167.9 Urteil des Landesgerichts für Z.R.S. Wien (G.Z. 16 Cg 552/31, Richter: Franz Biak)

Materialitätstyp:

  • Durchschlag
Datum: 28. Dezember 1931
Stempel: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien
Seite von 10

16 Cg 552/317

Im Namen der Republik!

Das Landesgericht für ZRS. Wien hat durch denLandesgerichtsrat Dr. Franz Biack als Einzelnrich-ter in der Rechtssache der klagenden Partei LotharRübelt, Photograph in Wien I, Wollzeile 14, vertretendurch Dr. Ernst Uzel, RA. in Wien I, Augustinerstrasse 12,wider die beklagte Partei Karl Kraus, Eigentümer,Herausgeber und verantwortlicher Redakteur der Zeitschriftdie Fackel“ in Wien III, Hintere Zollamtsstrasse 3,vertreten durch Dr. Oskar Samek, RA. in Wien I, Schotten-ring 14, wegen Verletzung des Urheberrechtes zu Rechterkannt:

Der Beklagte ist schuldig, das Ur-heberrecht des Klägers an der in derZeitschrift „Die Fackel“ Nr.857bis 863 August 1931 XXXIII. Jahr aufSeite 106 erschienen Photographiemit der Unterschrift: Rothschilds„Dagger“ nur Zweiter! Photo Rübelt,beziehungsweise das Nichtbesteheneines Rechtes des Beklagten auf Ver-öffentlichung dieser Photographienach-bildung anzuerkennen und jeden Ein-griff in das Urheberrecht des Klä-gers zu unterlassen.

Der Beklagte ist weiters schuldig,der klagenden Partei diemit 195 S 94 g bestimmten Prozesskostenbinnen 14 Tagen bei sonstiger Exekutionzu bezahlen.

Entscheidungsgründe:

Unbestritten ist:

Der Kläger, der das photographische Gewerbe alsSport-, Gesellschafts-, und Industriephotograph be-treibt, hat anlässlich des Wiener Derby 1931 auf demRennplatze Reportageaufnahmen gemacht, dabei auchzufällig den Rennstallbesitzer Alphons Rothschild por-trätiert, ohne dass dieser um seine Zustimmung zur Auf-nahme oder zur Veröffentlichung der Aufnahme gefragtwurde. Die Aufnahme wurde zur Veröffentlichung ineinige illustrierte Blätter, darunter auch an dieBühne“ vom Kläger abgegeben, welche in ihrer Nummer306 (Juni 1931) auf Seite 26 die genannte Aufnahme mit der Unterschrift „Rothschilds ‚Dagger‘ – nurZweiter! Photo Rübelt“ brachte.

Der Beklagte hat nun in seiner Zeitschrift„Die Fackel“, Augustheft 1931, Nr. 857 bis 863,XXXIII. Jahr, auf Seite 106 die genannte Aufnahmeverkleinert, mit derselben Unterschrift im Anschlussan einen Artikel „Rothschild muss sich einschränkenveröffentlicht, ohne hiezu eine Zustimmung des Klägers eingeholtzu haben.

Hierin erblickt der Kläger eine Verletzungseines Urheberrechtes an der klagegegenständlichenPhotographie und stellte das im Urteilsspruche angeführte

Klagebegehren.

Der Beklagte beantragte die kostenpflichtige Ab-weisung des Klagebegehrens und brachte vor:

1.) Das Klagebegehren sei verfehlt, weil es daseiner Feststellungsklage sei. Nun habe der Kläger einrechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellungdes Rechtes weder behauptet, noch ein solches begrün-det.

Weiter klage der Kläger auf Unterlassung jeden Eingrif-fes in das Urheberrecht. Auch dies sei verfehlt, weilnur ein einziger Eingriff in das Urheberrecht zurDiskussion stehe, nämlich ob die Veröffentlichung desPhotographieporträts im Zusammenhang als Zitierung nachdem Gesetze erlaubt oder unerlaubt gewesen sei; fernerweil diese Veröffentlichung schon erfolgt sei und daherdie Unterlassungsklage zu spät komme. Eine Unterlassungs-klage wäre nur dann zulässig, wenn eine künftigeStörung zu befürchten wäre, was Kläger aber weder be-hauptet, noch unter Beweis stelle.

