollinhalt sei ein anderer als der in der These behaup-tete, oder aber sich bloß auf das Protokoll als beweisende Tatsa-che berufen wollen. In beiden Fällen wäre die Berichtigung jedochverfehlt. In dem Artikel war ja überhaupt nicht irgend ein Proto-kollinhalt behauptet. Der Privatankläger kann also auch nichteinen anderen Inhalt berichtigend entgegensetzen. Ist aber etwa in derBerichtigung auf den Protokollinhalt als beweisende Tatsache

verwiesen worden, dann durfte sie gleichfalls in ihr nicht Platz finden.(Vgl. Mager in Altmann-Jacob, Kommentar z. österr. Strafrecht S. 1318)

Zum 3. Berichtigungspunkte:

Auch in diesem Punkte erscheint die Berichtigung ausmehrfachen Gründen unzulässig. Der Artikel ist am 5. Dezember 1930erschienen. Wenn an der gegenständlichen Stelle des Artikels da-von gesprochen wird, daß sich Karl Kraus derzeit in Berlin be-findet, so ist dies auf den Erscheinungstag, den 5. Dezember, undnicht auf den 4. Dezember zu beziehen; zumal da ja die in diesemZusammenhang erwähnte Urteilszustellung am Verhandlungstage,am 4. Dezember gewiß nicht in Betracht kommen konnte. Es wirdalso, da die Behauptung des Artikels gar nicht auf den 4. Dezemberabgestellt ist, eine Tatsache berichtigt, die gar nicht behauptetwurde.

Des ferneren stellt der Privatankläger der Behauptung, daßsich Karl Kraus in Berlin befinde, die Behauptung entgegen, daßer einen Offenbach-Vortrag in Breslau gehalten habe. Auch hier istes vollständig bedeutungslos, ob es sich nur um einige wenige Wor-te handelt oder nicht, vielmehr ist der Inhalt allein als maßge-bend zu erachten. Nun ist es vor allem klar, daß die Behauptung,Karl Kraus habe an einem bestimmten Tag in Breslau einen Vortraggehalten, keine Antithese der Behauptung, er habe sich an diesemTage in Berlin befunden, bedeuten kann. Dies ergibt die Erwägung,daß er sich sehr wohl noch am Morgen des betreffenden Tages in Ber-lin befunden und am Abend desselben Tages in Breslau einen Vor-trag gehalten haben kann. These und Antithese stehen also zueinander weder in logischem noch tatsächlichen Gegensatze.

Dazu tritt aber auch hier folgender weitere für dieUnzulässigkeit der eingesandten Berichtigung sprechende Grund:Eine Berichtigung soll und darf nicht dazu dienen, eine Zeitungzu zwingen, über den Entgegnungszweck hinausgehende Tatsachenzu bringen, auf deren Veröffentlichung der Beteiligte aus anderen,nicht durch diesen Entgegnungszweck selbst bestimmten GründenWert legt. Der Privatankläger konnte die Berichtigung nicht dazu

benützen, die Zeitung zu einem Bericht darüber zu veranlassen,daß er einen Vortrag in Breslau gehalten hat.

Selbst wenn aber die Tatsache der Vortragsabhaltung alssogenannte „beweisende Tatsache“ angeführt wäre, hätte sie ausdem zum 2. Berichtigungspunkt angeführten Grunde in die Berichti-gung nicht aufgenommen werden dürfen. (Vgl. die dort zitierte Stel-le aus Mager.)

So stellt sich die Berichtigung in allen drei Punkten alsverfehlt dar, weshalb ihre Nichtveröffentlichung berechtigterweiseunterbleiben konnte. Hiezu würde es hinreichen, wenn die Berichti-gung auch nur in einem ihrer Punkte oder einem Teile dieser Punktenicht gesetzgemäß gehalten wäre.

II. Auch der Berufungsgrund wegen des Ausspruches über dieSchuld im Sinne des § 464, Z.2 St.P.O. ist gegeben.Die Stichhäl-tigkeit dieses Berufungsgrundes ergibt sich schon aus den Aus-führungen zu I, aus denen erhellt, daß schon objektiv keine Schuldvorliegt. Ich kann mich darum darauf beschränken, mich auf meinesämtlichen Ausführungen zu I zu beziehen.

III. Nur der juristisch formalen Vollständigkeit halber seischließlich noch zum Berufungsgrund pto. Strafe ausgeführt, daßwenn in irgend einem Falle so doch gegenständlich, selbst wennüberhaupt objektiv eine Verpflichtung zur Aufnahme der Berichti-gung hätte angenommen werden dürfen, bei der Vielfalt der bei mirbestandenen gegen ihre Zulässigkeit sprechenden Bedenken im Sinnedes § 24 Z 4 P.G. ein entschuldbarer Irrtum meinerseits hätteals gegeben betrachtet und von einer Strafe hätte abgesehen werdenmüssen.

Ich bin jedoch der festen Überzeugung, daß auch mit einerderartigen Abänderung in der Berufungsinstanz der Sache nicht dieihr gebührende Lösung gegeben wäre, diese vielmehr einzig und alleindarin liegen kann, daß ich freigesprochen werde und mir das Rechtzuerkannt wird, die auch die Verpflichtung zur Veröffentlichungaufhebende Entscheidung auf Kosten des Privatanklägers in der im

§ 23 P.G. festgesetzten Weise zu veröffentlichen.

Josef Koller.