158.18 Brief [Memorandum] von Samek/Kraus und Heinrich Fischer an Cornelis Bronsgeest

Materialitätstyp:

  • Durchschlag mit handschriftlichen Überarbeitungen
  • Durchschlag mit handschriftlichen Annotationen

Schreiberhände:

  • Frieda Wacha, Bleistift
  • Oskar Samek, schwarze Tinte

Sender

Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 18.VI.1931

Empfänger

An: Herrn Kammersänger | Cornelis van Bronsgeest
Masurenallee
Berlin-Charlottenburg 9
Seite von 13

auf Papier Dr. S. geschrieben am 18.VI.31

Hochgeehrter Herr!

Der Herr Generalintendant der preußischen Staatsthea-ter hat den Wunsch geäußert, von Herrn Karl Kraus in einer per-sönlichen Unterredung, die am 28. Mai in Berlin geplant war,Aufschlüsse über die Erlebnisse und Erfahrungen zu erlangen, diedieser in der Zeit zwischen der Erwerbung der „Perichole“ durchdie Staatsoper am Platz der Republik und den ersten Aufführungengesammelt hat. Die Unterredung fand leider nicht statt,da der Herr Generalintendant wegen der Bühnenvereinssitzungen esim letzten Augenblick doch nicht ermöglichen konnte, zu derZusammenkunft mit Ihnen und Herrn Karl Kraus zu erscheinen, undes erfolgte zwischen dem Herrn Generalintendanten und Ihnen wieHerrn Kraus die Einigung, respektive Zusage, daß er, sobald esseine Zeit zuließe, eine umfassende schriftliche Darstellung derVorfälle an Ihre Adresse zur Information des Herrn Generalinten-danten gelangen lassen werde. Diese Darstellung gibt er nunmehrdurch mich als seinen mit sämtlichen Vertragsabschlüssen beauf-tragten Vertrauensmann, der hier umso eher berechtigt ist, dasWort für ihn zu führen, als die Angelegenheit derzeit mit demAnspruch auf das Honorar für die vertraglich abgemachte Wort-regie verknüpft erscheint. Wenn Herr Karl Kraus, der ja, da dasvon der Leitung der Krolloper angedrohte Übel einer rechtswid-rigen Vornahme von Strichen abgewendet wurde, keinen Grund mehrund keine Initiative zu einer Beschwerdeführung hatte, denWunsch des Herrn Generalintendanten richtig verstanden hat, solag diesem wohl vor allem daran, von Herrn Kraus Aufklärung überdie Wahrheitsliebe direktorialer Faktoren zu erlangen, die schonin der Frage der Striche die Generalintendanz über das Verhaltendes Textautors wahrheitswidrig informiert haben. Der Auffassung,daß eine Überprüfung der Glaubwürdigkeit gewünscht werde, scheintfreilich der nunmehr von der Generalintendanz an den BerlinerRechtsvertreter des Herrn Kraus ergangenen Bescheid in dem Punk-te zu widersprechen, daß die Abweisung des Anspruchs auf ein Ho-norar für die Wortregie gerade unter Hinweis auf die Aussageeiner Seite erfolgt, über deren Glaubwürdigkeit sich doch derHerr Generalintendant erst bei Herrn Kraus unterrichten wollte.Dieser nimmt aber umso eher an, daß es sich hier bloß um eineamtliche Formalität handelt, als ja der Schluß desselben Schrei-bens gerade die Hoffnung auch auf „Klärung dieses Tatbestandes“durch die geplante „Rücksprache mit dem Herrn Generalintendantenenthält. Diese Hoffnung ist, wenngleich der Versuch einer Klärungnunmehr der schriftlichen Darlegung vorbehalten wurde, keineswegsunberechtigt, und in diesem Sinne hat ja auch der BerlinerRechtsanwalt unter Aufrechthaltung des Anspruchs dem Stellver-treter des Herrn Generalintendanten geantwortet.

Die schriftliche Darlegung soll mit der Behauptung eröffnet werden, daß es sich in der ganzen Angelegenheit der „Peri-chole“ sowohl in der Frage des Autorrechts wie des Anspruchs aufdie Wortregie und das ihr gebührende Honorar um die krassesteVerkehrung von Sachverhalten handelt, die im Umgang zwischen einemAutor und einer Theaterleitung jemals vorgekommen sein dürfte. Vor-weg sei festgestellt, daß sich Herr Karl Kraus niemals um die An-bringung des von ihm übersetzten und bearbeiteten Werkes an diesemoder einem anderen Theater bemüht oder beworben hat. Die Auffin-dung und Rettung des Werkes ist von ihm als Vortragenden des Podi-ums für seinen spezifischen Zweck und für eine Wirkung unternommenworden, deren er beiweitem sicherer sein kann als selbst durch diebeste Aufführung, die sich unter seiner unbehinderten Mitarbeitvollzöge, deren Garantie selbstverständlich die unerläßliche Be-dingung der Überlassung des Werkes an die Krolloper war. Eines Ta-ges trat ein Wiener Freund an Herrn Karl Kraus heran, mit dem durchHerrn Dr. Camill Hoffmann, Legationsrat der Berliner tschechoslo-wakischen Gesandtschaft (der als Zeuge für alle Abmachungen zurVerfügung steht) übermittelten Wunsche der Krolloper, d.h. desHerrn Direktors Curjel, eine der Offenbach-Bearbeitungen von KarlKraus aufzuführen. Es handle sich, hieß es, vor allem um dieGroßherzogin von Gerolstein“, eventuell aber auch um eine derneuen Bearbeitungen („Perichole“, „Madame l’Archiduc“). Diese –mit den im Druck vorliegenden deutschen Texten – gehören dem Büh-nenvertrieb der Universal-Edition zu, jene liegt nur im Vortrags-manuskript vor. Es wurde durch den Mittelsmann (Dr. Ludwig Münz)Herrn Dr. Camill Hoffmann, der eindringlich versicherte, daß HerrCurjel gerade nach einem von Herrn Karl Kraus bearbeiteten Offen-bach begehre, schriftlich wie telephonisch geantwortet, daß ersich zwar nicht für berechtigt halte, einem Theater die Gelegen-heit zu der Mitwirkung an der von ihm propagierten Offenbach-Re-naissance zu versagen, daß aber bei der Krolloper zunächstein sozusagen gesellschaftliches Hindernis vorliege, nämlich fürden Fall, daß Herr Generalmusikdirektor Klemperer etwas mit derAufführung zu schaffen hätte. Wohl dürfe man eine künstlerischeAngelegenheit an dergleichen nicht scheitern lassen, es sei aberdoch unerläßlich, daß jenes Hindernis, das sich für ein künstleri-sches Zusammenarbeiten ergebe, beseitigt werde. Herr Curjel er-teilte die Versicherung, daß, abgesehen davon, daß nicht HerrKlemperer, sondern Herr Zweig als Dirigent ausersehen sei, dasHindernis unschwer beseitigt würde, welches ihm ja als dem Zeugeneiner unerquicklichen Szene, die sich im Hause des KomponistenWeill zugetragen hatte, wohl bekannt war. Der damals unter andereneingeladene Herr Generalmusikdirektor hatte in der Gesellschaft,vor der Herr Karl Kraus für eine am Schiffbauerdammtheater geplan-te Aufführung von OffenbachsBriganten“ deren ersten Akt vortrug,eine Fortsetzung des Vortrags vereitelt, da er während dessen dieAufmerksamkeit auf sich durch allerlei Spässe ablenkte, die keineBeziehung zum Inhalt des Kunstwerkes hatten, wie z.B. dadurch,daß er eine Zündholzschachtel abwechselnd auf die Häupter seinerSitznachbarinnen legte. Die Angelegenheit wurde damals durch eineenergische schriftliche Erklärung des Mitdirektors vom Schiffbauer-dammtheater, Schriftstellers Heinrich Fischer erledigt, aber dieErinnerung an die von Herrn Generalmusikdirektor Klemperer zurSchau getragene Beziehung zu Offenbach und dessen Bearbeiter schiendiesem nicht gerade danach angetan, eine Fortsetzung im Hause derKrolloper wünschenswert erscheinen zu lassen. Es sei hier vorweg-genommen, daß der Herr Generalmusikdirektor, als die Verbindung