2.) Dem Kläger stehe ein Urheberrecht an derklagsgegenständlichen Photographie gar nicht zu. Dievom Kläger gemachte Repotageaufnuhme sei ein Photo-graphieporträt. Gem. § 13 Abs. 2 des U.R.G. sei dieAusübung des Urheberrechtes in allen Fällen an dieZustimmung der dargestellten Person oder ihrer Erbengebunden. Kläger gebe nun selbst zu, dass derPorträtierte Alphons Rothschild die Zustimmung zurAufnahme, Ausübung des Urheberrechtes und Erhebung derKlage nicht gegeben habe.

3.) Aber selbst wenn dem Kläger ein Urheberrechtzustehen sollte, so liege ein unbefugter Eingriff in dasUrheberrecht des Klägers überhaupt nicht vor, denn dieVeröffentlichung der Photographie in Verbindung mit demerwähnten Zeitungsartikel stelle sich als Bes S chaffungeines neuen Werkes unter freier Benützung eines Werkesder bildenden Künste, beziehungsweise einer Photographiedar und sei daher gem. § 34 Zl. 1 und § 36 U.R.G. nicht als Eingriff in das Urheberrecht anzusehen;Überdies liege aber auch wegen § 34 Zl. 4 in Verbindungmit § 36 U.R.G. kein Eingriff in das Urheberrecht desKlägers vor, weil die Aufnahme eines Werkes der bil-denden Künste, beziehungsweise einer Photographiebloss zur Erläuterung des Textes in ein Schriftwerkgem. den zitierten Gesetzesstellen unter Quellenangabegestattet sei.

4.) Weiter liege aber auch wegen § 25 ZI. 2 U.R.G. keine Verletzung des Urheberrechtes vor. Die Photographiesei in einer Zeitschrift erschienen und dadurchzu einem Werke der Literatur geworden. Nach § 25 Zl.2 U.R.G. sei die Aufnahme einzelner erschienenerWerke oder einzelner Skizzen oder Zeichnungen auseinem solchen Werke in einem durch den Zweck gerecht-fertigten Umfang in ein grösseres Ganzes, wenn sichdieses nach seinem Hauptinhalte als ein selbständigeswissenschaftliches Werk darstellt, nicht als Nachdruckanzusehen; der Entlehner habe nur den Urheber oderdie benützte Quelle anzugeben. Die in der „Fackeldurch 32 Jahre geübte Zeitkritik stelle sich als einselbständiges wissenschaftliches Werk dar.

Der vorliegende Rechtsfall sei auch schon im Jahre 1915in einem zu G.Zl. 1 Vr II 4716/14 des Landesgerichtesfür Strafsachen Wien I gegen den Beklagten geführtenStrafverfahren wegen Verletzung des Urheberrechtes ent-schieden worden.

Vorgelegt wurde von der klagenden Partei sub ./B das die Abbildung enthaltende Blatt derZeitschrift „Die Bühne“ und der ZeitschriftDie Fackel“, sowiesub ./B 1 der Originalfilmstreifen der Aufnahme.

Die beklagte Partei hat die vorgelegten Urkundenals echt anerkannt.

Aus dem vom Beklagten selbst zugegebenen Sach-verhalt ergibt sich, dass Beklagter einen unbefugtenEingriff im Sinne des § 21 U.R.G. begangen hat, da erohne Zustimmung des Urhebers eine durch das U.R.G.dem Urheber ausschliesslich vorbehaltene Verfügungüber das Werk durch die oberwähnte Veröffentlichungin der Zeitschrift „Die Fackel“ getroffen hat.

Die rechtlichen Einsendungen des Beklagten warennicht geeignet, das Klagebegehren mit Erfolg abzuweh-ren.

Zu 1.): Die Einwendung im Hinblick auf § 228ZPO. ist nicht berechtigt.

Die gegenständliche Klage stellt sich alssogenannte Negatorienklage dar. Der Klagegrund istdas Urheberrecht und der vom Beklagten begangene Ein-griff. Der Kläger begehrt Anerkennung seines Urheber-rechtes und die Unterlassung eines jeden Eingriffes indasselbe. Das Klagebegehren stützt sich auf § 54 U.R.G. welcher ausdrücklich dem Urheber die Befugnis erteilt,

beim Zivilrichter auf Anerkennung seines Urheberrechtessowie Unterlassung eines jeden Eingriffes zu klagen,ohne das Klagerecht an die besondere Voraussetzungdes § 228 ZPO. zu binden und ohne Rücksicht darauf, obdie Gefahr weiterer Eingriffe seitens des Beklagten besteht oder nicht besteht. Da der Kläger das Urheber-recht und einen Eingriff seitens des Beklagten behaup-tet, war das Klagebegehren formell zulässig.

