173.39 Brief Verlag Die Fackel an Universal-Edition

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Sender

VERLAG „DIE FACKEL“
HINTERE ZOLLAMTSSTR. 3
WIEN, III.
Datum: 29. März 1932

Empfänger

An: die | Universal-Edition A.G.
Karlsplatz
Wien I.
Seite von 8

1.IV.32 Dr. Samek

Sehr geehrte Herren!

Auf Ihr Schreiben vom 24. März haben wir Ihnen nunmehr diefolgende Antwort zu erteilen, die die letzte sein wird, da wir allesWeitere unserem Rechtsvertreter überlassen. Diese Mitteilung dient nebstdem konkreten Verlangen, das wir späterhin aussprechen, lediglich demZweck, Ihnen die Hoffnung, sämtliche Punkte unseres Schreibens „in voll-kommen einwandfreier und eindeutiger Weise erledigt zu haben“, als Illu-sion erscheinen zu lassen, die tatsächlich in eben dieser Weise erledigtwird. Was die Eindeutigkeit anlangt, so wäre diese freilich insofern ge-geben, als ein Schulbeispiel des Versuchs vorliegt, die Methode derDummacherei durch plausible Darlegung des Absurden und durch einen Ton-fall der Korrektheit, für den ein inkorrekter Sachverhalt kein nennens-wertes Hindernis bildet, am denkbar untauglichsten Partner zu betätigen.Falls Sie beim Schreiben oder wenigstens beim Durchlesen Ihres Briefes wirklich nicht darauf gekommen sein sollten, welche einander widerstre-benden Gedankengänge Sie da für den Effekt Ihres unschuldigen Gewissensbemüht haben, so müssen wir Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie nun-mehr (statt einer Entschuldigung für die Nichtaufnahme jener Klauselund für die Verheimlichung dieser Nichtaufnahme) Ihre Rechtsansicht,die Bestimmung des Kartellvertrages sei ein ausreichender Schutz, zu derÜberzeugung erweitern, selbst deren Verstärkung durch die Klausel seikein ausreichender Schutz, um unvermittelt in den Gedanken überzugehen,daß die Bestimmung als solche ein ausreichender Schutz sei, wie der Fallder Krolloper beweise, wo die bloße Drohung mit dem Kartellvertrag ge-nügt habe. Wirklich versichern Sie, daß Sie „nach wie vor der Ansichtsind“ – man möchte glauben, der Ansicht, daß die Bestimmung ausreiche –nein, der Ansicht, daß selbst die Klausel nicht ausreiche, welche An-sicht Sie bisher nicht geäußert haben, indem Sie doch immer nur der An-sicht waren, sie sei überflüssig, einer Ansicht, die Sie offenbar zu der still-schweigenden Ignorierung der Klausel und Verletzung unseres Übereinkom-mens bestimmt hat. Sie meinen nun, die Ungeheuerlichkeiten in Prag undEssen hätten sich sowieso zugetragen, weil sich eben „im Theaterbetriebweder durch Verträge noch durch Klauseln derartiges aus der Welt schaf-