des Herrn Karl Kraus mit dieser tatsächlich zustandekam, in allerForm und durchaus würdig die Ausschreitung seiner damaligen gutenLaune entschuldigt, ja späterhin sogar durch die exzessive Be-geisterung für „Perichole“ – fast bis zur Störung der Mitarbeit ander Generalprobe – wettgemacht hat. Die Erinnerung an den aus derWelt geschafften Vorfall ist hier bloß aus dem Grunde unerläßlich,weil ein vollständiges Bild der Beziehungen des Herrn Karl Kraus zu den leitenden Stellen der Krolloper gegeben werden muß. HerrCurjel hatte also vorweg zugesichert, daß der Zwischenfall seineentsprechende Erledigung finden werde und diese Zusage ist auch –nachdem Herr Kraus im Beisein des Generalmusikdirektors grußlos anzwei Korrepetitionsproben der „Perichole“ teilgenommen hatte – er-füllt worden, indem jener eine zufriedenstellende Erklärung abgab.Was nun den Wunsch anlangt, die „Großherzogin von Gerolstein“ auf-zuführen, so hatte Herr Kraus sofort erklärt, daß er ihm die Er-füllung versagen müsse, weil ihr Text wie wenige andere der Offen-bach-Bücher an den spezifischen Stil gebunden sei, den nur derBearbeiter selbst den Mitwirkenden, zumal Opernkräften, vermittelnkönnte; sein Anteil an der vorliegenden Fassung sei aber doch einzu geringer, um ihm eine mehrwöchige Entfernung von seiner WienerBerufsarbeit, die wohl unerläßlich wäre, zu gestatten. Wenn jenespersönliche Hindernis beseitigt wäre, hätte er gegen eine Auffüh-rung der „Perichole“ oder der „Madame l’Archiduc“ nichts einzuwen-den, hier wurde er für eine intensive Wortregie, die freilich dieBedingung wäre, kaum mehr als acht bis zehn Tage brauchen, wenn erden ihm geeignet scheinenden Bewegungsregisseur zur Verfügung hät-te. Als Herr Karl Kraus bald darauf – für die gewohnte Wortregieim Rundfunk – nach Berlin kam, fragte Herr Curjel bei LegationsratDr. Hoffmann an, ob sich eine Zusammenkunft mit Herrn Kraus ermög-lichen ließe. Diese fand im Café Friediger statt. Herr Curjel hör-te noch einmal alle bereits durch Dr. Hoffmann mitgeteilten Argu-mente, die gegen die Verbindung mit der Krolloper und insbesonderegegen eine Aufführung der „Großherzogin von Gerolstein“ sprächen.Es wurde ihm ausdrücklich gesagt, daß Herrn Karl Kraus an keinerBühnenaufführung etwas gelegen sei, daß er – auch wenn es sich umPerichole“ oder „Madame l’Archiduc“ handeln sollte – die unge-heure Mühe und den Nervenverbrauch durch seine Mitarbeit nur dannan das Unternehmen wenden könne, wenn alle seine Wünsche für Regieund Besetzung erfüllt würden, und daß seine eigene Wortregie dieunumgängliche Bedingung sei. Herr Curjel sagte mit denkbar voll-kommenster Ergebenheit jegliche Erfüllung zu und versicherte, daßer nichts sehnlicher wünsche als an der Offenbach-Renaissance ganzin dem Sinne des Mannes, der sie seit Jahren propagiert, mitwirkenzu können. Das gesellschaftliche Moment werde unschwer bereinigtwerden, Wortregie des Bearbeiters verstehe sich von selbst, geradedas wolle man ja, Bestimmung des Regisseurs sei ausschließlichSache des Herrn Karl Kraus – er schlage Herrn Forster-Larrinaga vor –, und die Wahl von „Perichole“ (oder „Madame l’Archiduc“) seisicher, wenn die „Großherzogin“, von der sich namentlich Herr Klem-perer eine populäre Wirkung verspreche, nicht zu bekommen sei. HerrKraus nahm bald darauf, als die „Perichole“ bei der Universal-Edi-tion erworben war, an Korrepetitionsproben teil und führte selbstän-dig, ehe noch der Regisseur bestimmt war, etliche Dialogproben (mitdrei Hauptdarstellern) durch – ein Umstand, der allein schon dem„Standpunkt der Opernleitung“ widerspricht, daß sich „seine Mitar-beit in den bei Autoren üblichen Grenzen gehalten“ habe. Er solltenunmehr Herrn Forster-Larrinagas Eignung – mit dem, wie versichertwurde, alles, vorbehaltlich der Genehmigung durch Herrn Kraus,

