168.4 Brief Samek an RA Willy Katz

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 10. Februar 1932
Betreff: Kraus – Landsberg.
Diktiersigle: Dr.S/Fa.

Empfänger

An: Dr. Willy Katz, | Rechtsanwalt
Friedrichstrasse Nr. 204
Berlin SW 68
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Kollege!

Wie Sie wissen, hat Herr Kraus gegen denRechtsanwalt Otto Landsberg eine Beleidigungsklage eingebracht,die mit einem beigelegten, Herrn Kraus gestern, den 9. Februar1932 zugestellten Beschluss, abgetan wurde. Ich glaube, dassdiese Klage noch von Herrn Dr. Laserstein verfasst, und weissnicht, ob der gleiche Beschluss nicht ihm schon vor längererZeit zugestellt worden ist, so dass ein Rechtsmittel nicht mehreingebracht werden kann. Sie müssen dies aus dem Gerichtsakt er-heben. Wenn aber die Rechtskraft dieses Beschlusses noch nichteingetreten ist, sei es, dass Herr Dr. Laserstein oder Sie einensolchen Beschluss nicht erhalten haben oder die Rechtsmittel-frist vom Tage der Zustellung an den Privatankläger selbst zulaufen beginnt, so bittet Sie Herr Kraus, gegen diese absonder-liche Entscheidung ein Rechtsmittel zu erheben. Besonders erlaubeich mir Ihre Aufmerksamkeit auf die am Rand rot angestrichenenStellen zu lenken, die wohl eine absurde Begründung für dieGeringfügigkeit der Beleidigung darstellen. Auch wäre es in-teressant, zu wissen, welche Ermittlungen das Gericht vorge-nommen hat, um sich über den Verlauf der Berufungsverhandlungvom 19. Oktober 1931 zu orientieren. Herr Kraus will auch IhreAufmerksamkeit darauf lenken, dass der Unterzeichnete Dr. Bues

nach seinem Erinnern der Richter erster Instanz war, dessenUrteil von der zweiten Instanz aufgehoben wurde und er ver-mutet, wenn dies der Fall sein sollte, dass die jetzige Ein-stellung eine Reaktion auf die Abänderung des Urteils in derHauptsache darstellt.

Merkwürdig erscheint auch die Wendung, dassHerr Landsbergals gewissenhafter Anwalt von seinem Stand-punkte aus die Beweisanträge des Privatklägers als Verschleppungs-anträge und rücksichtslose Ausnützung der strafrechtlichen Ver-fahrensvorschriften empfinden konnte, zumal diese Anträge vonder herausfordernden Miene des Privatklägers begleitet wurden.Wenn Herr Landsberg Anträge des Privatklägers als Verschleppungs-anträge betrachtete, so konnte er sich gegen die Zulassung derAnträge aussprechen. Das hat mit seiner Gewissenhaftigkeit garnichts zu tun, im Gegenteil, wenn es auf Gewissenhaftigkeitüberhaupt ankommt, so hatte er sachlich zu prüfen, ob die Anträgedes Privatklägers berechtigt waren oder nicht. Es wäre eine ab-surde Meinung, jemanden, dem Anträge der Gegenseite nicht pas-sen, das Recht zuzugestehen, anstatt mit sachlichen Gegenargu-menten, mit Beleidigungen zu reagieren, am allerwenigsten abermit Formalbeleidigungen. Die Gewissenhaftigkeit eines Anwaltesmüsste sich doch in erster Linie dahin ausdrücken, dass ihmsolche Entgleisungen“ nicht passieren. Ferner möchte ich daraufhinweisen, dass das Gericht in seinem Beschluss sagt, dass dieWorte des Beschuldigtenals offensichtliche, nicht streng zuahndende Entgleisungen“ zu würdigen sind, durch die Einstellungdes Verfahrens aber nicht einmal eine milde Ahndung dieser Ent-gleisungen vornimmt. Da Sie ja selbst bei dieser Berufungsver-handlung interveniert haben, werden Sie sich ja auch über das

eigene Verhalten des Privatklägers“, das ihm einer straflosenBeleidigung ausgesetzt hat, ja ein Bild machen können unddarauf entsprechend reagieren.

Indem ich Sie bitte, mir Ihre Ansicht überdie Sache mitzuteilen, zeichne ich mit den besten Grüssen und vor-züglicher kollegialer Hochachtung

Ihr ergebener

1 BeilageRekommandiert.

KrausLandsberg