fen lasse. Anstatt nun aus dieser Erkenntnis die einzig logische undsittliche Konsequenz zu ziehen: von dem Vorschlag auf Lösung unseresVertrages Gebrauch zu machen, indem es doch eine unerträgliche Belastungeines reinen Gewissens wäre, die unausweichliche künstlerische Kompro-mittierung eines Werkes, für das man sich erwärmt, auf den Verdacht hingewähren zu lassen, daß kein anderer Grund als der der Gewinnsucht fürsolche Beharrlichkeit angenommen würde; anstatt sich rasch zu entschlie-ßen, Herrn Karl Kraus aus dem unabänderlichen Unflat eines „Theaterbe-triebs“ zu befreien, setzen Sie dieselbe Gedankenlinie, die der vollenAussichtslosigkeit entgegenführt, zu der Reminiszenz fort: „Wir dürfendaran erinnern“, nämlich daß es im Fall der Krolloper gelungen sei, dasAttentat durch die bloße Berufung auf das Gesetz, das also vollständigausreicht, abzuwehren. Wir hätten erwartet, daß Sie logisch fortsetzenduns vielleicht erinnern wollten, daß Sie uns immer schon gewarnt hät-ten, weil eben weder Gesetz noch Klausel etwas nütze, und uns immer zu-geredet hätten, die Verbindung mit einem Vertrieb aufzugeben, der solchePreisgabe eben ermöglicht. Wir möchten Sie fragen, ob Sie im Ernstglauben, auf solchen Gedankenbahnen, die doch ein wenig rutschig sind,vor den Augen des Herrn Karl Kraus bestehen zu können; ob solches Argu-mentieren die Schreibmaschinarbeit lohnt und ob es gar die Anerkennungverdient, als bloß eindeutig bezeichnet zu werden. Wir möchten Sie aberauch fragen, ob Sie sich, wenn Ihnen der Fall der Krolloper vorbildlichscheint, erinnern, mit wessen Arbeit, Mühsal, Nervenkraft, Zeit undGeld das Attentat abgewehrt wurde – gegenüber einer ausdrücklichenBerufung der Direktion, es gerade auf Grund jener allgemeinen Bestim-mung begehen zu dürfen –; und ob Sie sich wirklich die Entwicklung derDinge so vorstellen, daß Herr Karl Kraus zur Abwehr eines Attentats je-desmal an den Tatort reisen und seine Kraft an die Abstellung von Lum-pereien vergeuden wird, die er sich doch einfacher so vom Hals haltenkönnte, daß entweder gar keine Theaterverträge oder niet- und nagel-feste gemacht werden und nicht solche, die ein Vertrieb eben noch er-langen kann, um ein Werk anzubringen. Wir sagen Ihnen klipp und klar,daß Sie die Schuld auf sich nehmen, einen Autor – der nicht dazu ge-eignet und gewillt ist – in diesen Circulus vitiosus von Interesseneinzubeziehen, den fortzuführen Sie keineswegs die Liebe zu einerMenschheit bestimmt, der Sie lieber einen besudelten Offenbach gewährenwollen als gar keinen; und daß jenem nichts übrig bliebe, als von Fall

zu Fall seinen Widerwillen gegen eine Verbindung zu fatieren, durch dieer gezwungen ist, seinen Namen zu der Verletzung eines Kunstwertes her-zugeben, den er retten wollte. Sie sind nicht gesonnen, diese Verbin-dung zu lösen. So bleibt uns zivilrechtlich nichts übrig als darauf zuachten, wie Sie innerhalb ihrer Ihren Verpflichtungen nachkommen. Umjedes weitere Mißverständnis auszuschließen“, haben Sie sich bereit er-klärt, in künftige Verträge mit Bühnen die Klausel aufzunehmen, von derSie sich so wenig versprechen, und gegen die zwei Bühnen, die der allge-meinen Bestimmung entgegen gehandelt haben, vorzugehen. Auf unserer Sei-te hat es zwar nicht das geringste Mißverständnis gegeben, da es unsdoch in vollkommen eindeutiger Weise festzustellen gelang, daß Sie eineVereinbarung bisher nicht eingehalten haben, und da uns doch nunmehrauch die Feststellung gelingt, daß Sie ohne ein Wort des Bedauerns überdieses Faktum und dessen bisherige Verheimlichung zur Tagesordnung wei-terer gedeihlicher Zusammenarbeit schreiten wollen, ohne eines jenerWorte des Bedauerns, die, wie Sie privat geäußert haben sollen, sich vollzäh-lig in Ihrem Schreiben an uns vorfinden. Da wir aber gern darauf ver-zichten, eindeutige Klarstellungen dem Zwischenraum zwischen den Zeilen,wo sie sich finden dürften, zu entnehmen, und uns dagegen sachliche Er-wägungen im künstlerischen Gebiet vielleicht so nahe liegen, wie einemBühnenvertrieb im kaufmännischen, so stellen wir Ihnen hiemit eine Fristvon 8 Tagen, innerhalb deren Sie uns beweiskräftig vor Augen führen sol-len, daß Sie gegen die Mißhandlung des Werkes „Madame l’Archiduc“ durchdie Theater in Prag und Essen auf Grund der Klausel, möge sie nachIhrer Rechtsansicht nun ein taugliches oder untaugliches Mittel sein, im Sinne unseresVertrages eingeschritten sind. (Über die etwaige Frage, ob Sie dann wei-tere Schritte zu unternehmen hätten, bitten wir Sie, sich nicht mit un-serem, sondern mit Ihrem Rechtsvertreter zu verständigen.) Die gleicheFrist stellen wir Ihnen für die Wiedergutmachung der Schäden, die Sie inIhrem eigensten Wirkungskreise, nämlich durch die Art des Verfahrens mitdem Material des Notentextes bewirkt haben.