bereits abgemacht sei – in persönlicher Aussprache begutachten.Herr Forster-Larrinaga wurde ins Café Friediger bestellt und zwarvon Herrn Curjel, der sich dort wegen des etwaigen definitivenAbschlusses gleichfalls einfinden sollte. Herr Curjel kam nicht;Herr Kraus hielt Herrn Forster-Larrinaga einen dreistündigen Vor-trag über und vor allem aus Perichole – mit Rezitation großerPartien –, dessen Ende seine Erklärung war, daß er den Eindruckhabe, Herr Forster-Larrinaga zeige großes Verständnis für den beiOffenbach erforderlichen Darstellungsstil, und daß ja nunmehr dieSache eigentlich abgemacht sei. Zu seinem Erstaunen erklärte aberHerr Forster-Larrinaga, die Krolloper habe überhaupt nichts mitihm abgemacht, ihn bloß zu der Zusammenkunft mit den Herren Kraus und Curjel gebeten, er wisse ja auch noch gar nicht, ob er voneiner andern Regieverpflichtung loskommen könne. Herr Kraus such-te an diesem Abend vergebens Herrn Curjel zu erreichen, der zwarvon einem Klemperer-Konzert öfter ins Bureau kam, aber bloß durcheinen Beamten sagen ließ, daß er nicht ans Telephon kommen könne,er habe sein Nichterscheinen ja mitteilen lassen, wovon freilichHerr Kraus nicht das Geringste erfahren hatte. Endlich gelang es,durch Vermittlung des Herrn Zweig, Herrn Curjel zu erreichen, dernachts Herrn Kraus anrief und versicherte, daß nunmehr alles jain Ordnung sei. Das Definitive (über den Vertragsabschluß mitHerrn Forster-Larrinaga) werde am nächsten Mittag, da er selbstbei einer Probe sein werde, ein Herr von Naso Herrn Kraus tele-phonisch bekanntgeben. Herr v. Naso gab gar nichts bekannt, eswar auch niemand von den Herren zu erreichen und am Abend erfuhrHerr Kraus durch Herrn Zweig, daß es leider mit Forster-Larrinaga nicht gehen werde, da er zu hohe materielle Ansprüche stelle.Herr Kraus stellte fest, daß man – ganz abgesehen von dem soveränderten Betragen des Herrn Curjel – seine Zeit und Arbeit(durch den unnützen Vortrag fast des ganzen Werkes etc.) vergeu-det hatte. Herr Zweig, der die Unzukömmlichkeit einsah und be-dauerte, sicherte zu, alle weiteren Vorschläge telephonisch nachWien zu leiten, Herr Kraus, dem die ausschließliche Entscheidungüber die Frage des Regisseurs bleibe, könne beruhigt nach Wien zurückkehren. Der Beginn der Wortregietätigkeit wurde in diesemGespräch schon für den 9. März festgesetzt, in dem Bewußtseindes Umstandes, daß Herr Kraus wegen seiner Breslauer Verpflich-tungen fast eine Woche den Proben fernbleiben werde. (Wie bewußtdabei allen Beteiligten war, daß er Wortregisseur sei und alssolcher Einfluß auf die Besetzung hatte, geht daraus hervor,daß in Breslau telegraphisch sein Votum wegen der Besetzung des„Alten Gefangenen“ eingeholt wurde.) Als Herr Kraus wieder inWien war, erfuhr er indirekt – durch telephonischen Anruf einesBerliner Bekannten – daß inzwischen allerlei Verbindungen mitRegisseuren angeknüpft worden seien und daß man nunmehr wissenmöchte, ob er mit der Wahl des Herrn Hinrich einverstanden wäre.Er bat, Herrn Direktor Heinrich Fischer zu befragen, und dadieser die Wahl guthieß, so war Herr Kraus einverstanden. (Nochin Berlin war einmal die Rede davon gewesen, daß das Honorarfür die Wortregie von dem Honorar des Regisseurs „in Abzug ge-bracht“ würde. Von der Höhe des Honorars war tatsächlich nie dieRede gewesen, aber die Vorstellung, daß, weil Herr Kraus es un-terließ davon zu sprechen, der Anspruch als solcher getilgt wäre,würde wohl dem primitivsten Begriff von Sauberkeit widerstreiten.Herr Kraus mußte annehmen, daß man sich da zu gegebener Zeitnach dem Usus bei der Funk-Stunde, wo er ja wiederholt neben demRegisseur Wortregie geführt hat, richten werde.) Später ließHerr Zweig Herrn Kraus telephonisch mitteilen, daß, wenn ernicht ohnedies früher (bei der Funk-Stunde) in Berlin zu tun

hätte, seine Anwesenheit bei den Proben wegen Verschiebung der Premiere erst am 12. März notwen-dig sei. Herr Kraus traf nun tatsächlich am 12. März zur Probeein. Herr Hinrich – mit dem er sich später, nach erfolgter Auf-klärung, durchaus verstand – war offenbar nicht eingeweiht, daßHerr Kraus in Sachen Offenbach über den normalen Anteil einesTextautors dreinzureden hätte, und bat ihn, ihn vorerst zu Endearrangieren zu lassen. Wenn er von Breslau, wo er fünf Vorträgezu absolvieren hatte und von wo er gemäß der Abmachung am19. März früh zurückkehren sollte, zur Probe erscheine, werde dasArrangement fertig sein und er beliebig eingreifen können. (Essei wiederholt betont, daß die fünf Tage für Breslau vorweg be-rücksichtigt waren: Herr Kraus sollte am 12. und 13. und vom 19.bis zur Generalprobe Wortregie führen.) Herrn Kraus erschiendiese Verheißung einen bedenklichen Widerspruch in sich zu ent-halten, da, wie es sich nachträglich und leider zu spät heraus-stellte, die dialogische Gestaltung von Fragen des Arrangementsnicht durchaus zu trennen war und an einer entscheidenden Wen-dung sein eingreifender Rat unerläßlich gewesen wäre. Gleichwohlhatte er, im Vertrauen auf die Fähigkeiten des Herrn Hinrich,dessen Wunsch erfüllt und sich am 12. und 13., im Anfangs-stadium, von den Proben ferngehalten. Am 19. stellte sich heraus,daß das Arrangement noch nicht ganz beendet war, und Herr Kraus wollte darüber, daß man ihn nicht rechtzeitig benachrichtigthatte – er war nach einer anstrengenden Vorlesung die Nacht durchvon Breslau gereist und ohne geschlafen zu haben am 19. zur Probegekommen –, Herrn Curjel Vorstellungen machen wie auch nachträg-lich über den Verdruß mit Herrn Forster-Larrinaga, über denHerr Curjel, selbst erst nach Berlin rückgekehrt, noch eine Auf-klärung schuldig war. Er wollte Herrn Curjel aber vor allem aus-einandersetzen, daß mit aller Anerkennung der Leistung Hinrichs (der auch von dem Breslauer Vortrag der „Perichole“, zu dem erin dankenswerter Weise gereist war, manchen Eindruck gut über-tragen hatte) es schon nach einem flüchtigen Blick auf das Arrange-ment ihm bedenklich scheine, daß man seinen Rat nicht eingeholthatte. Denn nun war Wesentliches irreparabel und die stärksteSzene des Werkes, der grandios gesteigerte Rausch vor dem Finaledes I. Aktes, mußte an einer falschen Architektonik der Szene,die den Dialog lahmlegte, scheitern. Manches konnte noch abge-stellt oder verbessert werden, vieles war, wenn der Termin derErstaufführung eingehalten werden mußte, verloren, und es warvorauszusehen, daß theaterfremde Urteiler, also die Berufskritik,die Tempoverschleppung, die sich nicht immer durch die Schuldder Sprecher, sondern auch durch technisches Verschulden ergab,dem Text anlasten würden. Herr Curjel schien bei solchen Vor-haltungen, die doch dem ursprünglich erkannten gemeinsamen Zweck,Offenbach zu dienen, vollauf entsprachen, total verändert, undals die Frage darauf kam, wann denn nun die eigentliche Wortregieeinsetzen würde, die ja noch viel gutzumachen habe, meinte er,dafür werde sich schon noch Zeit finden. Es fand dann noch eineeinzige Auseinandersetzung zwischen Herrn Kraus und ihm statt,im Büro des Herrn Curjel – auf einer Probe war er nicht zu se-hen –, und dabei fiel das Wort des Herrn Kraus, der für den Textdie größte Besorgnis äußerte: daß er „für ein Komma über Leichenschreite“. Diesen drastischen Ausdruck höchsten künstlerischenVerantwortungsgefühls, der wohl kaum als eine persönliche Be-drohung des Herrn Curjel aufzufassen war, hat er später zum An-laß genommen, dem Berliner Rechtsvertreter des Herrn Kraus zubeteuern, eine Zusammenarbeit sei ja unmöglich gewesen, daHerr Kraus ihn „auf den Proben“ – bei denen Herr Curjel keineSekunde lang zu sehen war – „bis aufs Blut sekkiert“ habe. Diese

