167.6 Klagebeantwortung (eingereicht von Samek beim Landesgericht für Z.R.S. Wien, G.Z. 16 Cg 552/31)

Materialitätstyp:

  • Durchschlag
Datum: 1. Dezember 1931
Seite von 6

Dr.S./W. 1. Dezember 1931.16 Cg 552/31

An dasLandesgericht für Z.R.S. Wien.

Klagende Partei: Lothar Rübelt, Photograph in Wien, I.,Wollzeile 14

vertreten durch: Dr. Ernst Uzel, Rechtsanwalt in Wien, I.,Augustinerstrasse 12

Beklagte Partei: Karl Kraus, Eigentümer, Herausgeberund verantwortlicher Redakteur der ZeitschriftDie Fackel“, Wien, III., Hintere Zollamtstr.3

vertreten durch:

Streitwert S 2.000.– 2 fach, 1 Rubrik.

Klagebeantwortung.

Der Kläger verlangt von mir ich möge sein Urheber-recht an der in der Zeitschrift „Die Fackel“ No. 857–863 August 1931, 33. Jahr auf Seite 106 erschienenen Photographie mitder Unterschrift Rothschilds Dagger“ nurZweiter! Photo Rübelt, anerkennen. Ich hätte niemals eineVeranlassung gehabt zu zweifeln, dass dem Kläger ein solchesUrheberrecht zusteht, und wäre niemals in die Lage gekommen, seinUrheberrecht zu bestreiten, wenn er nicht in seiner Klage behaup-tete, dass das Bild eine Reportageaufnahme des RennstallbesitzersLouis Rothschild ist. Da diese Behauptung unrich-tig, das Bild ein Porträt des Herrn Alfons Roth-schild ist, muss ich nach der Sachlage aber bestreiten,dass dem Kläger ein Urheberrecht an dieser Photographie zusteht.Denn es besteht kein Zweifel, dass die vom Kläger gemachte„Reportageaufnahme“ ein Photographieporträt ist. Da nun derKläger nicht einmal genau weiss wen er photographiert hat, soist ja zweifellos, dass er die Zustimmung des Photographierten nicht eingeholt hat. Dies ist aber notwendig, denn nach § 13Absatz 2 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken derLiteratur, Kunst und Photographie vom 26. Dezember 1895, R.G.Bl.No. 197, in der Fassung der Novelle vom 13. Juli 1920 Staatsgesetz-blatt No. 325 ist die Ausübung des Urheberrechtes bei Photographie-porträts in allen Fällen an die Zustimmung der dargestellten Per-sonen oder ihrer Erben gebunden. Es wird nun bestritten, dassHerr Alfons Rothschild die Zustimmung zur Ausübung desUrheberrechtes an der vom Kläger gemachten Reportageaufnahme undzur Erhebung dieser Klage gegeben hat.

Beweis: Die Herren Alfons Roth-schild, Wien, IV., Theresianumgasse 18 und LouisRothschild , Wien, IV., Prinz Eugenstrasse 22 alsZeugen.

Wenn ich nun auch dieses Photographieporträt im August-Heft der Fackel veröffentlicht habe, so bedeutet diesnoch lange nicht wie der Kläger behauptet, einen Eingriffin ein ihm zustehendes Urheberrecht, selbst wenn er ein solcheshätte. Denn nach § 36 des Urheberrechtsgesetzes finden dieBestimmungen der §§ 33 Absatz 1 und 3 und 34 Zahl 1, 2, 4 und5 auf Werke der Photographie sinngemäss Anwendung. Nach § 34Zahl 1 und 4 ist als Eingriff in das Urheberrecht nicht anzu-sehen,1.) die Schaffung eines neuen Werkes unter freier Benützungeines Werkes der bildenden Künste,2.) die Aufnahme von Vervielfältigungen (Nachbildungen)erschienener Werke der bildenden Künste, bloß zur Erläu-terung des Textes in ein Schriftwerk, wenn dieses alsdie Hauptsache erscheint; es ist jedoch der Urheber desOriginalwerkes oder die benützte Quelle anzugeben.

Es bleibt der Rechtsauslegung überlassen, ob sie denin der Fackel erschienenen Artikel als die Schaffungeines neuen Werkes betrachtet, wobei die Photographie be-nützt werde, oder ob sie der Ansicht ist, dass die Aufnahmeder Photographie zur Erläuterung des Textes der Fackel aufgenommen wurde.

Auch unter einem anderen Gesichtspunkt war mir derNachdruck dieser Photographie durch das Urheberrechtsgesetzerlaubt. Die Photographie erschien in einer Zeitschrift undwurde dadurch zu einem Werk der Literatur. Nach § 25 Zahl 2des Urheberrechtsgesetzes ist die Aufnahme einzelner erschie-nener Werke oder einzelner Skizzen oder Zeichnungen aus einemsolchen Werke in einem durch den Zweck gerechtfertigten Umfangin ein grösseres Ganzes, wenn sich dieses nach seinem Hauptin-halte als ein selbständiges wissenschaftliches Werk darstellt,nicht als Nachdruck anzusehen; der Entlehner hat nur den Urheberoder die benützte Quelle anzugeben. Die in der Fackel durch 32 Jahre geübte Zeitkritik stellt sich als ein selbstän-diges wissenschaftliches Werk dar.

Der vorliegende Rechtsfall wurde auch schon im Jahre1915 in einem gegen mich vor dem Landesgericht für Strafsachen WienI und vor dem Obersten Gerichtshof geführten Strafverfahrenwegen Verletzung des Urheberrechtes entschieden. Ich beantragedie Beschaffung des Aktes des Landesgerichtes für Strafsachen Wien I Vr II 4716/14.

Ueberdies ist auch das Klagebegehren verfehlt, ichsei schuldig, das Urheberrecht des Klägers an der in der Zeit-schrift die Fackel No. 857–863 August 1931, 33. Jahr aufSeite 106 erschienenen Photographie mit der Unterschrift: RothschildsDagger“ nur Zweiter! PhotoRübelt , bezw. das Nichtbestehen eines Rechtes des Beklagten auf Veröffentlichung dieser Photo-Nachbildung anzuerkennen.Das Begehren ist das einer Feststellungsklage. Der Kläger hat

nun weder, wie es der § 228 Z.P.O. vorschreibt, ein rechtlichesInteresse an der alsbaldigen Feststellung des Rechtes behauptet,noch ein solches begründet. Auch der letzte Fall des Klagebegeh-rens, ich sei schuldig, jeden Eingriff in das Urheberrecht desKlägers zu unterlassen, ist verfehlt, weil nur ein einzigerEingriff in das Urheberrecht zur Diskussion steht; nämlich obdie Veröffentlichung des Photographie-Porträts im Zusammenhangals Zitierung nach dem Gesetze erlaubt oder unerlaubt war,ferner weil diese Veröffentlichung schon erfolgte und daherdie Unterlassungsklage zu spät käme. Eine solche wäre nur dannzulässig, wenn eine künftige Störung zu befürchten wäre, wasder Kläger weder behauptete, noch unter Beweis stellte.

Ich stelle daher denAntrag: das Klagebegehren kostenpflichtig abzuweisen.

Karl Kraus.

Karl Krausca.Lothar Rübelt exped. am 1.XII.1931.