Erscheint uns die Frage, ob Sie wie in vollkommen eindeutiger,so auch in vollkommen einwandfreier Weise vorgegangen sind, schon durchdie Eskamotierung der Klausel beantwortet, so möchten wir das Problemder Einwandfreiheit ganz besonders auf die Art beziehen, wie Sie mit demAutorrecht des Textautors in Ihrem eigensten Wirkungskreise umgegangensind und wie es Ihnen gelungen ist, wenigstens für die Madame l’Archi-duc, eine geradezu grundlegende Verstümmelung für den Bühnengebrauchherzustellen, die den Textautor noch weit empfindlicher berührt als dieVerwüstungen, die sich in der Bühnenpraxis Untalent und Beziehungslosig-

keit erlauben. Ganz so plausibel wie Ihnen erscheint uns Ihre Darlegung,was Sie da alles unternommen haben, keineswegs, da wir wissen, daß Siegar nichts unternommen und alles unterlassen haben, was zu unternehmenIhnen durch vertragliche Pflicht wie durch ein künstlerisches Gewissengeboten war, wofern dieses nur einigermaßen dem künstlerischen Interessenachkam, mit dem Herr Dr. Heinsheimer beispielsweise der Mitteilung desHerrn Kraus lauschte, wie es ihm in Prag gelungen war, aus der völligenWirkungslosigkeit des Crescendo einer Szene die Textverstümmelung fest-zustellen. Sie beginnen mit den Worten: „Was den zweiten Punkt IhresSchreibens, die Fehler im Musikmaterial der Madame l’Archiduc, anlangt,so haben wir sofort …“ Sofort haben Sie gar nichts getan, sonderneben erst nach unserem letzten Schreiben sich telephonisch mit RadioWien in Verbindung gesetzt und diesem die Arbeit der Verbesserung, dievon Ihnen längst und schon für Essen vorzunehmen war, überlassen. Soforthätten Sie sich selbst an die kaum mehr als einstündige Arbeit machensollen, als Herr Kraus von Prag zurückkam und Herrn Dr. H. erzählte,welche entsetzlichen Verwüstungen im Notentext er ermitteln konnte. Stattdessen haben Sie, wie Sie mit dem Tonfall vollkommener Arbeitsbereit-schaft erzählen, den Prager Kapellmeister um eine „Liste“ der Fehler er-sucht, die er – nicht Sie – nach Essen senden sollte. Wozu Sie uns er-zählen, daß Ihnen der Kapellmeister (mit Recht) geantwortet hat, einesolche Liste existiere nicht, ist beim besten Willen nicht zu verstehen.Die Liste, von der Sie selbst wußten, daß sie nicht existiere, erst an-zulegen, haben Sie dem Kapellmeister gewiß nicht ausdrücklich zugemutet,aber Sie haben wohl gehofft, daß er es tun werde, anstatt daß Sie selbstim Wege des Vergleichs von Buch und Notentext die Liste angelegt hätten,um sie selbst nach Essen zu senden. Der Prager Kapellmeister war so er-finderisch und entgegenkommend, den Leuten in Essen mitzuteilen, sie mö-gen sich in den Abweichungsfällen an das maßgebende Textbuch halten.Nicht einmal diese für den Gebenden sehr simple, für den Nehmendenschwierigere Anweisung haen Sie direkt dem Essener Theater gegeben,das – ein paar Tage vor der Aufführung – auf den Rat des Prager Kapell-meisters gepfiffen haben dürfte. Damit glaubten Sie alles Nötige vorge-kehrt zu haben. Sie waren dem Prager Kapellmeister für eine Korrespon-denzkarte, die er nicht zu schreiben verpflichtet war, dankbar. MitRadio Wien, für das Sie wieder nichts vorgekehrt hatten, haben Sie telephonischgesprochen und ein paar Tage vor der Sendung eine Arbeit durchführen