eine längere Auseinandersetzung ergab auch das folgende über-raschende Resultat. Herr Kraus äußerte die Wahrnehmung, daß aufder Affiche sein immerhin nicht unerheblicher Anteil an dem Werk,um dessen Erwerbung sich Herr Curjel so enthusiastisch bemühthatte, unauffälliger als der sämtlicher Mitwirkender bis zumDekorateur verzeichnet war. Herr Kraus bemerkte dazu, daß ihmdies ja vollkommen gleichgültig sei, am liebsten wäre ihm – wo-rum er bitten möchte – die Weglassung seines Namens, da er jadoch nunmehr schon befürchten müsse, daß seine Intentionen nichterfüllt würden; aber er meine, es bezeichne immerhin, daß dieKrolloper bestrebt sei, entgegen aller Bewerbung um Herrn Kraus,entgegen allen Zusagen und Abmachungen, seinen Anteil möglichstgeringfügig erscheinen zu lassen und sich mit ihm nur, soweites eben autorrechtlich unerläßlich sei, zu affichieren; auch da-von möchte er sie entheben. Wenn aber dieser Eindruck, dessenBewirkung Herr Curjel auf den graphischen Zufall schob, unstich-haltig sei und nunmehr mit der Wortregie Ernst gemacht werde,so sei es wichtig, daß auf dem Programm – dessen Textierung ebenHerr Curjel mit ihm besprechen wollte – der Anteil des Wortregis-seurs ausdrücklich vermerkt werde, nicht um ihm die ihm gebühren-de Ehre zu erweisen, sondern um – wenn wirklich die Wortregienoch heilsam eingreifen könnte – zum Nutzen der Aufführung aus-zudrücken, daß es eine sei, die im Gegensatz zu allen von HerrnKarl Kraus in Wort und Tat bekämpften Offenbach-Schändungen ein-mal dem Gedanken der Offenbach-Renaissance, wie er sie propa-giert, Ehre mache. „Ja, das freilich wird nicht gehen“, erwiderteHerr Curjel; denn das würde sich Herr Hinrich (der zum erstenmalOpernregie führe und für den dann ja nichts übrig bleibe, wennein anderer neben ihm als Wortregisseur angeführt ist) nicht ge-fallen lassen. Herr Kraus ersuchte, die Entscheidung des HerrnFischer, der mit Herrn Hinrich befreundet sei und ihn doch emp-fohlen habe, anzurufen, womit Herr Curjel einverstanden schien.(Auch da gab es noch allerlei Zwischenfälle, ehe er mitteilenkonnte, daß er Herrn Fischer erreicht habe.) Zunächst wurde HerrHinrich ins Büro gebeten, der bei dieser Gelegenheit maßlos er-staunt war, zum erstenmal zu erfahren, daß Herr Kraus als Wort-regisseur eingesetzt sei. War es demnach schon hinreichend klar,daß man Herrn Hinrich eine so wesentliche Sache, die ja gewißeine Einschränkung seiner Befugnisse bedeutete, einfach verschwiegen hatte – offenbar, um ihn überhaupt als Regisseur zugewinnen, während sich Herr Forster-Larrinaga im Vorhinein miteiner Wortregie Karl Kraus einverstanden erklärte –, so konntenun mit analogem Staunen Herr Kraus die Enthüllung vernehmen,mit ihm, Hinrich, sei ein Kontrakt geschlossen worden, wonacher in allen sich etwa ergebenden Meinungsverschiedenheiten mitdem Textautor die oberste Entscheidung hätte. Herr Hinrich er-fuhr mit Staunen, daß es neben ihm einen Wortregisseur gebe –Herr Kraus mußte glauben, daß er das längst wisse, und hatte ihmgleichwohl die Konzession gemacht, sich vom Arrangement fernzu-halten –, und Herr Kraus erfuhr mit Staunen, daß Herr Hinrich inallem, also auch im Dialog, zu entscheiden habe. Es war mithinin aller Stille der groteske Fall gereift, daß Herr Kraus gebe-ten worden war, einen Regisseur zu bestimmen, der über ihnhinaus – in Sachen Offenbachs und seines eigenen Sprachwerks! –die Entscheidung hätte. Aus dieser Situation, die gesellschafts-mäßig etwas peinlich war, kehrte Herr Hinrich, mit dem Protestgegen eine auf Wortregie bezügliche Programmnotiz, zur unterbro-chenen Probe zurück. Herr Klemperer betrat das Zimmer und fragte,worum es sich denn eigentlich handle. Nachdem ihm gesagt wordenwar, es handle sich um die Frage der Wortregie, respektive derenBezeichnung, und er scherzend Lavendelflüssigkeit um sich ge-

sprengt hatte, stellte er an Herrn Kraus die Frage: „Wortregie?Ja, haben Sie denn einen schriftlichen Vertrag?“ Auf diese Fragewollte sich Herr Kraus erheben, um das Zimmer zu verlassen, dasie doch von einem Manne gestellt war, der wußte, daß ein mündli-cher Vertrag über Wortregie zustandegekommen sei. Herr Curjel,dem die Wendung sichtlich nicht angenehm war, erklärte begüti-gend: „Nun ja, es liegt eine mündliche Abmachung vor“, was erHerrn Klemperer, mit dem oft über die Wortregie gesprochen wordenwar und der vorher schon aus London die Direktive gegeben hatte,daß man sich in allem den Wünschen des Herrn Kraus anzupassen habe,gewiß nicht erst sagen mußte. „Jawohl, ein mündlicher Vertrag!“,erwiderte Herr Kraus. „Sagen wir: Abmachung“ versetzte HerrCurjel, ohne dann eine Antwort auf die Frage des Herrn Kraus zugeben, welche feine juridische Unterscheidung er denn da zu ma-chen glaube. Auf die weitere Frage, die nach dieser beschämendenSzene übrig blieb: ob Herr Curjel nicht jetzt noch auf die Auf-führung verzichten wolle, an der als solcher Herrn Kraus nichtdas geringste gelegen sei, oder wenigstens seinen Namen ganzunterdrücken möchte, da er ja nunmehr doch Besorgnisse wegen derErfüllung seiner Intentionen hegen müsse, meinte Herr Curjel,daß er ja nicht mit Herrn Kraus, sondern mit der Universal-Edition den Vertrag geschlossen habe. Auch ein Protest des Autors gegeneine ihn nicht zufriedenstellende Aufführung, auf dessen Möglich-keit Herr Kraus hinwies, werde ihn kalt lassen. Es war nunmehrvollständig klar, daß das Verhalten des Herrn Curjel nach ver-tragsrechtlicher Erwerbung des Werkes ins Gegenteil umgeschwungenwar und daß er die Mitwirkung des Autors als ein Hindernis ansah.Für die Wortregie, um deren Anerkennung er freilich nicht herum-kommen konnte, wurden noch zwei oder drei Nachmittage nach denProben in Aussicht genommen, mit dem offenbaren Vertrauen zu einerunwilligen und resistent gemachten Sängerschar, die nach ihrerGesangsarbeit nicht mehr hinreichend Spannkraft und Lust habenwürde, sich noch etwas Leben für einen Dialog, den sie für voll-ständig überflüssig hielt, beibringen zu lassen. Die Formulierungauf dem Programm sollte mit Herrn Fischer vereinbart werden, daHerr Kraus (im Gegensatz selbst zu Herrn Fischer) bereit war,auf eine Konstatierung der Wortregie zu verzichten, die HerrHinrich als Beeinträchtigung seines Renommees zu empfinden schien.Mit den Herren Fischer, Kraus und Zweig traf Herr Curjel amAbend des 21. März im Restaurant Kempinski zusammen. Auch HerrHinrich hätte benachrichtigt werden sollen. Herr Curjel gab dieErklärung ab, daß dieser nicht erscheinen werde. Auf die Frage,ob er nicht erscheinen wolle, zuckte Herr Curjel die Achseln undwiederholte, Herr Hinrich werde nicht erscheinen. Am nächstenTag versicherte Herr Hinrich, daß er auf die Benachrichtigungvergebens gewartet und wiederholt spontan Herrn Fischer angerufenhabe, um seine Intervention zu erbitten. Es war evident, daß HerrCurjel das Bestreben hatte, Regisseur und Wortregisseur von einan-der fernzuhalten. Herr Fischer, der sich erbötig machte, selbstfür die trockene Mitteilung: Wortregie Karl Kraus Verständnisund Einverständnis des Herrn Hinrich zu erlangen, schlug danneine Formel vor, mit der sich am nächsten Tag Herr Hinrich sofortzufrieden gab. Herr Curjel hat diese Formel im allerwinzigstenDruck, vor der Notiz über Kleiderablage, angebracht und schonvom Programm der zweiten Vorstellung entfernt. Herr Hinrich, der,nunmehr durch Herrn Fischer vollkommen orientiert, das größteEntgegenkommen zeigte, stellte später Herrn Kraus Äußerungen derHerren Curjel, Klemperer und Naso zur Verfügung, die dem Sinnenach lauteten: „Halten Sie uns diesen Menschen von den Probenfern; bringen Sie Ihre Sache nur allein zu Ende; fahren Sie nichtnach Breslau, um die ‚Perichole‘ von ihm zu hören; wir sind sogar

