189.32 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Überarbeitungen
  • Typoskript mit handschriftlichen Annotationen

Schreiberhände:

  • Johann Turnovsky, schwarze Tinte
  • Oskar Samek, Bleistift

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag
Datum: 27.I.1934

Empfänger

An: P.T. | Herrn Dr. Oskar Samek
Reindorfgasse 18
Wien – XIV
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Doktor.

In der Ehrenbeleidigungsangelegenheit KarlKraus ca: Gegenangriff habe ich dem Gegenanwalte die mirin Ihrem Briefe vom 23. l.M. mitgeteilten Bedingungen bekannt-gegeben und erhielt heute seine die Antwort, in welcher der Gegen-anwalt namens der verantwortlichen Redakteurin erklärt, dassdiese die Forderungen des Herrn Kraus in folgenden Punktenakzeptiert:

Die Erklärung wird unter dem gleichen Titelveröffentlicht wie seinerzeit der beleidigende Artikel. Derverantwortliche Redakteur verpflichtet sich, zu der Erklärung,zu der mit dem Briefe vom 3. l.M. verlangten Berichtigung undauch zu der etwa auf Grund der Beschwerde zu veröffentlichen-den Berichtigung keinen Zusatz zu machen und auch nicht ineiner folgenden Nummer zur Materie der Erklärung einen Artikelzu veröffentlichen. Dagegen ist der Wortlaut der Erklärunginsoferne im Widerspruche mit der bei Gericht angebotenenErklärung, als in letzterer angeführt war, dass ein Artikelveröffentlicht wurde, durch dessen Inhalt sich Herr Karl Kraus beleidigt fühlte und nicht, wie in der von Ihnen verlangtenFassung steht, beleidigt wurde. Ebenso waren die Anführungs-zeichen vor und nach dem Zitat aus dem inkriminierten Artikel in der angebotenen Erklärung nicht enthalten und schliesslichlautete der die eigentliche Erklärung enthaltende Satz „aufGrund der mir erteilten Informationen erkläre ich, dass diese

Worte … u.s.w.

Herr Dr. Stein behauptet, zu einer Abänderungder Erklärung in der gewünschten Weise nicht ermächtigt zusein, weswegen er seine Mandantin nur verpflichten könne,die Erklärung in dem von ihm bei der Vergleichstagsatzungangebotenen Wortlaute zu veröffentlichen.

Da ich auf Grund der in der ersten Berichti-gungssache gemachten Erfahrungen zu dem Referenten insofernedas Vertrauen verloren habe, als ich nicht mit Bestimmtheitausschliessen kann, dass er auch die neue Berichtigung bezüg-lich ihrer Fassung nicht als dem Wortlaute des § 11 wider-sprechend ansehen wird, habe ich Dr. Stein darauf aufmerksamgemacht, dass die ihm bekanntgegebene Bedingung der Veröffent-lichung der zweiten Berichtigung ohne Zusatz so zu verstehenist, dass dieser Zusatz auch dann nicht veröffentlicht werdendürfte, wenn das Gericht, trotzdem ich vom Gegenteile über-Materie zeugt bin, beschliessen sollte, dass die Berichtigung dem§ 11 nicht entspricht und daher in einer abgeänderten Fassungveröffentlicht werden muss. Dazu wollte sich Dr. Stein nichtverpflichten.

Deshalb habe ich erklärt, dass der bedingtabgeschlossene Vergleich von mir voraussichtlich widerrufenwerden wird, dass ich jedoch vorher die Weisungen des HerrnKraus einholen werde.

Da der Widerruf des Vergleiches längstensbis zum 31. l.M. bei Gericht einlangen muss, bitte ich um post-wendende, womöglich telefonische Weisung, ob ich die Eingabeam 29. l.M. überreichen soll.

In der heutigen Nummer des Gegenangriff wurdedie verlangte zweite Berichtigung nicht veröffentlicht, weswegen

ich den Antrag nach § 14 überreicht habe.

Ihrem im Briefe vom 26. l.M. geäussertenWunsche entsprechend, schliesse ich die gewünschten Nummerndes Prager-Tagblattes vom 11. und 19. d.M. bei und zeichne

mit vorzüglicher Hochachtung ergebenerDr. Turnovsky

express

beleidigt erscheint.

KrausGegenangriff29. JAN. 1934