154.4 Privatanklage von Karl Kraus gegen Arbeiter-Zeitung (verantw. Red. Oskar Pollak) wegen §§ 23, 24 Pr.G.

Schreiberhände:

  • Oskar Samek, schwarze Tinte

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Annotationen
Datum: 11. Februar 1931
Stempel: Strafbezirksgericht I
Seite von 4

11. Februar 1931.Dr.S/Fa.

An dasStrafbezirksgericht IWien.

Privatankläger: Karl Kraus, Schriftsteller in Wien III.,Hintere Zollamtstrasse Nr. 3,durch:Vollmacht ausgewiesen zu 1 U 3/31

Beschuldigter: Dr. Oskar Pollak, verantwortlicherRedakteur der „Arbeiter-Zeitung“ in Wien V.,Rechte Wienzeile Nr. 97,

wegen §§ 23, 24 Pr.G.

1 fach2 Beilagen

Privatanklage.

100 S.

In der Arbeiter-Zeitung vom 16. Jänner1931 erschien auf Seite 5 im Anhange zu den Meldungen derTagesneuigkeiten eine Notiz unter dem Titel „Eine Klage gegendie Berliner Volksbühne“. In diesem Artikel wurde über denProzess berichtet, den ich gegen die Berliner Volksbühne ange-strengt hatte, um die Aufführung des Werkes „Die Unüberwindlichen“ zu erzwingen. Die Volksbühne wurde auch verurteilt,das Stück in den Spielplan aufzunehmen. In der Notiz wurdennun die unrichtigen Tatsachen mitgeteilt, dass im Prozess be-hauptet worden war, das Stück sei aus Rücksichtnahme auf dieösterreichische Gesandtschaft und das Polizeipräsidium nichtin den Abendspielplan aufgenommen worden, während in Wahrheitlediglich behauptet worden war, dass die Volksbühne das Stück auf Intervention der österreichischen Gesandtschaft nicht inden Abendspielplan aufgenommen hat, ferner dass die Volksbühne,wie sie in ihrer Berufungsschrift begründen wird, das Stück deshalb nicht in den Abendspielplan aufnahm, weil bei der An-setzung für eine zweite Matinee die Beteiligung so gering war,dass die Aufführung nicht erfolgen konnte. Was speziell diesenPunkt betrifft, so wurde die Grösse der Beteiligung und das Vor-gehen der Volksbühne in dem Prozess, welchen ich gegen dieVolksbühne in Berlin angestrengt habe, beim Landgericht I inausführlichster Weise erörtert und der Richter kam zu dem ver-urteilenden Erkenntnis aus dem Grunde, weil die Volksbühne denKartenverkauf für die zweite Vorstellung vorzeitig eingestellthat. Es ist wohl überflüssig ausführlich darzulegen, dass etwas,was Gegenstand eines Beweisverfahrens vor einem Gerichtshofbildet, Tatsache und nicht Meinung ist und dass also der in der

Berichtigung dargestellte Sachverhalt die Tatsachensphärebetrifft. Der Gedanke wäre absurd, dass etwas was zur Verurtei-lung der Volksbühne geführt hat, Tatsachen die im Prozess selbstbereits vorgekommen sind und zur Genüge erörtert und widerlegtwurden, unter dem Scheine neuer Tatsachen von den journalisti-schen Helfern der Volksbühne publiziert werden, und es mussdaher möglich sein, diesen behaupteten Tatsachen die der Wahr-heit entsprechenden gegenteiligen Tatsachen entsprechend demVerhandlungsprotokoll entgegenzustellen.

Ich habe daher dem Beschuldigten durchmeinen Anwalt am 6. Februar 1931 eine Berichtigung zugeschickt,die ihm am 7. Februar 1931 zugestellt wurde. Die Berichtigungwurde nicht veröffentlicht.

Beweis: Die Nummer der Arbeiter-Zeitung vom 6.Februar 1931.

Ich stelle durch meinen zur G.Z. 1 U 3/31bereits ausgewiesenen Anwalt folgende

Anträge:1.) Anberaumung einer Hauptverhandlung;2.) Ladung des Beschuldigten;3.) Verlesung des Berichtigungsschreibens und der vorgelegtenZeitungsnummer;4.) Bestrafung des Beschuldigten und Erkenntnis auf Veröffent-lichung der Berichtigung;5.) Verpflichtung des Beschuldigten und zur ungeteilten Handmit ihm des Eigentümers sozialdemokratische Arbeiter-ParteiDeutschösterreichs, des Verlegers und Herausgebers Verlag derArbeiter-Zeitung: Dr. Adler-Emmerling, sämtliche in Wien V.,Rechte Wienzeile Nr. 97 zum Ersatz der Verfahrenskosten.

Karl Kraus.

KrausArb. Ztg. IX.