bereit, Ihnen zuliebe zu verschieben, wenn Sie nur die Sacheallein fertig bringen; lassen Sie sich nichts dreinreden, mit demMann werden wir schon fertig, den setzt man, wenn er zu krakeelenbeginnt, einfach aus dem Parkett ’raus.“ In dieser Atmosphäresollte Herr Kraus an den Proben mitwirken und die ihm vertraglich zugesicherte Arbeit durchführen. Er vermied es, jene durch eine Bereini-gung der persönlichen Angelegenheit zu stören und diese aufzuhal-ten. Er bekam noch zur Not Gelegenheit, mit den Schauspielern amDialog zu arbeiten,und tat auch alles, um durch Herrn Hinrich, dernun durchaus in seinem Sinne vorging und insbesondere gegen denPlan Klemperers, Striche vorzunehmen, standhielt, soweit es nochmöglich war, Einfluß auf die szenische Gestaltung und sprachlicheVerbesserung zu nehmen. Bei der Generalprobe, eigentlich schonauf der Hauptprobe, schien Herr Klemperer vollkommen umgewandeltund unterbrach die Kontrolle jeden Augenblick durch Begeisterungüber Stellen des Dialogs wie der Musik. Bei der Premiere war eres, der von der Logenbrüstung in das Haus, das ohnehin nach demTextautor rief, den Ausruf „Hoch Kraus!“ erschallen ließ undjenen, der ihm gegenüber aus seiner Nichtbefriedigung kein Hehlmachte, nötigte, an die Rampe zu kommen. Was vorausgesehen war,trat ein: daß die Zeitungskritik, von der Herr Karl Kraus schonseit über dreißig Jahren die Überzeugung hat und ausspricht, daßsie von einer Theatersache weniger versteht als die zahlendenParkettinsassen, die unmöglichen Verschleppungen durch Tempo undTechnik dem Text zuschob und „Kürzungen“ verlangte. Die Konse-quenz, die der Textautor in besserer Kenntnis der Fehlerquellezog, war ein Schreiben, das, von ihm verfaßt und von seinem Ver-trauensmann Heinrich Fischer unterzeichnet, am Tage der zweitenVorstellung an die Leitung der Krolloper abging und dessen Ab-schrift unter a) hier beigelegt wird. An diesem Tag, dem 31. März,spielten sich die im Folgenden geschilderten Vorgänge ab. Am Nach-mittag, etwa zwei Stunden nachdem das Schreiben durch Boten ein-gelangt und sein Einlangen von der Leitung der Krolloper bestä-tigt war, erfuhr Herr Karl Kraus telephonisch durch einen Mit-wirkenden, den er in einer andern Angelegenheit zu sprechen hatte,daß am Vormittag – also vor dem Einlangen des Schreibens – eineStrichprobe“ stattgefunden habe, die keineswegs Herr Hinrichder, wie Herr Kraus später erfuhr, zu ihr wohl geladen wordenwar, aber sich geweigert hatte, an ihr mitzuwirken –, sondernHerr Curjel persönlich leitete. Die Striche betrafen eine ganzgroße Anzahl wesentlichster Stellen von der Art, wie sie aller-dings einem dramaturgischen Dilettanten auf den ersten Blick,der die Zusammenhänge nicht erkennt, und ohne Ahnung, daß es Zu-sammenhänge gibt, entbehrlich erscheinen mögen, teils aber unent-behrliche, erst später erkennbare Handlungselemente und Motivie-rungen enthalten, teils für solche nachfolgende Stellen unent-behrlich sind, die die Überleitung, ja geradezu das Stichwortfür die musikdramatische Wirkung bilden, in deren Dienst doch derText gestellt sein muß. Auch fünf Musikstellen hatte Herr Curjel anzutasten gewagt. Der Berliner Anwalt des Herrn Karl Kraus, dersich an ihn schleunigst wandte, machte nun Herrn Curjel telepho-nisch auf die Rechtswidrigkelt dieses Beginnens, abgesehen vonder moralischen Inkorrektheit einer heimlichen Strichprobe, auf-merksam und wurde von ihm an die Generalintendanz, in deren Auf-trag er gehandelt habe, gewiesen. Ein dortiger Funktionär gabhierauf der Ansicht Ausdruck, daß die Opernleitung grundsätzlichzur Vornahme von Strichen berechtigt sei. Dieser Bescheid machteeine telephonische Anfrage in Wien – bei mir zwecks Erkundigungbei der Universal-Edition – notwendig und die telephonische Ant-wort nach Berlin: daß der Verlag den Wortlaut des Vertrags mit

