176.20 Brief Samek an RA Otto Elias

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 10. Juni 1932
Betreff: Kraus – Essener städtische | Bühnen
Diktiersigle: Dr.S/Fa.

Empfänger

An: Herrn | Dr. Otto Elias, | Rechtsanwalt
Hansastrasse Nr. 50
Dortmund
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege!

Ihr Schreiben vom 6. Juni 1932 habe ich HerrnKraus zur Kenntnis gebracht. Er lässt Ihnen herzlichst danken.

Unterdessen werden Sie ja auch schon meinenBrief mit der Abschrift des Vertrages bekommen haben und ausihm ersehen, dass ich selbst grosse juristische Bedenken habe,eine Zivilklage einzubringen; die Bedenken allerdings mehr inder Richtung hin, dass der Vertrag zwischen der Universal-Edition A.G. und der Essener städtischen Bühne respektive derStadtgemeinde Essen abgeschlossen wurde und man vielleichtHerrn Kraus die Aktivlegitimation abstreiten könnte. Ob inder eigenmächtigen Rücksendung des Werkes, ohne dass dagegenein Protest erhoben worden wäre, ein stillschweigendes Ein-verständnis mit dem Verzicht auf weitere Aufführungsansprüchezu erblicken ist, möchte ich allerdings nach österreichischerJudikatur bestreiten, da Herr Kraus ja in seinem Brief vom6. April 1932 die „volle Wiederherstellung des Werkes“ verlangthatte und Stillschweigen als Einverständnis wohl nur dann anzu-nehmen ist, wenn eine Pflicht zur unmittelbaren Beantwortungbesteht und das Stillschweigen schlüssig nicht anders als einEinverständnis erklärt werden kann.

Für die Frage der Führung eines Zivilpro-zesses erscheint mir weiter wesentlich der von Ihnen berührteUmstand, es müssen Erklärungen von Kommunalbehörden, soweit sierechtlich verbindender Natur sind, die Unterschriften des Ober-bürgermeisters oder seines Stellvertreters und eines zweitenMitgliedes des Magistrats tragen. Dieser Umstand wäre gewissnicht ausseracht zu lassen, wenn das Werk überhaupt nicht auf-geführt worden wäre und man nunmehr auf Grund des Vertragesauf Erfüllung klagen wollte. Nun ist aber das Werk aufgeführtworden, der Vertrag also erfüllt, aber mangelhaft erfülltworden. Es könnte nach österreichischem Recht keinem Zweifelunterliegen, dass die fehlende zweite Unterschrift dadurchüberflüssig geworden ist, dass das Werk offenbar mit Genehmi-gung des Magistrates aufgeführt wurde. Es ist ja kaum anzu-nehmen, dass Herr Schulz-Dornburg eigenmächtig und ohne diejuristischen Voraussetzungen das Werk zur Aufführung gebrachthat. In solchem Fall könnte nun unbedingt verlangt werden, dassder Mangel bei der Erfüllung des Vertrages behoben und dasWerk unverstümmelt aufgeführt werde. Ich weiss allerdings nicht,ob alle die nach österreichischem Recht zur Anwendung gelangen-den Grundsätze auch dem deutschen Recht entsprechen. Ehe HerrKraus und ich uns darüber entscheiden, ob ein Zivilprozess zuführen ist, möchte ich Sie also bitten, mir die im letzten Brief und nunmehr verlangten juristischen Aufklärungen zu geben.

Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir dieFrage, ob Sie das Strafverfahren gegen Herrn Schulz-Dornburg und gegen die unbekannten weiteren Täter beantragt haben.

Mit vorzüglicher kollegialer Hochachtung

Betr. KrausEssener städt. Bühnen exp. 10.6.1932.