167.19 Revisionsbeantwortung der beklagten Partei (eingereicht von Samek beim Landesgerichts für Z.R.S. Wien, G.Z. 16 Cg 552/31)

Materialitätstyp:

  • Durchschlag
Datum: 2. Mai 1932
Stempel: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien
Seite von 6

2. Mai 1932.Dr.S/Fa.

G.Z. 16 Cg 552/31/15

An dasLandesgericht für ZRS. Wien.

Klagende Partei: Lothar Rübelt, Photograph in Wien I.,Wollzeile Nr.14,durch:Dr. Otto Gustav Wächter Rechtsanwalt in Wien IV.,Margarethenstrasse 47.

Beklagte Partei: Karl Kraus, Eigentümer, Herausgeber undverantwortlicher Redakteur der ZeitschriftDie Fackel‘, Wien III., Hintere Zollamtsstrasse Nr.3.durch:

wegen Verletzung des UrheberrechtesStreitwert S 2.000.– 2 fach1 Rubrik

Revisionsbeantwortung der beklagten Partei.

Dass der Beklagte nach den § 34, Z. 4 und36 des Urheberrechtsgesetzes berechtigt war, das Bild alsErläuterung des Textes zu veröffentlichen, wurde vom Beru-fungsgericht so ausführlich und erschöpfend begründet, dassdieser Begründung kaum etwas hinzugefügt werden muss. Obwohlnun die Heranziehung dieser Paragraphen zur Abweisung desKlagebegehrens vollständig ausreicht, so würde doch der Be-klagte und die interessierte Oeffentlichkeit des Obersten Ge-richtshofe Dank wissen, wenn auch die andern in diesem Prozes-se wichtigen Rechtsfragen in seiner Entscheidung erörtert wurden,zumal da es sich um Rechtsfragen handelt, die selten Grundlageeines Prozesses, dafür aber öfter der praktischen Erwägung sind.

Wenn der Kläger die Entscheidungsgründe desBerufungsgerichtes anerkennt, der Artikel „Rothschild muss sicheinschränken“ enthalte Zitate aus Zeitungen, aber nicht einfachaneinandergereiht, sondern von einem einheitlichen Gesichts-punkte aus gruppiert und in Ausführungen eingefügt, die derMeinung des Verfassers des Artikels Ausdruck geben, dass in die-sen Zeitungsberichten die Bedeutung Rothschilds für Wien, mag erbei seiner bisherigen Lebensführung bleiben oder sie ändern, un-sachlich, unrichtig und mit einem gewissen Widerspruch mit dersonstigen Einstellung dieser Zeitungen behandelt werde, und dassdas vorliegende Bild organisch in den Artikel eingefügt erscheint,so muss er auch die Anwendbarkeit der §§ 34, Z. 4 und 36 des Ur-heberrechtsgesetzes anerkennen, insbesondere, wenn er auch derMeinung ist, dass die Aufnahme des Bildes in dem Artikel diesenbesonders anschaulich gemacht und dadurch erläutert hat. Dassder Kläger das Urteil des Oberlandesgerichtes falsch zitiert,führe ich nicht auf seine Absicht zurück, die Abweichungen zu

seinen Gunsten zu verwerten, und er könnte diesen Erfolg auchnie erreichen, da das Urteil ja vorliegt, immerhin muss dieseUngenauigkeit in der Zitierung erwähnt werden, da es doch einUnterschied ist, ob der Artikel durch die Aufnahme des Bildesanschaulicher“ oder „besonders anschaulich“ gemacht wurde.

Es muss dem Kläger zugegeben werden, dass die Anerkennungdes Eigentumsrechtes, der Schutz der geistigen und manuellenArbeit und des Produktes dieser Arbeit ein fundamentaler Grund-satz der österreichischen Gesetzgebung ist. Aber ein ebensofundamentaler Grundsatz des österreichischen und jedes anderenUrheberrechtsgesetzes ist, die geistige Arbeit selbst zu fördernund ihr nicht durch kleinliche Auslegung Hindernisse zu bereiten.Insbesondere begünstigt die Urheberrechtsgesetzgebung die gegen-seitige Befruchtung der verschiedenen Kunstgattungen und der wis-senschaftlichen Arbeiten. Dieser Grundgedanke zieht sich ebensodurch das ganze Urheberrechtsgesetz hindurch, wie der Schutz desgeistigen Eigentums.