dem Textautor zitiert habe, wonach kein Strich ohne dessen Geneh-migung vorgenommen werden dürfe und der Verleger verpflichtet sei,die Bühnenleitungen auf diese Abmachung (ohne die Herr Kraus nie-mals sein Buch einem Bühnenvertrieb überlassen hätte) aufmerksamzu machen. Das habe der Verlag getan und soeben auch den telepho-nisch anfragenden Herrn Curjel noch einmal entschieden warnenddarauf aufmerksam gemacht, nicht ohne ihm ans Herz zu legen, sich,wenn er Striche für wünschenswert hielte, mit Herrn Karl Kraus inVerbindung zu setzen. Die Meinung, daß die gewalttätigen Eingriffe,die Herr Curjel (vielleicht unter Beihilfe eines Dramaturgen, der,wie er auf einer Probe bewies, überhaupt keine Ahnung vom Sinndes Offenbach’schen Werkes hatte) unternehmen wollte – daß solche„Änderungen“ zu den nach dem Kartellvertrag zulässigen Änderungen„nach Treu und Glauben“ gehörten, ist natürlich absurd; nicht eineeinzige wäre bühnenschiedsgerichtlich haltbar gewesen und derdurch die eingeleiteten Schritte bewirkte Verzicht der Bühnenlei-tung beweist zur Genüge, daß sie sich dieser Auffassung anbequemthat. Herr Kraus hätte indes keinen Moment gezögert, Striche, dieman ihm vorgeschlagen hätte – und wenn kein berufsmäßiger Bühnen-mann, sondern jeder beliebige Zuhörer sie ihm vorschlüge –, zuprüfen und eventuell dankbar anzunehmen. Er steht auf dem Stand-punkt, daß ein Strich eine produktivere Leistung bilden könneals eine Seite, und wäre bereit, den geistigen Anteil dessen, derden richtigen, wirkungerhöhenden Strich ausfindig macht, als deneines Mitautors auf dem Theaterzettel vermerken zu lassen. Er wardavon durchdrungen, daß die Möglichkeit solcher Striche sich hiernicht ergeben könne. Mit dem Problem muß er ja schon vor seineneigenen Vorträgen fertig werden. Shakespeare-Schlegel kann er zu-sammenstreichen (und bei aller Gründlichkeit so, daß auch nichtdas Fehlen eines Verses fühlbar wird); bei den Textautoren Offen-bachs ist es unmöglich, über das Maß der Reduzierung, die schondurch die Bearbeitung gegeben ist, hinauszugehen. Mag, was vonsolchem Original bleibt, an und für sich wertloser sein als allesbei Shakespeare Weggelassene, so kann es doch nicht weiter ver-kürzt werden, ohne daß der musikdramatischen Wirkung, für die esja bloß Funktionswert hat, eben darum Eintrag geschähe. Der Bear-beiter war nur zu oft vor den eigenen Vorträgen der „Pericholeund aller andern Werke Offenbachs, die wegen seiner Zeitstrophenviel länger dauern als eine Aufführung, heiß bemüht, Stellen zufinden, die sich streichen ließen, damit die Vortragsdauer vondrei Stunden (aus inneren wie aus äußeren Gründen) nicht über-schritten werde. Der oberflächliche Blick glaubt solche an undfür sich nicht sehr gewichtige Stellen zu finden, muß aber als-bald gewahren, daß sie entweder gerade aus dem Grunde, weil sieentbehrlich erscheinen, nämlich als Wiederholungsmotiv, oder auchals Handlungsmotiv unentbehrlich sind, ja er bemerkt oft schonauf der nächsten Seite, daß ein solcher Strich, an und für sichsympathisch, etwas Wesentliches gefährden würde. Was Herr Curjel da versucht, das heißt tatsächlich Schauspielern probeweise auf-getragen hat, wäre als Schulbeispiel von Dilettantismus in einedramaturgische Fibel aufzunehmen. Gleichwohl hätte Herr Karl Kraus,ohne den Versuch einer Beratung durch den Dilettantismus als Krän-kung zu empfinden, aus Neugierde wie aus Höflichkeit keinen Augen-blick gezögert, Herrn Curjel anzuhören, wenn dieser ihm mit demVorschlag der absurden Striche gekommen wäre. Das hat aber HerrCurjel leider nicht getan. Vielmehr hat er es vorgezogen, HerrnKraus vor die vollendete Tatsache einer hinterrücks erfolgtenStrichprobe zu stellen – ein Faktum, das sehr deutlich der ineinem Schreiben der Generalintendanz ausgesprochenen Meinung, daßin der Frage der Streichungen ja nichts unternommen worden sei,widerspricht, einer Meinung, die nur auf Irreführung durch die

Direktion der Krolloper zurückgeführt werden könnte. Die Folgeder tatsächlich durchgeführten Strichprobe war, da sie ja dochnoch knapp vor der Vorstellung wieder aufgehoben werden mußte,eine heillose Verwirrung der armen Mitwirkenden, die so lange zumNachteil des Werkes anhielt, bis der Schaden durch die leider not-wendig gewordene peinliche Remedur – siehe Beilage b) – beseitigtwurde. Der Textautor, der sich selbstverständlich von keiner Machtder Welt, sei es durch Zwang oder aus irgendwelcher Rücksicht, vonder Wahrung des Anspruchs auf Unversehrtheit seiner geistigen Ar-beit abbringen ließe, konnte sich am Abend des Tages, an dem dasSchreiben der Opernleitung zugestellt war, bei der vierten Auf-führung, davon überzeugen, daß die Darstellerin den so wesentli-chen Satz, den ihr der dramaturgische Unverstand verstümmelt hatte,zwar sprach, aber trotzig fallen ließ. Erst die Protektion durchHerrn Zweig, mit dem nach dessen Rückkunft der Autor über allesVorgefallene sprach, ermöglichte eine anständige Wiederherstel-lung, der, wie Herr Kraus gern anerkennt, die Darstellerin nun-mehr den lebendigsten Augenblick des (fünften) Abends verdankenkonnte. Die Kürzung, die Herr Curjel an dieser Stelle geplanthatte und von der in dem beigelegten Schreiben die Rede ist, be-deutet geradezu ein klassisches Beispiel für die Schaffung einerinneren Länge, indem die Unklarheit des Fragments die Aufmerksam-keit (des im letzten Bild ohnehin schon ermüdeten Hörers) verbraucht, während der volle Satz, lebendig gesprochen, gerade andiesem Punkt die Szene wieder belebt. Es ist tief beklagenswert,daß eine rein künstlerische Bestrebung, mit der so überzeugt derSache und der Wirkung gedient werden wollte, erst der Durchsetzungmit juridischen Mitteln bedurft hat. Aber dieser Fall ist nur eineFortsetzung dessen, was sich an dem Tag jener kritischen zweitenAufführung abgespielt hatte, und die Schilderung dieser Vorfälleist leider noch nicht abgeschlossen, sondern bedarf noch einerErgänzung, die den Beweis, daß die Generalintendanz über das Ver-halten des Textautors irregeführt wurde, vervollständigen soll.Herr Curjel rief ihn am 31. nach fünf Uhr in seinem Hotel an mit den Wor-ten: „Ich bin von der Generalintendanz beauftragt, Ihnen dieStriche mitzuteilen, die in der heutigen Aufführung vorgenommenwerden.“ Antwort: „Wenn die Striche vorgenommen werden, so müssenSie sie mir ja nicht mitteilen.“ „Ja, die Striche werden unterallen Umständen vorgenommen werden, aber ich will sie Ihnen mit-teilen.“ Antwort: „Die Kenntnis der Striche, die Sie vornehmenwerden, werde ich mir anders verschaffen.“ Herr Karl Kraus wolltedamit natürlich sagen, daß er sich die Kenntnis der Striche lieberals zahlender Besucher der Krolloper verschaffen werde, als seineSätze zum letzten Mal von der Stimme des Herrn Curjel (die siegewiß nicht temperamentvoller gebracht hätte als die Darsteller,die sie bis dahin gesprochen hatten) am Telephon zu vernehmen.Er gab noch dem Herrn Curjel den Rat, wenn er es juristisch fürrelevant halte, die Striche, die unter allen Umständen vorgenom-men werden, mitgeteilt zu haben, diese Mitteilung bei seinemRechtsanwalt zu versuchen, der sie vielleicht entgegennehmen werde.Herr Curjel dankte, rief den Rechtsanwalt an, erkundigte sichseltsamer Weise nach dem „Sinn der Drohung“, Herr Kraus werde sichdie Kenntnis der Striche anders verschaffen, und empfing nebstder natürlichen Interpretation den wohlgemeinten Rat – nachdem erbereits die Wendung gebraucht hatte: „Ja, Striche (nicht mehr‚die Striche‘) müssen gemacht werden“ –, zunächst die am Vormit-tag angeordneten Striche aufzuheben und nach der zweiten Vorstel-lung an Herrn Kraus mit Vorschlägen heranzutreten. Herr Curjel sagte zögernd zu und ließ tatsächlich durch den Inspizienten dieStriche absagen. Die Unterbreitung der Vorschläge, der Herr Curjel unter den sonderbarsten gesellschaftlichen Kautelen zustimmte –

