176.45 Brief RA Otto Elias an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

Dr.jur. Elias | Notar
Hansastr. 50 II
Dortmund
Datum: den 21. Januar 1933
Diktiersigle: S/III

Empfänger

An: Herrn Rechtsanwalt Dr. Oskar Samek
Schottenring 14
Wien I.
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Kollege Samek,

in Sachen des Herrn Karl Kraus gegen Schulz-Dornburg habe ich in meinem Brief vom 17. Dezember den Standpunkt vertreten,daß die Frage der Erhebung oder Nichterhebung der Privatklage nurnach – nicht von! – dem Grade des Interesses zu beurteilen sei,das Herr Karl Kraus an der Feststellung der Verantwortlichkeit seinesGegenspielers habe.

Sie lassen nunmehr dazu mich wissen, daß diesesInteresse nach wie vor besteht, daß aber Herr Karl Kraus sich dieVerwirklichung dieses Interesses nicht allzu viel kosten lassen will.

Für solche Auffassung habe ich volles Verständnisund hielt sie, wie mein Brief vom 27. Dezember wohl ersehen ließ, fürgeradezu selbstverständlich. Ich gebe deshalb gern noch folgendeweitere Erklärung dazu:

Unsere Strafprozeßordnung stammt aus dem Zeitalterdes sogenannten Liberalismus, mußte also wohl oder übel auch dem Daseindes Verteidigers in etwa Rechnung tragen.

Das ist in der Weise geschehen, daß die Stellung desVerteidigers gegenüber der an sich doch gleichberechtigten Faktorender Rechtsprechung, dem Richter und dem Staatsanwalt, schwer herunter-gedrückt blieb.

Folgerichtig wurde dann auch bestimmt, daß bei Übernahme vonVertretungen in Straf- und sogenannten Privatklage- und Nebenklage-Sachen der Unterlegene dem Vertreter der Interessen des anderen Teils(Privatkläger, Nebenkläger) die Gebühren nur in der gesetzlichen Höhe,nicht aber in der tatsächlich stets entstehenden Höhe, zu erstattenhabe.

Wie sich das auswirkt, wurde in der deutschen Pressekürzlich noch aus Anlaß des berüchtigten Caro-Petscheck-Prozesseserörtert (bei dem es bekanntlich um den Bett-Scheck ging). Ich haltedafür, daß danach Sie, sehr geehrter Herr Kollege, und vor allem auchHerr Karl Kraus selbst, ausreichend im Bilde sind.

Herr Karl Kraus müßte danach, im Falle seines Obsiegens,mit Anwaltsgebühren von immerhin 200 bis 250.– RM mindestens rechnen,während für den Fall der zuvorigen Einstellung des Verfahrens ihmsogar die gesamten Anwaltsgebühren restlos zur Last gelegt werdenwürden. Denn bei Beschlüssen dieser Art gehen unsere Gerichte, darin demGeiste unserer Strafprozeßordnung folgend, durchweg von der Auffassungaus, daß nichts unnötiger war, wie die Zuziehung eines Anwalts.

Auf Grund der in Ihrem Brief vom Ausdruck gelangenden –meines Erachtens nur berechtigten! – Auffassung glaube ich danachnicht, daß Herr Karl Kraus Aufwendungen in solcher Höhe noch auf sichnehmen möchte. Ich betrachte deshalb die Angelegenheit zwischen uns alserledigt, wenn ich nicht noch andere Anweisung von Ihnen erhalte.

Ich benutze die Gelegenheit gern, um mich nicht nurIhnen, sehr geehrter Herr Kollege Samek, sondern vor allem auch HerrnKarl Kraus verbindlichst zu empfehlen.

Elias Rechtsanwalt.

KrausEssenerstädt. Bühnen23. JAN. 1933