176.21 Brief RA Otto Elias an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Überarbeitungen

Schreiberhände:

  • Otto Elias, schwarze Tinte

Sender

Dr.jur. Elias
Hansastraße 50
Dortmund
Datum: 11. Juni 1932
Diktiersigle: L.

Empfänger

An: Herrn | Rechtsanwalt Dr. Oskar Samek
Schottenring 14
Wien I
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege!

In Sachen des Herrn Karl Kraus gegen Städt. Bühnen, Essen habe ich mit Interesse vom Inhalt des Vertrags Kenntnis genommen,der übrigens in seinem letzten Paragraphen für Zivilanspr u ü cheausdrücklich die ausschliessliche Zuständigkeit von Berlin vorsieht.

Was wegen der Unterschrift bedenklich erscheint, habe ichIhnen bereits dargelegt. Ich halte, nachdem ich jetzt den Vertragkenne, dieses rechtliche Bedenken für sehr stark. Es sei denn,dass Essen – wie es z.B. kürzlich bei uns in Dortmund geschah –den Beigeordneten durch besondere Anweisung als allein zur Unter-schrift derartiger Verträge berechtigt erklärte. Ich könnte dasleicht feststellen lassen!

Dass inzwischen Herr Kraus sein Vertragsverhältnis zurUniversal-Edition A.G. Wien löste, wäre hier rechtlich ohne jedenBelang, wenn – und das nehme ich bis auf Weiteres an – die Firmaihre Rechte aus der Abmachung mit Essen an Herrn Karl Kraus zurück-übertrug oder abtrat.

Ich vermisse nur in der Abmachung jede Verpflichtung von Essen,

eine bestimmte – oder bestimmbare – Anzahl von Aufführungen zuveranstalten.

Es sei denn, man folgere Derartiges aus der Fassung des§ 2, der von der „ersten Aufführung“ und von Abend- und Nach-mittags-Vorstellungen spricht,auch die „letzte Abendvorstellung“ ausdrücklich erwähnt.Sollte etwa die unbestimmte Fassung absichtlich gewählt sein, soentfiele ja wohl für die Firma – und ebenso für Herrn Karl Kraus als den Rechts-Nachfolger – der Rechtsanspruch weitere Aufführungen,die da ri n n in das Belieben von Essen gestellt geblieben wären.

Auf die Strafanzeige hin wird die Gegenseite in ersterLinie sich ja wohl auf § 9 Abs. 2 des Reichsgesetzes berufen wollen:Zulässig sind Änderungen, für die der Berechtigte seine Einwilli-gung nach Treu und Glauben nicht versagen kann“.

Collegialiter!Elias Rechtsanwalt

KrausEssener städt.Bühnen 13. JUNI 1932