er wollte einen Zeugen mitbringen, lehnte die Anwesenheit desHerrn Fischer, den er mit dem Vorwurf der „hündischen Ergeben-heit für Herrn Kraus“ bedachte, ab und erklärte, da der Anwalt mit Recht meinte, daß Herr Kraus nicht zu ihm kommen werde, nurdie Halle seines Hotels, aber nicht sein Zimmer betreten zu wol-len –, diese Zusammenkunft sollte also am nächsten Mittag stattfinden. Herr Kraus fand sie, da die zweite Vorstellung – die ohnedie rechtzeitig abgesagten Striche gespielt wurde – durch Tempo-beschleunigung und Verkürzung der katastrophalen Pausen um etwa50 Minuten früher als die erste zu Ende war, für vollständigüberflüssig. Der Verlauf hatte ihm in der Erkenntnis der dramaturgischen Dinge recht gegeben. (Es ist bezeichnend, daß der Be-arbeiter, der es so schwer hatte, seine Kennerschaft Offenbachs inden Dienst der Sache zu stellen, erst durch nachträgliche Inter-vention beim Dirigenten die primitivste dramaturgische Erleichte-rung durchsetzen konnte: die Verkürzung und volle musikalischeAusfüllung der Pause vor dem letzten Bild, die ja nur eine rascheVerwandlung aus dem Kerkerdunkel in die helle Landschaft bedeu-ten darf, wo sich Flucht und Suche nach den Gefangenen abspielt.)Die Vorstellung wäre nach seinem Empfinden, selbst wenn sie nureine Stunde dauerte, innerlich noch immer zu lang, da nun einmalleider vielfach die für Offenbach unerläßliche Beschwingung fehltund in einem Maße, daß gerade die Stilechtheit des Rahmens mit soblassem Bilde den Gedanken der Offenbach-Renaissance schwererschädigt als eine der grundsätzlichen Verschandelungen, von denensich diese Wiedergabe doch leuchtend abheben sollte. Daß aber beieiner Operettenaufführung, die sich strichlos in zwei Stunden 52Minuten abspielt, das Übel nicht mehr in Textlängen gelegen sei,war ausreichend bewiesen. In der Nacht nach der zweiten Vorstel-lung nun, in der dieser Beweis schon geliefert war, erzählte derRegisseur Hinrich, der ihr beigewohnt hatte (nachdem er sich aus-drücklich geweigert hatte, bei einer heimlichen Strichprobe mit-zutun), Herrn Kraus, wie es zuging, als die Striche abgefaßtwurden, und daß der Herr Generalmusikdirektor ihn zu sich bat, um ihmin den vehementesten Ausdrücken seine Entrüstung über die Absichtder heimlichen Streichungen kundzugeben. Er bezeichnete das, wasHerr Curjel versucht habe – ganz abgesehen von den Antastungender Partitur, die er im eigensten Wirkungskreis untersagen konnte – als ungeheuerlich und bekannte offen, als derjenige, derselbst anfangs Striche für wünschenswert gehalten habe, seine Be-kehrung zu jeder Zeile des Textes, von deren Unentbehrlichkeiter sich schon in der Hauptprobe und vollends in der Generalprobeüberzeugen konnte. Er machte auch kein Hehl daraus, daß er überdiesen Vorfall mit Herrn Curjel in Streit geraten sei, der er-klärt habe, „seine Konsequenzen ziehen zu wollen“. Diese Szenemachte auf Herrn Kraus den Eindruck, daß Herr Curjel aus der Hal-tung Klemperers für sich Vorteil zu ziehen suche, und es schiensich ihm das sonst ganz unbegreifliche Verhalten des HerrnCurjel, der jähe Umschwung seit der Bewerbung um eine Offenbach-Bearbeitung und der Erwerbung der „Perichole“, nunmehr aus einerArt Intrigue zu erklären, als deren Mittel ihm die Sache desHerrn Kraus vielleicht geeignet schien. Dabei kam Herrn Kraus,der ja wohl wußte, daß Herr Curjel ursprünglich ein Günstlingdes Generalmusikdirektors gewesen war, seine Äußerung bei jenerZusammenkunft im Restaurant ins Gedächtnis, die Herr Curjel alsAntwort auf die Zitierung von Klemperers grotesker Frage: „Ja,haben Sie denn einen schriftlichen Vertrag?“ von sich gab: „Esdürfte Ihnen ja bekannt sein, daß ich stellvertretender Direktorin der Krolloper bin und daß Herr Klemperer Kapellmeister ist.“

