189.59 Brief RA Johann Turnovsky an Samek

Materialitätstyp:

  • Typoskript mit handschriftlichen Überarbeitungen

Schreiberhände:

  • Johann Turnovsky, schwarze Tinte

Sender

JUDr. JOHANN TURNOVSKY | Advokat
Vodičkova 33
Prag
Datum: 13.VII.1934
Betreff: Kraus – Gegenangriff

Empfänger

An: P.T. | Herrn Dr. Oskar Samek, Rechtsanwalt
Reindorfgasse 18
Wien – XIV
Seite von 4

Sehr geehrter Herr Doktor.

Ich erhielt Ihren Brief vom 12. d.M. und gestatte mir Ihre Anfrage wie folgt zu beantworten:

Das Gesetz über den Schutz der Ehrevom 28.VI.1933 Nr. 108 d. Ges. Smlg. hat von den Bestimmun-gen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches nur die der §§1339 und 1340 aufgehoben. Durch dieses Gesetz wurde daherdie Bestimmung des § 1330 A.G.B.G. im Wortlaute des § 168der III. Teilnovelle nicht ausser Kraft gesetzt, ebensowenigwie eine Aufhebung dieser Bestimmung durch die Pressgesetz-novelle vom 28.VI.1933, resp. vom 7.VII.1933 Nr. 145 des Ges.-Smlg. erfolgt ist. Die Bestimmung des § 1330 hat demnachauch bei uns Geltung und es kann daher, insoferne in derNotiz des Gegen-Angriff vom 7. d.M. die Verbreitung von Tat-sachen erblickt werden kann, die den Erwerb des Herrn KarlKraus gefährden, die Klage auf Widerruf und dessen Veröf-fentlichung eingebracht werden.

Falls man diese Klage überreicht,wird es selbstverständlich wieder zu einem grossen Prozessekommen, da ja der Gegen-Angriff und der Rechtsanwalt derHerausgeberin und verantwortlichen Redakteurin darauf ausgehen,sich durch ihre Kontroversen mit Herrn Kraus interessant zu

machen und aus ihnen ihr publizistisches Material zu schöpfen.

Man wird daher genau prüfen müssen, ob die Tatsa- Meldung ,chen, die Werke Karl Kraus’ würden im Ramsch verkauft, eineBehauptung ist, deren Verbreitung den Erwerb des Herrn Kraus gefährdet und deren Unwahrheit der Autor des Artikels kannteoder kennen musste.

Ich habe die betreffende Annonce, mit der die Ueber-nahme der Werke in Generalkommission angekündigt war, nichtgelesen, da Sie jedoch erwähnen, dass diese Annonce in derNotiz des Gegen-Angriff wörtlich wiedergegeben ist, muss ichmir wohl das Original nicht verschaffen. Jedenfalls wird esnotwendig sein, den Begriff „im Ramsch verkaufen“ in derKlage genau auszuführen und zu erklären, um beweisen zukönnen, dass durch die Behauptung, die Werke des Klägers würdenim Ramsch verkauft und durch die Verbreitung dieser Behaup-tung der Erwerb des Herrn Kraus tatsächlich gefährdet wird.

Ich erbitte mir die Weisungen des Herrn Kraus sobald wie möglich, damit ich, wenn er die Klage zu überrei-chen gedenkt, diese noch vor Antritt meines Urlaubes ver-fassen kann. Ich wollte allerdings den Urlaub am 18. d.M.antreten.

Bei dieser Gelegenheit teile ich auch mit, dassder Beschluss über die Einstellung des Gegen-Angriff heutezugestellt wurde. In der Begründung ist leider wieder einSchreibfehler zu verzeichnen. Der Beschluss basiert auf derVeröffentlichung der im Vergleiche festgelegten Erklärung,die deshalb als ungenügend bezeichnet wird, weil die Unter-

schrift der Redakteurin fehlt und weil im Texte statt desAusdruckes „berecht“ der fehlerhafte Ausdruck „bereitangeführt wurde.

Um dem Gegenangriff nicht die Handhabezu bieten, die Erklärung, deren Veröffentlichung er zurErzielung der Aufhebung des Einstellungsbeschlusses sicherunverzüglich vornehmen wird, mit dem Schreibfehler „berecht“abzudrucken, werde ich veranlassen, dass das Gericht diesenSchreibfehler richtigstellt.

Ich sehe Ihrer, von Herrn Kraus einzuho-lenden Weisung gerne entgegen, bitte ihm meine besten Em-pfehlungen zu bestellen und zeichne

mit vorzüglicher HochachtungIhr ergebener:Dr. Turnovsky

KrausGegenangriff14. JULI 1934