178.2 Brief Samek an RA Egon Schwelb

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Schottenring
I., Innere Stadt
Datum: 15. Juni 1932
Betreff: Kraus – diverses. | Dr. Strauss – Kuh.
Diktiersigle: Dr.S/Fa.

Empfänger

An: Herrn | Dr. Egon Schwelb | Advocat
Národní Třida 24
Prag II.
Seite von 6

Sehr geehrter Herr Kollege!

Dem im Schreiben vom 10. Juni 1932 ausge-sprochenen Wunsche entsprechend, übersende ich Ihnen:

1.) Ein Blatt der Nummer des ‚Neuen WienerAbendblattes‘ vom 18.6.1927, mit dem Bericht, dass gegenBekessy ein neuer Steckbrief wegen des Verdachtes der Er-pressung erlassen wurde. Vorher war schon ein Steckbriefgegen Bekessy erlassen worden, als er sich noch in Paris befand.

2.) Ein Blatt des ‚Neuen Wiener Tagblattes‘vom 15. Dezember 1927, mit einem Bericht des Ehrenbeleidigungs-prozesses des Herrn Bekessy gegen seinen früheren RedakteurErnst Spitz, wegen der Broschüre des letzteren ‚Bekessy’sRevolver‘, in der erpresserische Handlungen Bekessys behaup-tet wurden, und

3.) diese Broschüre selbst.

4.) Ein Abendblatt der ‚Neuen Freien Presse‘vom 2. Dezember 1927, mit einer Wiedergabe des Plaidoyers desStaatsanwaltes im Prozess gegen Forda und O’Brien, die Ge-hilfen Bekessys bei seinen Erpressungen. Beide wurden ver-urteilt.

Aus den drei Berichten sind wohl zur Ge-nüge die erpresserischen Handlungen Bekessys nachzuweisen.

Nun zur Tätigkeit des Herrn Kuh.

Ich übersende Ihnen:

5.) Einen Bericht des ‚Neuen Wiener Journals‘ vom3. Oktober 1926 über einen Vortrag Anton Kuh’s im WienerKonzerthaussaal und mache Sie besonders auf die Stelle auf-merksam: „Und jetzt begann dieser Feldzug der Bübereien, alsdessen Generalissimus ich mich Ihnen vorstelle!“ DerGeneralissimus der Bübereien ist natürlich identisch miteinem Söldling des Erpressers, der diese Bübereien als literari-sche Garnitur des Handwerks wie als Racheakt gegen den Ent-hüller des Handwerks gebraucht hat. Mit dem Zuruf Erpresser-Söldling soll Kuh auch wiederholt in Berlin reguliert undeinmal auch aus dem Sportpalast hinausgeworfen worden sein,ohne dass er eine Beleidigungsklage eingebracht hat. Ich würdeempfehlen, um einen etwaigen Versuch, das Wort Erpresser-Söldling dahin zu deuten, dass es die Bezeichnung für einenMenschen sei, der an den Erpressungen teil hatte, damit zu pa-ralisieren, dass es sich klarer Weise um den „Söldling einesErpressers“ handelt, also einem Menschen, der faktisch aberauch wissentlich seinen Sold von einem Erpresser aus erpres-serischem Gewinn bezogen hat, dem er literarisch die Mauermachte. Ueber die Herkunft dieses Gewinnes, die eine notorischewar, war er mindestens durch die Fackel, die er ja bekämpft,also wohl gelesen hat, informiert.

6.) Die Abschrift eines Protokolles im Verfahren wegenVerletzung des Urheberrechtes, dass beim Strafbezirksgericht Iin Wien zur G.Z. U 12 71/26/17 am 16. Oktober 1926 aufgenommenwurde. Ich verweise hauptsächlich auf die blau unterstrichenen

Stellen.

7.) Man hat Bekessy unter anderen Erpressungen auch solchemit Eingreifen ins Privatleben vorgeworfen. Der Artikel AntonKuh, veröffentlicht in der ‚Stunde‘ vom 23.4.1926, stellt eineversteckte Verteidigung dieser Methode dar.