Herr Karl Kraus glaubt, die Vorgänge, die sich seit derAnnahme der „Perichole“ zwischen ihm und den Funktionären derKrolloper zutrugen, mit hinreichender Anschaulichkeit dargestelltzu haben, mit einem Anspruch auf Treu und Glauben, der seiner Dar-stellung wohl mehr zukommt als den Plänen jener, selbst wenn sienicht durch die Aussage von Zeugen gestutzt werden könnte. Vorallem dürfte nunmehr der Generalintendanz klar geworden sein, aufwelchem Wege sie zu der Ansicht gelangen konnte, daß er, „wennman ihm Vorschläge wegen Streichungen machen will, die Telephon-muschel einfach anhängt“. Sie verdankt diese Ansicht zweifellosder Information des Herrn Curjel, der ebenso zweifellos den Auftragder Generalintendanz (die er zunächst über die Notwendigkeit vonStreichungen falsch informierte) entgegengenommen hatte, HerrnKraus die geplanten Striche vorzuschlagen, und da er, in derAnnahme, der wahre Sachverhalt werde nie zum Vorschein kommen, dasGegenteil getan, nämlich seinen Auftrag überschritten und verkehrthatte, die Rückmeldung erstattete, Herr Karl Kraus sei für Vor-schläge überhaupt nicht zu haben, nicht zu sprechen, weshalb maneben nach eigenem Gutdünken verfahren müsse. Die Wahrhaftigkeitdes Herrn Curjel für die Entscheidung der Frage, ob an Herrn Kraus„die Erteilung eines Wortregieauftrags“ ergangen sei, überhauptnoch heranzuziehen, wird demnach wohl kaum mehr möglich sein. Daßder Generalintendanz von der Erteilung eines solchen Auftrages„nichts bekannt ist“, wird sich unschwer aus dem Umstand erklärenlassen, daß Herr Curjel ihr davon nichts bekanntgegeben hat, daßer ihr die Abmachung über die Wortregie genau so verschwiegen hatwie dem Regisseur Hinrich. Von aller sonstigen Möglichkeit, diesenSachverhalt zu bekunden, abgesehen, dürfte der Hinweis darauf ge-nügen, daß gelegentlich der Erörterung der Frage, in welcher Form die Wortregie des Herrn Karl Kraus – und die Formulierung auf demProgramm ist ja das Ergebnis dieser Debatte – verzeichnet werdensolle, Herr Heinrich Fischer eben im Hinblick auf das Zugeständnis der Formulierung an die Leitung der Krolloper ein Schreiben ge-richtet hat, dessen Empfang von ihr bestätigt wurde und worin aus-drücklich die Wahrung aller Rechte auf die Wortregie ausgesprochenwird. Die Leitung der Krolloper hat der Bekräftigung dieses An-spruches, der ja zahllose Male von ihr auch gewährt und anerkanntwurde, mit keinem Wort widersprochen. Der „Standpunkt“, auf demsie nach dem Schreiben der Generalintendanz stehen soll, „daß dieMitarbeit des Herrn Kraus sich in den bei Autoren üblichen Gren-zen gehalten und keineswegs eine Tätigkeit dargestellt hat, fürwelche ein besonderes Honorar neben der Autoren-Tantième erwartetwerden konnte“, wird sich, wenn es zu einer Aussage von Zeugenkommen sollte, kaum halten lassen. Es ist ja leider nur zu wahr,daß sich in manchen wesentlichen Punkten der Inszenierung, diesonst wohltätig hätten beeinflußt werden können, die Tätigkeit desHerrn Kraus bloß innerhalb der bei Autoren üblichen Grenzen, janicht einmal innerhalb dieser Grenzen gehalten hat. Denn Herr Kraus wurde wohl noch weit rücksichtsloser behandelt als sonst ein Autor,der als Eindringling in eine Sphäre, in der er überflüssig ist,empfunden wird und ja vielleicht wirklich weniger von ihr und ihrenAnforderungen versteht als der Bearbeiter Offenbachs. Es ist leiderwahr, daß er die ihm vertraglich zugesicherte Wortregie nicht indem Ausmaß durchführen konnte, für das er mit denkbar größter Be-reitwilligkeit und unter Vernachlässigung seiner sonstigen Arbeitin Berlin zur Verfügung stand (und auf Wunsch der Opernleitung –bei seinem ersten Aufenthalt – in Berlin zurückgeblieben war). AlsZeugen dafür und insbesondere für die Erteilung des Wortregieauf-trags stehen nebst Legationsrat Dr. Hoffmann, Direktor HeinrichFischer und Regisseur Hinrich die Herren Kapellmeister Zweig,

Generalmusikdirektor Klemperer, stellvertretender Direktor Curjel,Dramaturg Naso und viele Mitwirkende zu Gebote. Als Beweisdokumen-te Benachrichtigungen für die Proben, zu denen Herr Kraus als Wort-regisseur zu erscheinen hatte, nebst der Aussage dessen, der dietelephonische Mitteilung nach Wien weitergegeben hat, daß HerrKraus statt am 9. „wenn er nicht ohnedies in Berlin zu tun hätte“,am 12. März erwartet werde, eine Verständigung, wie sie an einenAutor nicht hinauszugehen pflegt; usw. Sollte irgendeiner derHerren, die Herr Kraus als Zeugen führen würde, die es aber viel-leicht außerhalb dieser Funktion lieber sähen, wenn die Wahrheitanders läge, sollte ein solcher geneigt sein, diese Wahrheit ihmins Gesicht zu bestreiten, so wird er sich keinen Moment bedenken,die Herren miteinander und mit ihm selbst konfrontieren und et-waige Widersprüche gerichtlich überprüfen zu lassen, damit dochfestgestellt werde, ob er selbst lügt oder einer der Herren nichtdie volle Wahrheit spricht. Im schriftlichen Verkehr kann die Lei-tung der Krolloper auf jedem ihr beliebigen „Standpunkt“ stehen oderdie Generalintendanz, die ja bei den Vorgängen nicht zugegen war,glauben machen, daß dieser Standpunkt mit dem Sachverhalt gemäßsei. Darüber hinaus würde solches wohl kaum durchführbar sein. Dastieftraurige Ergebnis der Angelegenheit bleibt ja die Erfahrung,daß künstlerisches Besserwissen, ursprünglich enthusiastisch an-erkannt und umworben, nicht dazu gelangen konnte, sich im Inter-esse der künstlerischen Arbeit voll zu entfalten und sich denjeni-gen zur Verfügung zu stellen, von denen die Wahrung dieses Inter-esses mit Recht erwartet werden konnte; daß es im Gegenteil nurganz dazu gelangte, sich den schwersten Demütigungen durch dikta-torischen Dilettantismus und schnöde Unaufrichtigkeit auszusetzen.Herr Karl Kraus hat es vermieden, auch nach beendeter Arbeit, dieer durch Austragung der persönlichen Sache nicht stören wollte,über das Vorgefallene Beschwerde zu führen. Jedoch der Versuch –-auf den er trotz all dem keineswegs gefaßt war –: auch noch denklarsten Rechtsanspruch, der von vornherein selbstverständlicheund wiederholt anerkannte Bedingung war, zu bestreiten, würde dieHerrn Karl Kraus keineswegs unerwünschte Gelegenheit bieten, die-ses unrühmliche Kapitel, mit dem die Geschichte der Krolloper zu-gleich mit der Gefährdung eines der bezauberndsten Kunstwerke ab-schließt, zur Warnung für die gesamte Theatermenschheit, die anähnlichen Sitten Gefallen finden könnte, forensisch darzustellen.

Ich bin indes überzeugt, daß es so weit nicht kommenwird, weil der Sinn für Korrektheit, an den diese Darstellungappelliert, die Gelegenheit erkennen muß, die Wahrheit dort zusuchen, wo sie zu finden ist, und in dieser Sache, oder beliebigweit über sie hinaus, zum Rechten zu sehen. Ich möchte die Weiter-leitung dieses Memorandums nicht abschließen, ohne im Namen desHerrn Karl Kraus die Erklärung abzugeben, daß er selbstverständ-lich gegen die Ermittlung der Wahrheit auch in der Form nichtseinzuwenden hätte, daß etwa einer der Herren, die hier als Be-schuldigte erscheinen, bevor sie zu Zeugen würden, die von ihm er-hobenen Vorwürfe als unerträglich empfinden sollte. Welcher Wegimmer jedoch zur Ermittlung der Wahrheit und zur Überprüfung des-sen, was Herr Karl Kraus behauptet, angetreten werden mag, unterkeinen Umständen wäre er gewillt, von Personen, die er der Unwahr-haftigkeit und des treulosen Verhaltens ihmgegenüber überführenkann, die Angabe hinzunehmen, daß er einen Anspruch rechtswidrigerhoben, also die ihm zugrundeliegende Behauptung wahrheitswidrigaufgestellt habe.

Indem er Sie, hochgeehrter Herr, ermächtigt, diese Dar-stellung an den Herrn Generalintendanten weiterzuleiten, zeichneich mit seinen besten Empfehlungen und mit dem Ausdruck der

vorzüglichsten Hochachtung