189.33 Brief Samek an RA Johann Turnovsky

Materialitätstyp:

  • Durchschlag

Sender

Oskar Samek
Reindorfgasse
XIV., Penzing
Datum: 29. Januar 1934
Betreff: Kraus – Gegenangriff
Diktiersigle: Dr.S/Fa

Empfänger

An: Herrn | Dr. Johann Turnowsky, | Advocat
Vodickova 33
Prag II.
Seite von 3

Sehr geehrter Herr Kollege!

Ihr Schreiben vom 27. Januar 1934 habe icham 28. morgens erhalten und ich konnte die Angelegenheitmit Herrn Kraus nur telefonisch besprechen. Um ein fürheute nachmittag beabsichtigtes Telephongespräch auchschriftlich und genauer auszuführen, sende ich Ihnen dieMeinung des Herrn Kraus in dieser Angelegenheit auch durcheinen Expressbrief. Die erste von Herrn Dr. Stein verfassteErklärung soll wohl durch die zweimalige Verwendung derWorte, dass Herr Kraus sich beleidigt gefühlt hat, die Be-leidigung selbst abschwächen, und es auch vor einem Leser,der den ursprünglichen Artikel nicht mehr genau kennt, sohinstellen, als ob nur ein übertriebenes Ehrgefühl desHerrn Kraus bei der Abgabe der Erklärung berücksichtigtwürde. Die Verwendung der Worte: „Auf Grund der mir er-teilten Informationen“ soll offenbar die Sache so darstel-len, als ob Herr Kraus der verantwortlichen Redakteurin nachträglich Informationen erteilt hätte, die sie zur Ab-gabe der Erklärung veranlasst. Diese Vertraulichkeit darfabsolut nicht in der Erklärung enthalten sein. Es bliebenoch eine Möglichkeit, eine kürzer gefasste Erklärung an-

zunehmen, wodurch dies vermieden und auch dem Verlangender Gegenseite Rechnung getragen würde. Dabei könnte manauch auf die Verwendung von Anführungszeichen für den In-halt der Beleidigung verzichten, weil sie durch das Wortbehauptet“ überflüssig werden. Diese Erklärung hätte zu lauten:

„In Nr. 19 dieser Zeitschrift vom 26.11.1933 wurde unterdem Titel ‚Nachruf auf Karl Kraus‘ ein Artikel veröffent-licht, in welchem behauptet wurde, er habe auch währenddes Weltkrieges nicht gewünscht, dass man von ihm eineigenes Wort erwarte, und erst als der Zusammenbruch derMittelmächte entschieden war, habe sie keiner so beredtverflucht wie er, er schweige auch jetzt, weil er zu tiefleide und auch sonst Rücksicht zu nehmen habe. DieserArtikel wurde ohne mein Wissen in Druck gegeben. Icherkläre, dass diese Behauptungen, insoferne sie sich aufdie Haltung des Herrn Kraus während des Weltkrieges be-ziehen, auf unrichtigen Informationen beruht haben und,insoferne sie auf sein Schweigen im gegenwärtigen Zeit-punkte Bezug nehmen, dass das angeführte Motiv unrichtigist. Ich widerrufe daher diese Behauptungen.“

Die übrigen Bedingungen, wie sie Ihnen in meinemBrief vom 23. Januar 1934 bekanntgebeben wurden, müssten auf-recht bleiben, bis auf den Punkt eines Zusatzes, für den Fall,als bezüglich der zweiten Berichtigung eine Abänderung vomGerichte beschlossen werden sollte. Für diesen Fall könnteman Herrn Dr. Stein respektive der verantwortlichen Redakteurin zugestehen, dass es ihr gestattet sei, über die juristischeAngelegenheit der Berichtigung einen Zusatz zu machen, wenndieser nur die formelle Unrichtigkeit der eingesendeten Be-richtigung behandelt, nicht aber in die Materie selbst ein-

geht. Sollten auch diese Vorschläge abgelehnt werden, sowäre es wohl zweckmässig die Angelegenheit weiterzuführenund man könnte sich dann mit Recht darauf berufen, dass die be-schuldigte Redakteurin respektive deren Anwalt in die Er-klärung Sätze aufgenommen hat, die den Wortlaut derselbenabschwächen sollen. Im Uebrigen hoffe ich Sie heute nach-mittag bei meinem telefonischen Anruf zu erreichen undzeichne mit vorzüglicher kollegialer Hochachtung

Ihr ergebener

Express