lassen, die ohne die persönliche Bemühung des Herrn Kraus schwer durch-zuführen war. Nicht einmal die vom Textautor (mit seinen Strichen)festgelegte Einrichtung des Dialogtextes hatten Sie dem Wiener Rundfunk gegeben, so wenig wie vorher den Theatern in Essen und (für „Perichole“)in Köln. Der Essener Direktor war sehr erstaunt, als er von Herrn Kraus in Berlin die Striche mitgeteilt bekam, von denen er bis dahin nichtsgewußt hatte. Mit Köln mußten wir im Zusammenhang mit den Strichen desAutors, die bei der dortigen Erstaufführung der „Perichole“ noch garnicht angebracht waren, eine umständliche Korrespondenz führen (dasganze Problem der Kürzungen wäre dort nicht aufgetaucht, wenn das Thea-ter den eingerichteten Text gehabt hätte); und schließlich mußte jaauch für die Städtische Oper in Berlin, die Gott sei Dank die Madamel’Archiduc nicht aufführt, das Textbuch von Herrn Kraus in Berlin ersteingerichtet werden. (Auch für Düsseldorf hat er seines Erinnerns demihn besuchenden Intendanten die Striche in „Madame l’Archiduc“ diktiert.)Von der Arbeit des Herrn Kraus für Radio Wien – von deren SchwierigkeitSie sich natürlich gar keine Vorstellung machen, da, ganz wie in Prag,die Mitwirkenden sich mit Recht darüber beklagen, daß sie nunmehr einenandern Text vorgesetzt bekommen als den, den sie schon gelernt haben –,von dieser Arbeit erhoffen Sie sich, wie immer, ein für künftige Fälledienliches Resultat – es handelt sich ja um „eine von Herrn Karl Kraus geleitete Aufführung“ –, ganz wie Sie nebst auf Gott auf den persönlichintervenierenden Autor die Hoffnung setzen, daß Verträge schließlichvielleicht doch gehalten werden. Sind diese vorerst verletzt worden, sosind Sie maßlos erstaunt und konfrontieren, nicht ohne Tadel, sei es ge-gen das Schicksal sei es gegen Herrn Kraus, die Tatsache seiner persön-lichen Anwesenheit (in Prag) oder seiner Konferenz (mit dem Herrn ausEssen, die doch „sehr zur Zufriedenheit des Herrn Kraus ausfiel“) mitdem Mißeffekt. Sie haben ja alles vorgekehrt und an Ihnen kann es alsonicht liegen. Bei der Radiosendung kann doch mit dem Text nichts mehrpassieren, da ohnedies Herr Kraus dabei ist, und nach Essen haben Sieüberdies“ – nebst der Korrespondenzkarte des Prager Kapellmeistersdie Zusendung eines in Wien auskorrigierten Auszuges „ avisiert“ (dreiWochen nach der Erstaufführung), damit „eventuell doch noch vorhandene Abweichungen korrigiert werden können“. Ihr Auszug dürfte dort nach Ab-setzung der Madame l’Archiduc eintreffen, für deren doch noch vorhande-ne Abweichungen wir Ihnen garantieren können. Was wir nach so vollkommeneinwandfreier und eindeutiger Erledigung Ihrer Pflichten wie unsererZweifel nicht in Abrede stellen möchten, ist, daß Sie alles getan, allesvorgekehrt und nichts unterlassen haben, um Verträge mit Bühnen zu

