189.17 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

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Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag
Datum: 2.I.1934

Empfänger

An: P.T. | Herrn Dr. Oskar Samek, Advokat
Reindorfgasse 18 –
Wien – XIV
Seite von 2

Sehr geehrter Herr Doktor.

In Angelegenheit Karl Kraus ca:Gegenangriff bestätige ich den Empfang Ihrer beiden Briefevom 28. und 29.XII.1933.

Das Verfahren zur Erzwingung derAufnahme einer Pressberichtigung ist im § 14 der Presse-gesetznovelle geregelt. Das in Pressachen zuständige Bezirks-gericht hat auf Verlangen des um die Pressberichtigung er-suchenden nach mündlicher, nach den Grundsätzen über dieHauptverhandlung durchgeführter Verhandlung durch Beschlusszu entscheiden. Das Verfahren ist also auch nach tschechoslo-wakischem Rechte öffentlich, nur wird nicht durch Urteil,sondern durch einen Beschluss über den Antrag entschieden.

Was nun Ihre Anfrage über den Modusprocedendi betrifft, muss ich folgendes bemerken:Der Richter, der über die Berichtigung zu entscheiden hat,beherrscht die deutsche Sprache sehr mangelhaft. Ich habeden Eindruck, dass es auch sehr schwer wäre, ihm die Bedeutungdes Falles klarzustellen, wenn es sich um die fehlerhafteWiedergabe eines in tschechischer Sprache abgefassten Ge-dichtes handeln würde. Es gibt eben hier viele Richter,die, von Gesetzbüchern und juristischen Publikationen abgesehen,

kaum je ein Buch gelesen haben. Einem solchen Referentendas Verständnis dafür beizubringen, dass der Autor einesGedichtes Interesse daran und ein Recht darauf hat, dasssein Gedicht richtig wiedergegeben werde und dass sich die-ser Autor gegen die falsche Wiedergabe, mag diese auch nurin der Auslassung eines Beistriches bestehen, wehren muss,ist natürlich ausserordentlich schwer.

Ich hoffe, dass es mir gelingen wird, durch Zitierung desMotivenberichtes zu § 11 der Pressegesetznovelle den Richter davon zu überzeugen, dass der Anspruch auf Berichtigung vonveröffentlichten Tatsachen auch dann gegeben ist, wenn durchdiese gemeldeten Tatsachen die Ehre des Berichtigenden nichtberührt worden ist, sondern dass es genügt, wenn auf erkennt-liche Weise das berechtigte Interesse des Antragstellers daran berührt wurde, dass das Urteil des Lesers, welches aufGrund der über den Antragsteller veröffentlichten Tatsachengebildet wurde, nicht auf unwahren Tatsachen basiere.

Sollte ich den Eindruck gewinnen, dass der Rich-ter trotzdem die fehlerhafte Interpunktion für zu gering-fügig hält, um darauf eine Berichtigungspflicht aufzubauen,dann werde ich die Zuziehung des Herrn Professor Fischer alsSachverständigen beantragen.

Ich behalte mir vor, Ihnen über die morgigeTagsatzung zu berichten und zeichne

mit vorzüglicher Hochachtung ergebener:Dr. Turnovsky

P.S.

Da ich nicht weiss, ob Herr Kraus in Wien den Gegenangriff liest, sende ich den in der Nummer 23 vom 24.XII.1933 er-schienenen Artikel ein, der als Erwiderung des Artikels von Botho Laserstein veröffentlicht wurde.

3. JAN. 1934KrausGegenangriff