Im übrigen mussten auch die Voraussetzungen des§ 223b ZPO. angesichts des behaupteten Eingriffes in dasUrheberrecht als gegeben angenommen werden.

Zu 2.) Auch die zweite Einwendung, gestützt auf§ 13 U.R.G., ist nicht stichhältig.

Es ist unbestritten, dass die klagsgegenständ-liche Aufnahme eine zufällige Aufnahme ist, die auf demRennplatze gemacht wurde, dass also eine Zustimmungdes Abgebildeten nicht eingeholt wurde, desgleichendass auch zur Veröffentlichung eine Zustimmung nichteingeholt worden ist. Was die Erhebung der Klage anbe-langt, so muss festgestellt werden, dass sie ohne Zu-stimmung des Porträtierten erfolgt ist , beziehungs-weise, dass klagende Partei eine solche Zustimmungweder behauptet, noch unter Beweis stellt. Der Kläger brachte in rechtlicher Beziehung vor, dass es sich umeine Reportageaufnahme handelt, die nicht den Bestim-mungen des § 13 U.R.G. unterliege, daher eine Zustim-mung des Abgebildeten zur Veröffentlichung nicht not-wendig sei; dass sie aber dies auch im Falle des § 13 Abs. 2U.R.G. nicht notwendig sei, weil gegebenen Falls keinEingriff in das Urheberrecht nicht vorliege.

§ 13 Abs. 2 U.R.G. bestimmt, dass bei Photographie-porträts die Aushebung des Urheberrechtes nicht in allen

Fällen an die Zustimmung der dargestellten Person oderihrer Erben gebunden ist. Es statuiert neben dem Ur-heberrecht noch ein vom Urheberrecht durchaus unabhän-giges Persönlichkeitsrecht der dargestellten Person, dassogenannte „Recht am eigenen Bilde“. Dabei machtdas Gesetz keinen Unterschied, ob das Bild bestelltist oder nicht, ob es sich um eine Aufnahme mit Zustim-mung der dargestellten Person oder um eine zufälligeAufnahme oder um eine Reportageaufnahme, wie Kläger die gegenständliche Aufnahme zu bezeichnen beliebt,handelt. Sicherlich stehen auch solche Reportageauf-nehmen unter dem Schutze des § 13 Abs. 2 U.R.G.

Zur Entscheidung des vorliegenden Falles warzu untersuchen, was unter „Ausübung des Urheberrech-tes“ im Sinne des § 13 Abs. 2 U.R.G. zu verstehen ist.Unter den Worten „Ausübung des Urheberrechtes“ imSinne des § 13 U.R.G. sind nur solche Handlungen zuverstehen, die „eine unter das Urheberrecht fallen-de Verfügung“ (siehe § 45 Zl. 3) darstellen (vgl.Seiler, österr. Urheberrecht, Seite 52), dasheisst solche Verfügungen, die sich als Ausübung desInhaltes des Urheberrechtes, wie er im § 35 U.R.G. umschrieben ist, darstellen (vgl. Seiler, ebendort).Von der Ausübung des Inhaltes des Urheberrechtesist aber der Schutz des Urheberrechtes zu unterscheiden;auch das Gesetz behandelt ja diese beiden Materiengetrennt.

Die Zustimmung des Dargestellten ist also fürsolche Handlungen, die sich nicht als Ausübung desInhaltes des Urheberrechtes, sondern nur als Mass-

nahmen zum Schutze gegen Verletzungen des Urheberrech-tes darstellen, nicht erforderlich. Dies erhellt auchaus Folgendem: Wäre die Zustimmung des Porträtiertenauch dann erforderlich, wenn der Urheber sein Urhe-berrecht nicht ausübt, sondern nur schützt, so könnteder Dargestellte das Urheberrecht dadurch illusorischmachen, dass mit seinem Einverständnis dritte Per-sonen Eingriffe in das Urheberrecht des Porträtierendenbegehen; dieser der Urheber könnte nichts unternehmen, um seineRechte zu wahren, weil der Dargestellte die Zustim-mung hiezu verweigert. Dies ist wohl sicher nichtin der Absicht des Gesetzes gelegen.