Ferner übersende ich Ihnen:8.) Eine Erklärung der Redakteure der ‚Stunde‘ vom 20.7.1926 mit einer Stellungnahme der Behauptung der ‚Arbeiter-Zeitung‘, dass der Betrieb der Bekessy-Blätter direkt auf Er-pressungen aufgebaut ist und die Antwort des Herrn Austerlitz in zwei Artikeln der ‚Arbeiter-Zeitung‘ vom 20. Juli 1926 Beilage 9). Dazu ist zu bemerken, dass die ‚Stunde‘ immereinen Tag vordatiert ist, also die Nummer vom 20. Juli 1926 schon am 19. Juli 1926 erschienen ist.

10.) Einen Artikel der ‚Arbeiter-Zeitung‘ vom 22. Juli1926.

Zur Charakterisierung des Herrn Kuh mögenIhnen vielleicht die folgenden Belege dienlich sein:11.) Ein Artikel des ‚Berliner Börsen-Courier‘ vom23. April 1926 von Emil Faktor über die Sprechart des HerrnKuh, der wohl einen Schluss auf seine Gesinnung zulässt.

12.–15.) Zwei Briefe eines Julius Thumann, Wien XIII.,Esslergasse 26 und eine Abschrift eines Briefes des HerrnKuh an Herrn Thumann vom 19.10.1913, betreffend den Vorwurfder Zechprellerei.

16.) Den Durchschlag meines Schreibens vom 31. August 1926an Herrn Kraus mit dem Bericht über eine Unterredung mit HerrnAusterlitz, bei der mir dieser von einem Brief des HerrnBleichröder, des Gatten der Schauspielerin Orska, Mitteilung

machte, dessen Inhalt Sie aus dem Durchschlag ersehen. [¿¿]hatte die Schamlosigkeit, für das Sekretariat Anton Kuh einenHerrn A.… zeichnen zu lassen, was gewiss charakteristischfür einen Selbstentwurf ist, der sich jetzt vomGericht eine bürgerliche Ehre attestieren lassen will. DasParasitentum des Herrn Kuh ist nicht nur notorisch, sondernvon ihm selbst zur Charge gemacht worden, die in von ihmfabrizierten Anekdoten eine Rolle spielt. Ueber diese Tat-sache könnten Sie mich und Herrn Bleichröder als Zeugenführen.

17./18.) Sende ich Ihnen die überlassenen Zeitungs-Nummern zurück.

Für die Tatsache, dass Herr Kuh den Er-pressungsgeschäften des Herrn Bekessy die literarischeFassade lieferte, könnten auch Herr Kraus und ich selbstals Zeugen geführt werden.

Trotz genauer Durchsicht der Akten gegenBekessy habe ich nichts weiter gefunden, was die Person desKuh angeht und mit dem gegebenen Beweisthema zusammenhängt.Ich glaube aber, dass bei entsprechend grosser Aufmachungdieses Materials in einem Schriftsatz das Gericht schon denrichtigen Eindruck von der Sache empfangen wird. Wichtigwären Hinweise auf seine Gastrolle als ständiger Passagierdes Luxushotels Adlon in Berlin, die zu seiner notorischenSchnorrerwirksamkeit in augenfälligem Kontrast steht, amPlatze. Es wäre geraten, das Ehepaar Adlon als Zeugen zuführen, ob und in welchem Ausmasse Herr Kuh für die Mieteaufkommt.

Ich muss Sie bitten, mir sämtliche über-

lassenen Belege (ausgenommen die Broschüre ‚Bekessy’sRevolver‘) wieder zurückzustellen, da ich sie nur in einemExemplar habe. Wenn es notwendig wäre, sie dem Gerichtsaktanzuschliessen, müssten Sie beglaubigte Abschriften machenlassen.

Ich zeichne mit vorzüglicher kollegialerHochachtungals Ihr ergebener

19 BeilagenRekommandiert

Betr. Kraus – diversesDr. StraussKuh exp. 15.6.1932.