158.7 Brief Heinrich Fischer an Hans Curiel
Materialitätstyp:
- Durchschlag
Schreiberhände:
- schwarze Tinte
Sender
Heinrich FischerSchottenring
Berlin
Empfänger
An: Herrn | Dr. CurielOper am Platz der Republik
Berlin
Sehr geehrter Herr Doktor!
Eine Krankheit, die mich acht Tage ans Bett fesselte,hat mich bis heute verhindert, diesen Brief abzusenden.
Von Herrn Dr. Laserstein erfahre ich, Sie hätten seinenVorschlag, mich als Zeugen zu dem zwischen Herrn Karl Kraus und Ihnen geplanten Gespräch zu wählen, mit doppelter Be-gründung abgelehnt: zunächst, weil ich im Vollmachtsnamenvon Herrn Kraus einen Brief unterzeichnet habe, dessen eineStelle für Sie so beleidigend sei, dass Sie sich eine Ehren-beleidigungsklage vorbehielten, dann aber, weil ich HerrnKarl Kraus „hündisch ergeben“ sei.
Ich empfinde die Zuerkennung grosser Ergebenheit fürHerrn Karl Kraus als das Gegenteil einer Ehrenbeleidigungund möchte sie nicht durch den Vergleich mit der Abhängigkeiteines Staatstheaterbeamten entwerten (die sich in tausendRücksichtnahmen auf Presse, Behörden, Vorgesetzte etc. mani-festiert), behalte mir aber meinerseits wegen des freundli-chen Epithetons die Ehrenbeleidigungsklage vor.
Was nun aber den Vorwurf betrifft, ich hätte Sie durchden Satz, Sie wollten der Presse in dem Punkte der Stricheentgegenkommen, beleidigt, so erkläre ich aus ehrlichsterUeberzeugung, dass mir bei meiner Formulierung der animusiniurandi völlig gefehlt hat. Wie konnte ich annehmen, dassSie eine solche Feststellung kränken werde. Aus dem bemer-kenswerten und vielbemerkten Entgegenkommen, das Ihre „Blät-ter der Staatsoper“ bei der Redaktion des Benjamin-Aufsatzes der Presse bewiesen haben, indem sie sozusagen aus freienStücken der Presse den Strich einer für sie wichtigen Stellekonzedierten und den gefährlichen Namen Kerr in einer heim-lichen Strichprobe entfernten, musste ich annehmen, dass Siesich keineswegs scheuen, offen zu bekennen, wem Ihre Sympa-thien und Ihr Autoritätsglaube gehören.
Dass man Sie nach Ausmerzung jenes Namens, aber auchnach Ihrer sonst bewiesenen Stellungnahme mit der Vermutungeiner presskonzilianten Haltung kränken würde, war nichtanzunehmen. Hochachtungsvoll
Kraus – Krolloper