Zu 3.): Die Berufung auf § 34 Zl. 1 U.R.G. istunzutreffend. Diese Gesetzesstelle findet nur dannAnwendung wenn ein neues Werk geschaffen wird, wobeieine schon bestehende Photographie als Vorwurf dient,oder ein Werk in Anlehnung an eine bestehende Photo-graphie geschaffen wird. Dies ist hier nicht der Fallund vom Beklagten auch gar nicht behauptet worden. Eswar nicht die vom Kläger verfertigte Photographie An-lass, beziehungsweise Vorbild für den Artikel. Es fehltsohin das Anwendungsgebiet für den § 34 Zl. 1 U.R.G.

Der Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolgauf § 34 Zl. 4 U.R.G. stützen, dieser Bestimmung zu-folge ist die Aufnahme einer Photographie bloss zurErläuterung des Textes in ein Schriftwerk nicht alsEingriff in das Urheberrecht anzusehen. Das Gerichthatte sich daher die Frage vorzulegen, ob dies imgegenständlichen Falle zutreffe, musste dies aber ver-neinen.

Zwischen Photographie und Text besteht zwar ein

Zusammenhang; dies genügt aber noch nicht. Vielmehrmusste die Photographie auch zur Erläuterung des Tex-tes dienen, das heisst (vgl. Seiler, österr. Urheber-recht, Seite 121) „die Aufnahme … in das Schrift-werk muss dar um in begründet sein, dass sie zum Verständ-nisse, zur Erläuterung, zur Verdeutlichung des Textesnotwendig oder erforderlich ist.

Dies trifft im gegenständlichen Falle nicht zu.Der erwähnte Artikel handelt von dem in der Öffent-lichkeit zur Diskussion stehenden VermögensverfallRothschilds; das Bild dagegen stellt Rothschild beieinem Rennen dar. Zwischen Artikel und Bild bestehteigentlich nur der Zusammenhang, dass es sich inbeiden um Rothschild handelt. Ein näherer Zusammenhangfehlt. Es fehlt aber vor allem auch das Moment, dassdas Bild „zum Verständnisse, zur Erläuterung oder zurVerdeutlichung des Textes notwendig oder erforderlichwäre. Der Text lässt sich genau so gut auch ohne dasBild lesen und verstehen. Damit ist die Berufung auf§ 34 ZI. 4 hinfällig.

Zu 4.): Abwegig ist auch der Hinweis auf§ 25 ZI. 2 U.R.G.

Wenn man auch Photographien unter dem BegriffSkizzen und Zeichnungen“ unterordnet, so erscheintdoch vorliegendenfalls die Anwendung des § 25 ZI. 2U.R.G. ausgeschlossen.

Als „grösseres Ganzes“, in welches die Auf-nahme der Photographie erfolgt ist, ist nach Ansichtdes Gerichtes nicht die Zeitschrift „Die Fackelals solche, sondern der gegenständliche Artikel anzu-sehen. Dass dieser kurze, nur 67 Zeilen umfassende

Artikel nicht als „grösseres Ganzes“ anzusehen ist,liegt wohl auf der Hand.

Es würde aber euch an der Sachlage nichts ändern,wenn man als das „grössere Ganze“, in welches dieAufnahme erfolgt ist, nicht den einzelnen Artikel, son-dern die „Fackel“ als solche ansieht. Die Bestimmungdes § 25 ZI. 2 U.R.G. gibt nur zu Gunsten wissenschaft-licher Werke, nicht aber auch der übrigen literarischenWerke. Als wissenschaftliches Werk im Sinne des § 25ZI. 2 U.R.G. kann weder der klagegegenständliche Artikelnoch auch die Zeitschrift „Die Fackel“, auch ange-sichts des Umstandes, dass zum grossen Teil darinZeitkritik geübt wird, angesehen werden.

Wenn schliesslich Beklagter noch darauf hinwies,dass er in einem ähnlichen Falle im Jahre 1915 obsiegte,so muss dem entgegengehalten werden, dass das Gericht an andere Entscheidungen nicht gebunden ist.

Es war daher dem Klagebegehren stattzugeben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41ZPO.

Landesgericht für ZRS. Wien,Abt.16, am 28.12.1931.König

Kraus Rübelt12. JAN. 1932