Der Kläger meint, das Urheberrechtsgesetz müsse einengendinterpretiert werden und deshalb könne ein „Anschaulich machennicht als „Erläuterung“ gelten. Aber er führt nicht aus, welchenUnterschied er in den Worten „erläutern“ und „anschaulich machen“findet. Es ist auch kein Unterschied vorhanden, beide Ausdrückesind lediglich aus einer anderen Vergleichssphäre bezogen, bedeu-ten jedoch inhaltlich das Gleiche. Webers Handwörterbuch derdeutschen Sprache bemerkt: zu „erläutern“: lauter machen; (uneig.:)deutlich machen, erklären; zu „anschaulich machen“: etwas sinn-lich darstellen, deutlich machen.

Wenn der Kläger behauptet, die Aufnahme des Bildes sei zurErläuterung des Textes nicht notwendig und nicht erforderlich ge-

wesen, so irrt er. Man möge den Artikel lesen und sich das Bildhinweg denken, und man wird zur Erkenntnis kommen, dass es nichtmehr derselbe Artikel ist, dass ein wesentlicher Gedankengangdaraus eliminiert bleibt. Vielleicht hätte der Kläger mit dieserseiner Ansicht und mit der weiteren, dass die Wiedergabe des Bildeseine Ausschmückung des Artikels bedeute, recht, wenn dieses Bildnicht mit den erläuternden Worten versehen gewesen wäre „Roth-schilds Dagger – nur Zweiter!“ Mit diesen erläuternden Wortenaber ist das Bild nicht mehr eine blosse Photographie, sondernschon ein Urteil, das in dem Zusammenhang des Artikels nicht nurhineinpasst, sondern notwendigerweise ausgenommen werden musste.Ohne Aufnahme des Bildes wäre der Artikel nicht nur teilweise un-verständlich, sondern er würde überhaupt eines wesentlichen gei-stigen Bestandteiles entbehren müssen. Bei der Darlegung seinerGedanken kann nun der Schriftsteller nicht davon abhängig gemachtwerden, ob ihm der Photograph die Erlaubnis zur Veröffentlichungdes Bildes erteilt oder nicht. Nicht um die üblichen Honorare fürdie Photographien zu ersparen – das Honorar beträgt S 10.–, son-dern um nicht von der Genehmigung des Klägers bei der künstleri-schen oder wissenschaftlichen Arbeit abhängig zu sein, machte derBeklagte von dem Rechte des § 34, Z. 4 U.R.G. Gebrauch.

Ueber die neue Behauptung, der Herausgeber der Fackel seidurch das Bild auf den Gedanken gekommen, Exzerpte aus anderenZeitungen um dieses Bild zu sammeln und damit seine nicht sehr be-gehrte Zeitschrift zu beleben, braucht wohl nicht weiter gespro-chen werden, da wohl angenommen werden darf, dass seine 34jähri-ge Tätigkeit in Wien bekannt ist. Im Laufe dieser 34 Jahre istdie Fackel in einem schätzungsweisen Umfang von 20.000 Seiten er-schienen und dürfte während dieser ganzen Zeit ungefähr 20 Abbil-

dungen veröffentlicht haben. Das Mäntelchen des Textes um dieseAbbildungen wäre denn doch zu reich ausgefallen, selbst wennman den wohlgelungenen photographischen Schnappschuss des Klä-gers ebenso hoch einschätzt, wie er selbst.

Ich stelle den Antrag, das Urteil des Be-rufungsgerichtes zu bestätigen und auszusprechen, dass derKläger schuldig ist, mir die Kosten der dritten Instanz binnen14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Karl Kraus.

An Kosten verzeichne ich:Revisionsbeantwortung verfasst S 120.–10% Einheitssatz S 12.–S 132.–10% Krisenabschlag S 13.20S 118.802% W.U.St. S 2.38Stempel S 7.50S 128.68

St. 7.501 a 3.– 3.–3 à 1.50 4.507.50

KrausRübelt2/5. 32