187.10 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
PRAG II.
Datum: 4.XII.1933

Empfänger

An: P.T. | Herrn Dr. Oskar Samek, | Rechtsanwalt
Reindorfgasse 18
Wien – XIV
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Doktor.

Ich bestätige den Empfang Ihrer gesch. Zu-schriften vom 1. l.M. in Angelegenheit Karl Kraus ca: „AUFRUF“,Neue Deutsche Blätter“, „Gegenangriff“, „die Welt im Wort“, „dieWahrheit“. Berichtigungen sind erschienen: in Nr. 32 der „Wahr-heit“ / diese allerdings in sehr merkwürdiger Form / und in Nr. 9der „Welt im Wort“. Diese beiden Exemplare schliesse ich bei.

Die von Herrn Kraus gestellten Fragen bezüg-lich des im Gegenangriff erschienenen Artikels werde ich nachgenauer Ueberprüfung des Tatbestandes beantworten. Dasselbe giltvon der Anfrage bezüglich des Artikels in den neuen deutschenBlättern. Im letzten Aufruf war eine Berichtigung nicht ent-halten. Heute wurde ich vom verantwortlichen Redakteur desAUFRUF, Herrn Dr. Bill angerufen. Dieser teilte mir, dass er imAuftrage und in Anwesenheit des Autors des beanständeten Artikels spreche und ersuche, von der Veröffentlichung der Erklärung überdie Bezahlung des Sühnebetrages absehen zu wollen. Herr Verneau habe keinsfalls die Absicht gehabt, in die Rechte des HerrnKarl Kraus einzugreifen und er glaube, durch seinen Artikel dar-getan zu haben, dass er nicht im Sinne hatte, eine Kritik andem betreffenden Gedichte des Herrn Karl Kraus zu üben, sondernnur das ausdrücken wollte, was viele Leser der FACKEL empfinden,nämlich dass gerade das Wort des Herrn Kraus in diesen Zeiten

schwer entbehrt werde.

Meine Erwiderung, dass diese Tatsacheweder Herrn Dr. Bill, noch den Autor des betreffenden Artikels berechtigen, ein fremdes Gedicht ohne Einwilligung des Autorsund noch dazu fehlerhaft abzudrucken, beantwortete dieser damit,dass er seit dem Erscheinen des „AUFRUF“ einen harten, aber bisheraussichtslosen Kampf gegen den tschechischen Setzer führe unddass jede Korrektur eines Druckfehlers bisher nur den Erfolggehabt habe, dass dieser Druckfehler berichtigt worden sei,jedoch neue Druckfehler entstanden seien.

Es sei weder ihm, noch Herrn Verneau ein-gefallen anzunehmen, dass die Verwendung des Gedichtes alsEinleitung zu dem betreffenden Artikel als Eingriff in die Autor-rechte des Herrn Kraus gewertet werden würde. Der „AUFRUFgewähre einer ganzen Anzahl von Emigranten Beschäftigung undwidme als Organ der Liga für Menschenrechte grosse Beträge derUnterstützung von Emigranten. Deswegen bitte er, Herr Kraus mögenicht darauf bestehen, dass der Sühnebetrag bezahlt und die vonmir aufgesetzte Erklärung veröffentlicht werde. Die Berichtigung des fehlerhaft wiedergegebenen Gedichtes werde in der nächstenNummer erscheinen.

Ich habe Herrn Dr. Bill darauf aufmerksamgemacht, dass ich nicht berechtigt sei, irgendwelche Zusagen zumachen, mich jedoch bereiterklärt, den Brief, dessen gleichzei-tige Absendung Herr Dr. Bill notifizierte, an Herr Kraus weiter-zuleiten.

Ich behalte mir also vor, Ihnen den Brief nach dessen Einlangen einzusenden und bitte mir dann die Weisun-gen des Herrn Kraus zukommen zu lassen.

Mit vorzüglichster Hochachtung ergebener:Dr. Turnovsky

5. DEZ. 1933KrausAufruf