189.18 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag
Datum: 3. Jänner 1934
Betreff: Kraus – Gegenangriff
Diktiersigle: Dr.T./M

Empfänger

An: Herrn | JUDr. Oskar Samek, | Rechtsanwalt
Reindorfgasse 14
Wien XIV.
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Doktor!

Ich bestätige den Empfang Ihres Briefes vom30. d.Vm. sowie des beigeschlossenen Entwurfes einer an den verant-wortlichen Redakteur des Gegenangriff zu sendenden Berichtigung.

Bei der heutigen Verhandlung wurde konstatiert,dass die Ladung der verantwortlichen Redakteurin wiederum nicht zu-gestellt worden ist, trotzdem der Gerichtsbote die Zustellung inder Wohnung sowie in der Kanzlei des Advokaten, bei dem Dr. Schnie-rer angestellt ist, versucht hat. In der Wohnung wurde ihm gesagt,dass Dr. Schnierer verreist ist und nach den Weihnachtsfeiertagenihre Wohnung ändern wird. Gleichzeitig wurde konstatiert, dass derEmpfang meiner eingeschriebenen Briefes, in welchem ich um Aufnahmeder Pressberichtigung ersucht habe, nicht von Dr. Marie Schnierer,sondern offenbar vom Dienstmädchen ihrer Wohnungsvermieterin bestä-tigt worden ist.

Der Richter, der in diesem Verfahren absolut keinVerständnis für die Sache bekundete, erklärte, dass er das Verfahrenunterbrechen müsse und war davon nicht abzubringen, trotzdem ichmich bereit erklärte, die Zustellung selbst überwachen zu wollen.Da der Beschluss über die Unterbrechung des Verfahrens erflossen ist,habe ich mich telefonisch an die Kanzlei des Anwaltes, bei welchem

Dr. Schnierer angestellt ist, gewendet, Frau Dr. Schnierer kam selbstzum Telefon und erwiderte auf meine Frage, ob sie meinen Briefvom 11.XII.1933 erhalten habe, dass sie diesen Brief zwar bekommenhabe, es jedoch ablehne, die Berichtigung zu veröffentlichen.Als ich bemerkte, dass ich der Polizei zur Kenntnis bringen müsse,dass der verantwortliche Redakteur einer in Prag erscheinenden Zeit-schrift unter der in dieser Zeitschrift angeführten Adresse nichtauffindbar sei, sodass ihm gerichtliche Ladungen nicht zugestelltwerden konnten, behauptete Frau Dr. Schnierer, sie habe ihre Woh-nung nicht geändert und Zustellungen an ihre Adresse seien möglich.Darauf habe ich bei Gericht sofort den Antrag gestellt, das Verfah-ren fortzusetzen und die Ladung zu der für den kürzesten Terminanzuordnenden Tagsatzung entweder in frühen Morgenstunden in derWohnung, oder Nachmittag in der Kanzlei des Dienstgebers der Beschul-digten zustellen zu lassen. Gleichzeitig habe ich den Antrag ge-stellt, zu der anzuberaumenden Tagsatzung Herrn Prof. Dr. Otakar Fi-scher als Sachverständigen zu laden.

Ich habe mir gestattet, den Entwurf der neuen Berich-tigung abzuändern. Gemäss § 11 der Pressgesetznovelle kann der Be-richtigende in der Berichtigung lediglich Tatsachen anführen, welchedie in der Nachricht enthaltenen Tatsachen richtig stellen oder wider-legen. Der mir eingesendete Entwurf der Berichtigung entsprichtwohl dieser Vorschrift, doch wird durch Wiederholung der zu berich-tigenden Behauptungen resp. durch deren Zitierung die Berichtigungselbst in ihrem Ausmasse verlängert. Berichtigt wird nur der letzteAbsatz des Artikels „Lanze für Karl Kraus“. Da nach § 11 Absatz 6

der Pressgesetznovelle die Berichtigung nur dann unentgeltlich zu veröffent-lichen ist, wenn sie das doppelte Ausmass der ursprünglichen Nach-richtig nicht überschreitet, so schlage ich vor, die Berichtigungnur auf die Widerlegung der beanständeten Nachrichten zu beschrän-ken, womit, wie ich glaube, der Berichtigungszweck erfüllt wird.Das Verhalten der Dr. Schnierer bestärkt mich in der Annahme, dasssie auch in diesem Falle ohne gerichtlichen Zwang die Berichtigungnicht veröffentlichen wird und ich möchte ihr die Ausrede, siehabe die Berichtigung wegen ihres grossen Umfanges abgelehnt, neh-men.

Ich sende Ihnen daher den Entwurf der abgeändertenBerichtigung mit der Bitte ein, ihn Herrn Kraus vorzulegen undmir sodann bekanntzugeben, ob er mit dieser Fassung einverstandenist. Sollte ihm daran gelegen sein, die Berichtigung in der vonihm vorgeschriebenen Form zu erzwingen, dann bin ich natürlichbereit, mein Schreiben dem Entwurfe anzupassen, wobei ich anneh-me, dass mit Rücksicht auf den Inhalt des Motivenberichtes zu § 11 die Berichtigung auch in der von Herrn Kraus gewünschten Formveröffentlicht werden muss.

Ich sehe daher Ihren Weisungen entgegen undzeichne

in vorzüglicher HochachtungDr. Turnovsky

1 Beilage.

KrausGegenangriff 4. JAN. 1934