173.47 Brief Samek an RA Gustav Scheu

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Materialitätstyp:

  • Kopie

Sender

Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 9. Mai 1932
Betreff: Kraus – Universal-Edition
Diktiersigle: Dr.S/Fa

Empfänger

An: Herrn | Dr. Gustav Scheu, | Rechtsanwalt
Opernring Nr. 3
Wien I.
Seite von 2

Durchschlag.

Sehr geehrter Herr Kollege!

Nach Rücksprache mit Herrn Karl Kraus er-widere ich das Folgende auf Ihr Schreiben vom 3. Mai: Ihretelephonische Bemerkung, die ihm wie mir in durchaus zutref-fender Weise den Grund für die Nichtaufnahme der Klausel, alsofür die Verletzung des Vertrags, zu bezeichnen schien, magkeiner informativen Kenntnis des Falles entsprungen sein, sondernnur einer Vermutung, wird sich aber nach Rücksprache mit IhrerKlientin als die einzig in Betracht kommende sachliche Begrün-dung für deren Vorgehen herausstellen. Es ist ganz so, wie Sietelephonisch gesagt haben und nunmehr brieflich wiederholen, dassdie Universal-Editiondie Stücke überhaupt nicht angebrachthätte, wenn sie die Klausel hineingenommen hätte“. Dass Sie, alsSie diese den Nagel auf den Kopf treffende Bemerkung machten, da-rüber noch nicht informiert waren, dass dies tatsächlich derGrund sei, nimmt Herr Karl Kraus gerne zur Kenntnis. Dagegenwendet er sich nunmehr gegen Ihre Bemerkung, die „gewünschte Be-stimmung“ sei „nicht in der von Herrn Karl Kraus vielleicht er-warteten Form in den Vertrag aufgenommen“ worden. Sie ist in garkeiner Form, sie ist überhaupt nicht aufgenommen worden, und dieseben kann keinen anderen Grund haben, als den von Ihnen als so

berechtigte Vermutung ausgesprochenen. Sie gehen da durchaus nichtin die Irre. Wieso „daher“ auch meine Schlussfolgerung, dass dieUniversal-Edition bewusst und in der Hoffnung, Herr Kraus werdeihr nicht darauf kommen, den Vertrag nicht erfüllt habe, „eineabsolut unzutreffende“ sein soll, ist weder Herrn Kraus noch mirverständlich, unabhängig davon, ob Ihre Aeusserung bloss einerVermutung oder einem Wissen zuzuschreiben war, bleiben wir dabei,dass die Universal-Edition bewusst und in der Hoffnung, HerrKraus werde ihr nicht darauf kommen, den Vertrag nicht erfüllthat. Wir verstehen auch nicht, wieso „eine solche Schlussfolgerung– die gar keine ist, sondern eine Behauptung –, „auch schon deswe-gen verfehlt wäre, weil ja der Autor auch dann gegen Entstellungenseines Werkes geschützt ist, wenn eine solche Klausel im Vertragnicht enthalten ist“. Besser geschätzt wäre er ohne Zweifel, wennsie darin enthalten wäre. Die Universal-Edition hat aber auch denSchutz, der nach Ihrer Rechtsansicht ohnedies gegeben ist, inmeiner Weise betätigt.

Was das Intermezzo mit meiner Kanzleibeamtin betrifft, soscheint mir der von Ihnen gebrauchte Hinweis auf den Umstand, dassin der Universal-Edition durchwegs hochgebildete und kultiviertePersonen tätig sind, in keiner Weise der mir bekannten Wahrheits-liebe meiner Kanzleibeamtin zu widersprechen, die, mag HerrnDr. Heinsheimer auch jede Absicht ferne gelegen sein, sie unwirschzu behandeln, dabei bleibt, dass Herr Dr. Heinsheimer sie unwirschbehandelt hat.

Mit kollegialer HochachtungDr. Samek m.p.