schließen, was ja gewiß die wichtigste Aufgabe eines Vertriebes bildet.Leider waren es aber durchwegs solche Verträge, deren Erfüllung – und aufGrund des von Ihnen hergestellten Materials – Herrn Karl Kraus nichtnur künstlerischen Schaden als solchen, sondern dieses ganze Chaoseiner Arbeit zugezogen hat, die zu dessen Wiedergutmachung notwendigwar.

Ihre Erklärung, daß Herr Dr. Heinsheimer am 5. März jenenoffiziellen Aufsatz, der die Schändung der Madame l’Archiduc in Essen als einedramaturgische Tat verkündet, noch nicht gekannt hat, nehmen wir gernzur Kenntnis. Ganz ebenso wie das Schweigen über das Faktum, daß ihmdurch anderthalb Jahre die Nichterfüllung unseres Vertrages im Punkteder Klausel bekannt war.

Wenn wir im Voranstehenden Ihnen wohl zu erkennen gegeben ha-ben, daß wir weder von der Einwandfreiheit der Erledigung sämtlicherPunkte noch von der Ihres Verhaltens in eben diesen durchdrungen sind,so möchten wir das Problem zum Schluß noch auf den inzwischen einge-tretenen Punkt der Herausgabe der Gesangstexte beziehen. Selbst wennes berechtigt wäre, zu behaupten – was wir bestreiten –: daß es zwi-schen Ihnen und Herrn Kraus zu einer wenngleich nur mündlichen, so dochbindenden Abmachung wegen Herausgabe des Gesangstextes der Madamel’Archiduc gekommen sei, so wäre doch der exorbitante Fall eingetreten,daß Sie – wofern Sie nicht auch behaupten wollten, Herr Kraus habeIhnen gesagt, daß Sie das Buch wann und wie Sie wollen herausgeben kön-nen, ohne ihm einen Abzug vorzuweisen, und daß Sie ihn mit dem Erschei-nen überraschen mögen –, so wäre also der Fall eingetreten, daß Leserdes Buches um zwei Tage früher als der Autor von der Existenz des Bu-ches gewußt haben. Sie haben zwar in verschiedenartigen Angaben denVersuch gemacht, diese Zeitdistanz zwischen dem Bewußtwerden des Le-sers und des Autors zuerst auf eine ungefähre Gleichzeitigkeit (mitNachsicht des Postweges), dann auf einen Tag herabzusetzen, aber dieTatsache bleibt bestehen, daß eine Buchhandlung am 23. Mittags 100Exemplare gehabt und der Autor am 25. abends eines zu Gesicht bekommen hat.Diese Zeitdistanz hätte sich erweitert, wenn er auf Reisen gewesen wä-re, in welchem Fall er auch die Möglichkeit eingebüßt hätte, einenachträgliche Korrektur der Druckfehler vorzunehmen. Als die Ausliefe-rung zunächst wegen eines dieser Fehler aufgehalten war und der Autor nach Entdeckung weiterer – nachdem er das Buch erst in die Hand bekom-men hatte – eine Liste der Fehler vorbereiten wollte, wurde von Ihnen

