168.11 Brief Samek an RA Willy Katz

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 25. März 1932
Betreff: Kraus – Landsberg.
Diktiersigle: Dr.S/Fa.

Empfänger

An: Herrn | Dr. Willy Katz, | Rechtsanwalt
Friedrichstrasse Nr. 204
Berlin SW 68
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Kollege!

Ich bekenne mich zum Empfang Ihres Schrei-bens vom 18. ds.Mts. und habe dazu und zu dem Schriftsatz desHerrn Landsberg das Folgende zu erwidern.

Es wurde von Ihnen missverständlich die Be-hauptung des Schriftsatzes dahin ausgelegt, dass Herr Kraus von Herrn Landsberg direkt eine Ausfertigung des Beschlusses am 17. Februar (soll richtig heissen 17. Januar) erhalten hat.Herr Landsberg schliesst nur aus der Tatsache, dass ihm die-ser Beschluss am 16. Januar zugegangen ist, es müsse Herr Kraus am 17. Januar in dessen Besitz gewesen sein. Dies ist aber unrich-tig; wie sich ja aus dem Rückschein oder bei der Post erhebenliesse, erfolgte die Zustellung des Beschlusses, wie ich Ihnenschon mitgeteilt habe, erst am 9. Februar 1932.

Zu den weiteren Ausführungen des Herrn Lands-berg wäre zu sagen, dass es eine perfide Erfindung ist, HerrnKraus den Vorwurf zu machen, er habe versucht, „Menschen, diemit dem Prozess auch nicht das Mindeste zu tun haben, hineinzuziehen,nur in der offenbaren Absicht, sie blosszustellen“. Herr Kraus wurde davon unterrichtet, dass sowohl Herr Weismann, wie die

als Zeugin geführte Schauspielerin Tatzeugen von Umständenwaren, die das Prozessthema bildeten, was ja auch sehr leichtmöglich war, da sie vor dem Unfrieden mit Herrn Kerr schonwegen der nahen Beziehungen zu diesem Kenntnis von mancherleiTatsachen erhalten haben konnten, die das Leben des Herrn Kerrbetreffen. Ich glaube, es wäre aufs Schärfste zurückzuweisen,dass Herr Landsberg, der ja zu seiner Verteidigung allesWahre und Unwahre heranziehen darf, die Gelegenheit benützt,um Herrn Kraus neuerlich zu beleidigen, und davon spricht, essei irgend etwas, was Herr Kraus getan habe, als „würdelos“ zubezeichnen oder es habe ihn eine „perfide Handlungsweiseempört. Man ersieht daraus auch, dass Herr Landsberg gar nichtin der Lage ist eine Prozessführung sachlich zu behandeln,denn wenn es noch verständlich wäre, dass die Prozessparteienselbst sich in der Aufregung zu manchem hinreissen lassen, sokann man dies keinesfalls auch von dem Parteienvertreter ver-stehen, der die Verpflichtung hat, objektiver Sachwalter zusein. Ich weiss nicht, ob es eine ähnliche Bestimmung in derdeutschen Anwaltsordnung, wie sie die österreichische kennt, gibt,die ausdrücklich bestimmt, der Anwalt sei befugt, alles waser nach dem Gesetz zur Vertretung seiner Parteien für dienlicherachtet, unumwunden vorzubringen, ihre Angriffs- und Verteidi-gungsmittel in jeder Weise zu gebrauchen, welche seiner Voll-macht, seinem Gewissen und den Gesetzen nicht widerstreiten.Beleidigungen widerstreiten den Gesetzen und gehören nicht zujenen Angriffs- und Verteidigungsmitteln, die den Gesetzen ent-sprechen.

Was den Vorwurf des Herrn Landsberg betrifft,Herr Kraus sei dafür bekannt, dass er seine Widersacher in der

ungeheuerlichsten Weise zu schmähen pflege, so ist dazu zuerwidern, dass dies vielleicht der Fall ist, aber dass HerrKraus dafür auch stets die Verantwortung im Gerichtssaal aufsich genommen und den Wahrheitsbeweis für seine Behauptungenangetreten hat, was ja auch Herrn Landsberg möglich ist. Erhat sich keinesfalls je auf eine Notverordnung berufen, umsich einer Verantwortung zu entziehen. Dass Leute, die HerrKraus in der Fackel angegriffen hat, mit Tätlichkeiten ant-worteten, ist nicht darauf zurückzuführen, dass sie sich durchdie beleidigenden Aeusserungen dazu verleiten liessen, sondern,dass ihnen die Wahrheit der von Herrn Kraus mitgeteilten Tat-sachen unangenehm war. Ich übersende Ihnen die Durchschrifteiner Klage an das Strafbezirksgericht I in Wien, aus dem Sieden Sachverhalt, der diesen Behauptungen zu Grunde liegt, ent-nehmen können. Es dürfte auch nicht unwichtig sein, dass allediese Vorfälle 38. bis 27. Jahre zurückliegen und vielleicht mages das Gericht interessiert, dass der verantwortliche Redakteur des „Neuen Wiener Journals“ zu S 200.– Geldstrafe verurteiltwurde, weil er die pflichtgemässe Obsorge vernachlässigt hatteund die Aufnahme der inkriminierten Stelle nicht verhinderte.

Es ist auch richtig, dass der SchriftstellerPfemfert Herrn Kraus früher einmal als den meistgeohrfeigtenMann von Wien bezeichnet hat. Er hat diese Aeusserung zurück-gezogen und sie bereut. Es ist aber vollständig unrichtig, dassHerr Kraus und Pfemfert jetzt intime Freunde sind. Die Be-hauptung, Kraus habe Maximilian Harden früher als den grösstenLügner der Welt bezeichnet, während er jetzt eine Art Kultusmit ihm betreibt, ist glatt unwahr. Kraus hat Harden niemalsals grössten Lügner der Welt bezeichnet, er hat ihn allerdings

wegen dessen publizistischer Haltung heftig angegriffen. Ertreibt auch keinen Kultus mit ihm, sondern er hat lediglicheinen Ausspruch Hardens auf dem Totenbett, der schon diesesUmstandes wegen und bei logischer Erwägung den Stempel derWahrhaftigkeit an sich trägt, verwertet.

Herr Landsberg beschwert sich in demSchriftsatz auch darüber, es habe Herr Kraus seine „völligsachlichen Ausführungen“ durch lautes Gelächter unterbrochen.Herr Kraus ist sich nicht bewusst, zu den Ausführungen desHerrn Landsberg laut gelacht zu haben, es ist aber möglich,dass er zu diesen Ausführungen gelächelt hat, besonders,wenn sie ebenso sachlich waren wie sein Schriftsatz, dessenArgumentationen in dem Glauben schliessen, nicht dieEmpfindlichkeit habe Herrn Kraus zur Privatanklage veranlasst,sondern das „ihm eigene Bedürfnis nach Sensationen“. DieArgumentationen des Herrn Landsberg und ein Prozess mit ihmbedeuten für Herrn Kraus gewiss keine Sensation, wohl aberAnlass zur Heiterkeit.

Die eingesendete Durchschrift der Klage erbitte ich mir zurück.

Ich zeichne mit herzlichen GrüssenIhr ergebener Kollege

1 Beilage.

KrausLandsberg