erklärt, die Auslieferung sei „nicht mehr aufzuhalten“. Sie war aus demGrunde nicht mehr aufzuhalten, weil Ihnen, sei es für Ihre Autoritätgegenüber dem Autor, sei es für die geschäftliche Gelegenheit der Radio-aufführung die Rücksicht auf seine literarischen Interessen unerheblichschien und nicht einmal den Verlust von ein paar am Karsamstag zu ver-kaufenden Exemplaren aufwog. Eben die Buchhandlung, die hauptsächlichdie Anhänger seines Werkes versorgt, sollte den fehlerhaften und unauto-risierten Druck so schnell als möglich absetzen – an Leser, deren sitt-liches Unterscheidungsvermögen hinreichend geschult ist, um, wenn sie in-formiert wären, solchen Handel zu verschmähen. Daß die photographischeReproduktion eine Sicherung gegen Druckfehler bedeutet, die Sie offen-bar zu dem vertrauensvollen Entschluß einer Herausgabe hinter dem Rük-ken des Autors bestimmt hat, ist uns bekannt. Sie bedeutet aber aucheine Sicherung der schon vorhandenen Druckfehler wie auch einer vielfachfalschen Druckanordnung, die der Autor nicht rechtzeitig zu Gesicht be-kommen hatte. Er hatte natürlich den Wunsch, die alten Fehler für einenneuen Druck zu korrigieren. Er hatte auch den Wunsch, einige der Musikentsprechende Erweiterungen durchzuführen. Er hatte vielleicht denWunsch, auch sonstige Änderungen vorzunehmen. Er hätte weder geduldet,daß Dialogzeilen als Verse übernommen werden, noch daß Szenenbezeich-nungen, Zwischenräume, Pendants zu übernommenen szenischen Bemerkungenfehlen. Diese und andere Flüchtigkeiten der Druckanordnung hätte er gewiß nicht übersehen. Keines-wegs hatte er den Wunsch, die Widmung einer Rolle für die Schauspielerin,die ihm im Entstehungsjahr der Übersetzung für die Rolle prädestiniertschien, sie aber eben nicht gespielt hat, ihr förmlich aufzudrängen undalso noch in einer bloßen Ausgabe der Gesangstexte zu wiederholen, diedoch gar keine Beziehung mit der Figur erkennen lassen. Und ganz sicherhätte er niemals gestattet, daß eine Vorbemerkung, die im Buch „Madamel’Archiduc“ überhaupt nicht vorkommt, zu deren Gesangstext gedruckt wer-de, und in einem Zeitpunkt, in dem er der dort angekündigten Freigabeder Werke an Bühnen mit aller Heftigkeit widerstrebt. Er wehrt sich gegen Ihren Versuch, in seinem eigensten schriftstellerischen Gebiet überseine Rechte zu verfügen und ihn zu einem Zeitpunkt und auf eine Art,die dem Verleger belieben, zum Autor zu machen. Er wird sich aber auch –entgegen dem Sinn eines Vorworts, dessen Meinung oder Hoffnung heutenicht mehr zutrifft – gegen den rechtlich noch zu kontrollierenden Ver-such wehren, sein künstlerisches Gut vogelfrei zu machen. Er wird sichdurch kein gesetzliches Recht, dessen Ausnützung in diesem Falle geisti-ge Gewalttat bedeutet, abhalten lassen, seinen Widerwillen dagegen vonFall zu Fall mit einer Deutlichkeit auszusprechen, die aller Welt klar

macht, daß sich diese Offenbach-Renaissance zwar unter seinem Namen,aber nicht in seinem Geiste vollzieht – auf die Gefahr hin, daß dieseKlarstellung immer wieder unsägliche Arbeit und Verlust an sonstigerArbeit bewirke, und solange die Vertragstreue eines Partners währt, derden Vertrieb künstlerischen Gutes als dessen Preisgabe erkannt hat undbetätigt.

Mit vorzüglicher Hochachtung[Unterschrift]